Dies ist die dritte Ausgabe unserer Interviewreihe ?#lernenausderkrise ? Stimmen aus dem Mittelstand?. Michael Schaz-Kunze teilt seine Erfahrungen aus der Corona-Krise mit uns und berichtet, wie sein Gesch?ft von dem Boom im Outdoor-Sport profitieren konnte. Aus dem Hobby w?chst ein ernstzunehmendes Unternehmen ? f?r den leidenschaftlichen Paddler auch eine pers?nliche Reise.

Als Kanusportler bin ich es gewohnt, mit dem Fluss zu gehen, flexibel zu sein und schnell zu entscheiden. Um von dem Boom im Outdoor-Sport wirklich profitieren zu k?nnen, musste ich aber auch lernen, Themen wie den Einkauf viel langfristiger zu planen, bewusst vorzusteuern und ins Risiko zu gehen.    

RKW: Lieber Michael, wie hast Du mit Deinem Kanuladen die Corona-Krise bisher erlebt?

Michael Schaz-Kunze: All das Leid mal beiseitegelassen, hat die Corona-Krise nat?rlich den Outdoor-Sportarten einen riesen Boom beschert. Schon im April 2020 wollten pl?tzlich alle raus zum Wandern, Radfahren, Klettern und eben auch Kanufahren. Viele Menschen wollten sich nicht nur einschr?nken, sondern auch was Erleben, drau?en an der frischen Luft. Die Nachfrage nach Booten und Equipment stieg unmittelbar an und unser Gesch?ft nahm mehr Fahrt auf als erwartet. Auf vieles waren wir dabei eher ungeplant gut vorbereitet: Da ich Kanuladen und Schule im Nebenerwerb und mit ein wenig Unterst?tzung meiner Frau betreibe, hatten wir schon immer eingeschr?nkte ?ffnungszeiten. Unsere Kundschaft kannte das schon.  Eine Beratung zum Bootskauf ist eben auch nicht nebenbei in f?nf Minuten gemacht, deshalb haben wir schon immer gern Termine vereinbart ? Click & Meet war also schon gelebte Praxis. Ein Vorteil war auch, dass wir im Verkauf als Webshop gestartet sind und dann sp?ter den Laden dazu geholt haben ? und nicht umgekehrt. Online waren wir also schon gut aufgestellt und bei unserer Kundschaft etabliert.

Im August 2020 fing bei allem Aufwind das Gesch?ft an zu kippen: Auf einmal wurden keine Schwimmwesten mehr von den Herstellern nachgeliefert und ?berhaupt die Lieferzeiten f?r Equipment stiegen rapide an. Mittlerweile haben wir auf dem Markt ein v?llig anderes Bild: An Nachfrage mangelt es nicht, vielmehr an Ware. Das Lieferantennetzwerk in der Branche ist ziemlich international aufgestellt und so haben sich die Lieferzeiten massiv auf 12 Monate und mehr verl?ngert, inklusive deutlicher Preissteigerungen. Wir m?ssen nun aber nicht nur fr?her und teurer einkaufen, sondern ? bevor die Lager der Hersteller wieder leer sind ? auch gr??ere Mengen selbst bevorraten und damit eben auch finanziell viel st?rker ins Risiko gehen.

Damit hat sich ein ganzes Gesch?ftsmodell gewandelt: war bislang einer unserer Schwerpunkte der Verkauf von hochwertigen, individuell konfigurierten Booten, mussten wir sie 2021 in g?ngigen Konfigurationen vorbestellen, also vom ?Custom Made? zum Boot ?von der Stange? wechseln. Wie das bei den Kundinnen und Kunden ankommt ist noch offen. Mir erscheint es aber wichtig, ?berhaupt Boote f?r die kommende Saison liefern zu k?nnen - wenn auch nicht immer in genauer Wunschausstattung und Farbe. Wer Spezielles w?nscht, wird k?nftig viel Geduld mitbringen m?ssen.

Anders lief das Gesch?ft mit unseren Kursen: Sie wurden nat?rlich erst mal deutlich weniger nachgefragt. Unter welchen Bedingungen hier ?berhaupt was geht, ist bis heute eine anspruchsvolle Frage, denn neben den diversen offiziellen Auflagen, tickt ja auch unsere Kundschaft in ihren Sicherheitsbed?rfnissen sehr unterschiedlich. Ich setze mich dennoch gerne damit auseinander, weil hier der Ursprung des ganzen Unternehmens liegt: Ich bin Paddler und liebe es, auch andere daf?r zu begeistern. ?ber Fragen zu Material und Equipment war der Weg zum Kanuladen und Handelsgesch?ft nicht mehr weit und ich bin ihn gegangen. Aber der Kern ist das Kursgesch?ft. Deshalb freue ich mich sehr darauf, wenn wir mit unseren Fortgeschrittenen-Gruppen wieder zu anspruchsvolleren Gew?ssern in S?dfrankreich oder rund um Venedig reisen k?nnen ? schon in normalen Zeiten ein riesen Reiseaufwand, der nicht direkt profitabel ist, aber sich in viel Spa? und Kundenbindung auszahlt.  
 

