Mittelhessen ist l?ndlich gepr?gt, h?gelig und sch?n anzuschauen ? selbst bei Regen an einem nebligen Donnerstagmorgen. Ich fahre zu einem der gr??eren Arbeitgeber dieser Region und nehme an einer ungew?hnlichen "Ma?nahme" teil. Oder haben Sie schon einmal etwas von einem Lehrerbetriebspraktikum geh?rt?

Die "Unternehmenswelt" kennenlernen

Wir haben im Laufe unseres Projektes "Azubimarketing f?r kleine und kleinste Unternehmen" gelernt, wie wichtig die Phase der Berufsorientierung f?r Sch?ler ist. Wir haben weiter erkannt, dass neben den Eltern in dieser Phase die Lehrer eine bedeutungsvolle Rolle einnehmen. Hier wird es allerdings schwierig. Denn nur wenige Lehrer haben die Praxiserfahrung und k?nnen in puncto Ausbildung und Unternehmenswelt aus dem N?hk?stchen plaudern. An dieser Tatsache ?ndert die Theo-Koch-Schule Gr?nberg etwas, indem Lehrer ein eint?giges Praktikum in einem regional ans?ssigen Betrieb absolvieren. Grund genug, vor Ort dabei zu sein und den Lehrern ?ber die Schulter zu schauen.

Vor Ort unterwegs

Sechs Arbeitgeber aus dem Gie?ener Umland ?ffnen am p?dagogischen Tag der Theo-Koch-Schule ihre Pforten f?r rund 20 Lehrer. Neben der Licher Brauerei ist das die Bender GmbH & Co. KG, die Weiss Umwelttechnik GmbH, das Polizeipr?sidium Mittelhessen, die FFT Produktionssysteme GmbH & Co. KG sowie die Roemheld GmbH. Vier der Lehrer begleite ich nach Lich. Die Licher Privatbrauerei l?sst uns um kurz vor acht Uhr morgens herein. Bevor es allerdings losgeht und die kleine Gruppe vier Ausbildungsberufe kennenlernt, erhalten alle Beteiligten eine Arbeitssicherheitseinweisung. 

Nachdem wir mit Arbeitsjacke und Sicherheitsschuhen ausstaffiert wurden, beginnt der Hauptteil dieses Lehrerpraktikums: Azubis f?hren die Gruppe herum und zeigen, was ihren jeweiligen Ausbildungsberuf ausmacht und welche T?tigkeiten er umfasst. Unser erster "Azubif?hrer" ist im zweiten Lehrjahr und berichtet uns, wie sein Alltag aussieht. Hat die Gruppe anfangs noch Hemmungen, wird der Auszubildende bald mit Fragen best?rmt ? die Lehrergruppe m?chte es genau wissen. Und den Licher-Azubi freut es offenkundig, auf die meisten Fragen die passenden Antworten parat zu haben.

Durch unz?hlige Hallen, R?ume, an gro?en und kleinen Maschinen, Rohrsystemen und Laufb?ndern vorbei f?hrt uns der 18-j?hrige, bis wir irgendwann das Gef?hl haben, man habe sich hoffnungslos verlaufen. Kein Wunder. Nicht nur er gibt uns zu verstehen, dass es schon ein halbes Jahr mindestens dauere, bis man sich hier auf dem Gel?nde der Licher Privatbrauerei zurechtfinde. Das sagen unisono alle, denen wir diese Frage stellen.

Des Pudels Kern

Die F?hrungen ?ber das Betriebsgel?nde wechseln sich ab mit Gespr?chen im sogenannten Gr?nderzimmer ? einem gro?en Raum mit holzget?felten W?nden und einer sehr angenehmen Atmosph?re. Um ehrlich zu sein, es tut ganz gut, zwischendurch auch mal sitzen zu k?nnen. So lernen wir Schritt f?r Schritt etwas ?ber den praktischen Teil der Ausbildung zum Brauer und M?lzer, zum Maschinen-/Anlagenf?hrer, zum Elektroniker f?r Betriebstechnik und zum Industriekaufmann. Jede einzelne Azubi macht auf mich einen reifen, abgekl?rten Eindruck ? und zeigt gro?en Spa? und Engagement. Generell schien das Arbeitsklima bei dem Unternehmen mit dem emblematischen Eisvogel dergestalt zu sein, dass sich alle Mitarbeitenden wohlf?hlen ? f?r Auszubildende sicherlich ein gro?es Plus bei der Wahl der Ausbildungsst?tte.

