Herr Bayram, wie kam es dazu, dass Sie sich bei B?rkle & Sch?ck bewarben?
Ich habe 40 Bewerbungen geschrieben und fast nur Absagen erhalten. Einmal hatte ich sogar vermutet, dass ich aufgrund meines Migrationshintergrunds nicht eingeladen wurde. Mein Freund mit gleich mittelm??igem Zeugnis wurde zum Vorstellungsgespr?ch eingeladen.
Das Unternehmen B?rkle & Sch?ck in Stuttgart kannte ich von einem Technik-Projekt an meiner Realschule. Wir bauten Durchgangspr?fer und konnten die Firma besichtigen. Auf der Firmenwebseite habe ich mich dann ?ber die Ausbildungsberufe informiert und mich beworben.
Sie haben sich mit einem anonymen Bewerbungsformular beworben. Welche Vorteile sehen Sie f?r sich darin?
Ich fand es klasse, dass die Firma mehr Wert auf meine Pers?nlichkeit legt.Im Vergleich zur Standartbewerbung hatte ich mir mehr Chancen versprochen. In dem Bewerbungsformular konnte ich meine Motivation beschreiben, warum ich diesen Beruf in diesem Unternehmen lernen wollte. Weitere Fragen waren u. a. zum Schulabschluss (ohne Notennennung), zu Sprachkenntnissen, ehrenamtlichen T?tigkeiten oder auch meine Interessen. Ich musste keine Zeugnisse, Lebenslauf oder ein Foto beilegen.
Herr B?rkle, Sie hatten 2012 am Modellprojekt ?Anonym bewerben in Baden- W?rttemberg teilgenommen? und halten an diesem Bewerbungsformat fest. Warum?
Es ist mir eine Herzensangelegenheit diejenigen Jugendlichen auszubilden, die nicht in der ersten Reihen stehen. Wir sind seit 85 Jahren ein Familienbetrieb und ich pers?nlich habe auf mehr griechischen Hochzeiten von Mitarbeitern getanzt wie auf deutschen. Am Standort Stuttgart arbeiten wir zurzeit mit einer 45 k?pfigen Belegschaft u. a. aus T?rken, Griechen, Spanier, Bosnier, Kroaten, Mazedonier, Italiener, ?thiopier, Somalier und Deutschen, darunter 12 Auszubildende. Bei 60 % Migrationshintergrund steht uns ein echter Sprachreichtum unserer Mitarbeiter zur Verf?gung. Eine Ressource, die unsere Kundschaft zu w?rdigen wei?.
Was macht das anonyme Bewerbungsformat f?r Sie so erfolgreich?
Neben der Vielfalt erreichen wir Jugendliche, die sich in irgendeiner Weise benachteiligt f?hlen. Herkunft, Schulnoten, mangelnde Deutschkenntnisse k?nnen solche Gr?nde sein. Ebenso auch ein mangelndes Selbstwertgef?hl, sie f?hlen sich vielleicht zu dick oder zu d?nn oder nicht ?schlau? genug.
F?r diese jungen Menschen bauen wir mit dem anonymen Formular Hemmschwelle ab und ermutigen sie, sich zu bewerben. Mit Erfolg, denn wir finden junge Talente die zu unserem Unternehmen passen und unsere Werte mittragen.
Was hat sich ver?ndert zu fr?her?
Das standardisierte Formular erh?lt Auswahlkriterien, die auf unser Unternehmen zuschnitten ist. Es erm?glicht eine schnelle zielgerichtete Vergleichbarkeit der Bewerber und trennt die Spreu vom Weizen.
Beispielsweise signalisiert das Motivationsschreiben des Interessenten, wie wichtig diese Bewerbung f?r ihn oder sie ist. Zudem suchen wir Pers?nlichkeiten, die die notwendige Sensibilit?t f?r den Kundenkontakt mitbringen und idealerweise ihre Sprache sprechen. Eine ehrenamtliche T?tigkeit zeigt solch ein soziales verantwortliches Verhalten.