In welche strategische Richtung seid Ihr denn im Ergebnis jetzt unterwegs?

Na ja, wir sind klar auf Wachstumskurs und meine Frau und ich schauen, wie wir das in f?r uns passendem Tempo und Umfang hinbekommen. Da stehen nun auch Fragen nach der Rechtsform im Raum, vielleicht das Einstellen einer Aushilfe im Laden sowie Trainerinnen oder Trainer f?r die Kurse. Da lerne ich jetzt auch langfristiger zu planen und mehr unternehmerisch zu denken.
 

Apropos Lernen: Was sind Deine wichtigsten Learnings aus dieser turbulenten Zeit?

Mir ist nochmal deutlich geworden, wie wichtig es ist, sich auf sich schnell ver?ndernde Rahmenbedingungen einstellen zu k?nnen. Als Kanusportler muss man das k?nnen. Ich plane jetzt zum Beispiel Kurse f?r den Mai und wei? nat?rlich nicht, wie Wetter und Wasserstand dann sein werden. Da hei?t es immer wieder: aus dem Moment heraus entscheiden, justieren und umplanen. Die Menschen, ihre individuelle Situation und vielleicht auch ?ngste im Blick zu haben, geh?rt in den Trainings mit zu unseren wichtigsten Aufgaben. Von der Seite kamen mit Corona nochmal ganz neue Aspekte hinzu und wir haben gelernt, damit umzugehen und die Trainingssituationen entsprechend anzupassen, beispielsweise Abst?nde zu vergr??ern.

Dar?ber hinaus habe ich auch nochmal gemerkt, wie wichtig ein Europa ohne innere Grenzen ist ? nicht nur moralisch, sondern auch gesch?ftlich. Wir haben viele Paddelfreundinnen und -freunde in der Schweiz, die w?hrend des Corona-Lockdowns nicht mehr einfach zu uns kommen konnten. F?r sie musste ich auf einmal Boote selbst ins Nachbarland ausliefern und zuvor verzollen ? das war schon ein aufw?ndiger Prozess, den es innerhalb der EU schon lange nicht mehr gibt.

Dass ich gerade im Einkauf lernen musste bei aller Flexibilit?t viel langfristiger zu planen, hatte ich ja schon gesagt. Aber auch da braucht es eine gute Balance aus Vorausschau und schneller Anpassung an die Situation, denn irgendwann wird das Ding auch wieder kippen und da brauche ich einen guten Instinkt f?r die Situation im Markt. Ich lese, beobachte, spreche viel mit Kolleginnen und Kollegen sowie den Herstellern. Das sch?ne ist ja: Wir sind alle Paddler und unter denen kann man offen reden. Auch das hat diese Zeit nochmal gezeigt.           

Dar?ber hinaus entwickle ich mich zum Unternehmer und lerne, mich abzugrenzen, zu professionalisieren, z.B. einen Stundensatz auf T?tigkeiten zu rechnen, die ich sonst mal eben nebenbei gemacht hab, die mich aber bei genauer Betrachtung viel Zeit ? meine Freizeit ? gekostet haben. Und ich muss im Blick halten, dass der Spa? und das Hobby nicht verloren gehen. Der Plan, mal professioneller Einzelh?ndler zu werden, den hatte ich ja eigentlich nicht. Kanuladen, -schule und mit Paddelfreunden unterwegs zu sein ? beides hat seinen ganz eigenen Reiz, aber es deutlicher zu trennen, wird wichtiger f?r mich. Und nicht alles selbst zu machen, Aufgaben abzugeben, ist ein ganz pers?nliches Lernfeld f?r mich. In meiner Rolle als Unternehmer wird Zeit mehr und mehr zu einer kostbaren Ressource. Einerseits mehr Verantwortung tragen und andererseits abgeben ? das ist gar nicht so einfach. Aber darin liegt ja auch die Spannung, die Unternehmertum ausmacht.  
 

Lieber Michael, vielen Dank f?r diese spannenden Einblicke und viel Erfolg auf dem weiteren Weg. Ahoi!

Wir begleiten Sie gerne auf Ihrem Weg. Rufen Sie uns an!

Kathrin Gro?heim Digitalisierung & Innovation / Referentin

06196 495-2813
Kathrin Gro?heim

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