Ich muss gestehen, dass die F?lle an Eindr?cken durch acht Stunden Herumlaufen, Zuh?ren, Fragenstellen und Anschauen immens ist und mich letzten Endes etwas ?berfordert hat. Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, da kann man nichts mehr Neues aufnehmen. Aber das ist Teil meines positiven Fazits dieses Tages. Und es kommt anscheinend ebenfalls bei den Lehrern so an.

Ich unterhalte mich in der Mittagspause mit den vier Lehrern und h?re nur Gutes. Nur w?ren die Lehrer selbst sicherlich gerne etwas aktiver. So allerdings ist die einzige T?tigkeit, die die Lehrer aus?ben d?rfen, eine Aufgabe, die ihnen die Elektroniker mit zwei zu montierenden Schaltern gestellt haben.

Das best?tigt auch meine Meinung. Gesehen und geh?rt haben wir sehr viel. Aber die eine oder andere Aufgabe h?tte den Effekt gehabt, die Vorstellungen aller Beteiligten auch auf der praktischen Ebene zu erg?nzen. Und alles lie?e sich ebenfalls noch plastischer an die Sch?ler weitervermitteln.

Ein pers?nliches Fazit

In den Lehrpl?nen ist die Berufsorientierung zwar verankert, aber h?ufig ist besonderes Engagement seitens der Lehrer oder der Schule n?tig, um den Jugendlichen bei der Berufswahl oder auch bei der Suche und Vorbereitung auf einen Praktikumsplatz zur Seite zu stehen. Nun ist es so, dass die universit?re Ausbildung den Lehrern vertraut ist, Gymnasiasten mithin leichter und unkomplizierter beraten werden k?nnen, wenn sie es denn zulassen. Das wiederum sind die Sch?ler, die am wenigsten Beratung und Orientierung ben?tigen und auch vermehrt von den Eltern unterst?tzt und beraten werden. Zur dualen Ausbildung hingegen k?nnen wenige Lehrer und dann auch selten praktisch fundiert Rede und Antwort stehen ? auch hier, wenn sie dazu ?berhaupt befragt werden. Ist es da verwunderlich, dass immer mehr Jugendliche heutzutage studieren wollen? Dieses Ungleichgewicht ist nat?rlich nicht der einzige Grund, aber es ist einer unter mehreren Gr?nden f?r die Problematik der dualen Ausbildung.

Der Weg, den die Theo-Koch-Schule einschl?gt, ?ndert etwas an dieser Situation. Es ist ein Beispiel, das verdeutlicht, was es bringen kann, wenn Schule und Unternehmen eng miteinander kooperieren und zusammenarbeiten. Die dadurch entstehenden Kontakte machen es k?nftig einfacher, Praktikumspl?tze zu finden oder zu vergeben, oder auch dem einen oder anderen Sch?ler konkretere Tipps zu geben, welche M?glichkeiten er noch hat ? und was diese M?glichkeiten in der Praxis bedeuten. Die Lehrer jedenfalls, die ich begleitet habe, sind nach diesem Tag sicherlich glaubhafte ?Botschafter? ihrer eigenen Erfahrungen und k?nnen alleine von diesem einen Tag ausgiebig berichten. Das hilft ihren Sch?lern, aber auch dem Image des besuchten Unternehmens. Daher: Ein solches Lehrerpraktikum sollte es regelm??ig und f?r alle Lehrer verpflichtend geben ? die Sch?ler werden es ihnen einst noch danken.

Ich erw?hnte es schon: Notwendig daf?r ist eine funktionierende Schulkooperation und engagierte Lehrk?rper, die sich der Bedeutung von Berufsorientierung f?r die Zukunft ihrer Sch?ler bewusst sind und sich die Zeit daf?r nehmen ? teilweise auch zus?tzlich zu ihrem Alltag. Das ist nicht selbstverst?ndlich. Aber umso wichtiger ist es wiederum f?r Unternehmen, mit Schulen in Kontakt zu treten, die solchen Ideen wie einem Lehrerpraktikum offen gegen?berstehen. Die Licher-Brauerei, bei der wir zu Gast waren, wei? um diese Bedeutung. Daher fahre ich immer wieder gerne nach Mittelhessen und besuche das Unternehmen, das Azubimarketing ernst nimmt. Auch an einem nebligen Donnerstagmorgen.