Im Gegensatz zum ?blichen Verfahren lernen wir den jungen Menschen erst einmal unvoreingenommen kennen. Bewerbungsfotos sind nicht wichtig, denn gerade in der Zeit von der Bewerbung bis zum Ausbildungsantritt ver?ndern sich die Jugendlichen. Aus dem kleinen noch kindlichen Jungen ist ein hochgewachsener junger Mann geworden und das l?chelnde M?dchen erscheint verschleiert als junge gl?ubige Frau zum ersten Ausbildungstag. Noten und Zeugnisse sind uns nur bedingt wichtig. Sie unterstreichen die Glaubw?rdigkeit und ggf. best?tigen sie unsere Einsch?tzung.
Im letzten Jahr habe ich ca. 80 Bewerbungsgespr?che gef?hrt. Das ist viel, es ist spannend und zu weil ?berraschend zu sehen, wer vor mir sitzt. Ich komme mit jungen Menschen ins Gespr?ch, die auf dem ?blichen Wege nicht zu uns gefunden h?tten.
Wie k?nnen wir uns die Umstellung auf das Verfahren konkret vorstellen? Wie haben Sie das Verfahren eingef?hrt?
Die Umstellung ist recht einfach. Sie entwickeln ein anonymes Bewerbungsformular mit Auswahlkriterien, die ihnen R?ckschl?sse auf die Kenntnisse und Kompetenzen des Bewerbers passend zur Qualifikation schlie?en lassen. Ein Anschreiben informiert den Bewerber zum anonymen Bewerbungsprozess. Unter anderem wie mit den Kontaktdaten umgegangen wird und auf was beim Ausf?llen des Formulars verzichtet werden sollte. Unser entwickeltes Formular entspricht dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Im ersten Auswahlschritt wird das Anschreiben, mit den Kontaktdaten des Kandidaten, vom Bewerbungsbogen getrennt und mit einer Nummer versehen. Interessierte, die eine klassische Bewerbung einsenden werden gebeten noch das Formular auszuf?llen, denn nur dieses wird dem Auswahlgremium vorgelegt. In der Runde der Personalverantwortlichen, wird entschieden welcher Bewerber welche Bewerberin zum zweiten Auswahlschritt, dem Vorstellungsgespr?ch, eingeladen wird. Danach erfolgt die Auswahl wie ?blich.
Die Auswahl eines neuen Mitarbeiters oder Auszubildenden ist in unserem Hause Chefsache. Mir pers?nlich liegt sehr viel an der Umsetzung und dementsprechend wurden die Personalverantwortlichen gebrieft.
Damit mangelnde Deutschkenntnisse nicht zum Hemmnis werden, erhalten die Auszubildenden eine Willkommensbrosch?re in einer Sprache, die sie verstehen. Meist ist ihre Muttersprache dabei. Die Unternehmenssprache ist Deutsch und so erm?glichen wir individuell abgestimmte interner Deutschkurse. Doch Sprache lernen dauert und daher sind im Betrieb die wichtige Hinweisschilder und Anleitungen in mehreren Sprachen verfasst.
Herr Bayram, was macht das Unternehmen f?r Sie als einen besonderen Ausbildungsbetrieb aus?
Herr B?rkle ist f?r mich ein Vorbild, wenn es um Integration und Vielfalt geht. Er lebt Respekt und Wertsch?tzung vor. Zudem sch?tze ich das Team. Zum Beispiel gibt es ein Mitarbeiterstammtisch einmal im Monat. Wir treffen uns zum Grillen und so lernen wir uns auch privat und nicht nur beruflich kennen. Besonders wertvoll ist es, dass ich w?hrend der Ausbildung alle Bereiche und Maschinen des Unternehmens kennen lerne. Das ist im Vergleich eine zus?tzliche Qualifikation, die viele meiner Azubikollegen nicht erhalten.
Herzlichen Dank f?r das Gespr?ch.