2. Schritt: Das Bestehende aufnehmen und w?rdigen

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein geteiltes und deutliches Bild des bestehenden Gesch?fts sehr viel ver?ndern kann. Dazu geh?ren beispielsweise die Thematisierung von eingespielten Kommunikationsroutinen, die der aktuellen Situation unangemessen sind (zum Beispiel ?Weil du, muss ich??), Aufarbeitungen gestriger ?Fehler?, aber auch geteilte Vorstellungen einer bestimmten Zukunft. Wichtig: Die Bestandsaufnahme findet immer auf der Ebene des Gesch?ftsfelds statt und wird sp?ter gegebenenfalls f?r weitere Gesch?ftsfelder wiederholt. Zum Kernbestand dieses Schrittes geh?rt erstens ein Gesamtbild des Gesch?ftes (Gesch?ftsmodell-Cockpit), zweitens die Betrachtung des Kundennutzens und drittens der Blick auf die korrespondierenden internen Prozesse.

Gesch?ftsmodell-Cockpit (Beispiel)

H?ufig bietet es sich an, zu Beginn des Prozesses ein geteiltes Bild vom heutigen Gesch?ft und der grundlegenden Marktsituation des Gesch?ftsfelds zu entwickeln. Die Diskussionen ?ber Details sind fruchtbar und fallen erfahrungsgem?? leicht. Unser Vorgehen folgt daher einem einfachen Ablauf:

  • Wir halten zun?chst grundst?ndige Informationen ?ber den Kundenkreis, das zu l?sende Kundenproblem (inkl. der Preis-Qualit?ts-Sensibilit?t des Kunden und Substitutionsgefahren), die Marktsituation (insbesondere Ums?tze, Marktpotenzial und Marktanteil) und die Wettbewerbssituation (insbesondere Zahl der Konkurrenten, eigene Positionierung) formlos auf einem Flipchart fest.
  • Davon ausgehend nutzen wir ein leeres Gesch?ftsmodellcockpit und konkretisieren die einzelnen Felder ausgehend vom Kunden ?ber die Kan?le, die Leistung und die Prozesse bis hin zum Erl?smodell gemeinsam. Folgende (allgemein gehaltene) Leitfragen k?nnen das Ausf?llen erleichtern, falls notwendig.
  • Wir beenden die Ausarbeitung, wenn sich alle Teilnehmer darin wiederfinden und sich eine S?ttigung einstellt.
  • Mehr als einmal haben wir erlebt, dass ein solch komprimiertes Bild des Gesch?ftsmodells sichtbar macht, wovor man vorher noch die Augen verschlie?en konnte. Darum haben wir es uns zu Eigen gemacht, f?r die Interpretation des Bildes ausreichend Zeit einzuplanen. Wem diese Interpretation schwerf?llt, der kann versuchen, eine ?berschrift oder ein Bild zu finden oder mit Analogien arbeiten.

Kaufentscheidende Faktoren und Kundennutzenportfolio (Beispiel)

Zur Ermittlung der Faktoren, die den (potenziellen) Kunden zur Kaufentscheidung motivieren, sind verschiedene Varianten denkbar. Vielfach halten wir uns in diesem Schritt an die Ermittlung der kaufentscheidenden Faktoren nach dem Vorbild Roman St?gers. Dieses Tool ist eing?ngig und gleichzeitig in der Lage, Dinge sichtbar zu machen, die vorher unsichtbar waren. Ziel des Ganzen ist die Thematisierung einer ausgesprochen wichtigen Fragestellung: Welches sind die Vorteile der Leistung aus Sicht des Kunden? Letztlich h?ngt von der Attraktivit?t der Leistung der Fortbestand des Unternehmens ab. Dieser Schritt ist au?erdem Voraussetzung f?r eine Untersuchung, welche internen Prozesse und Kompetenzen den beschriebenen Kundennutzen erm?glichen und bietet h?ufig bereits einen direkt nutzbaren Mehrwert f?r die Unternehmenskommunikation. Der Ablauf:

  • Wir beginnen mit der Frage ?Warum kauft der Kunde ein Produkt wie Ihres??. Das ist etwas vollkommen anderes als ?Warum kauft der Kunde Ihr Produkt??, denn sie richtet den Fokus darauf, dass ein Abnehmer der Leistung immer auch die Leistungen der Konkurrenz im Blick hat. Alle Antworten, auf die sich der gesamte Kreis einigen kann, werden auf jeweils einer Karte festgehalten. Wir achten darauf, dass die notierten Aspekte m?glichst pr?zise beschrieben und untereinander m?glichst gut abgegrenzt sind. Wir begrenzen die Sammlung auf zw?lf Faktoren, um eine gewisse Handhabbarkeit zu gew?hrleisten und sicherzustellen, dass sich der Teilnehmerkreis nicht in Details verliert. Der Preis ist dabei explizit ausgeklammert und wird, wenn ?berhaupt nur erg?nzend aufgenommen.
  • Im Anschluss werden alle Aspekte gewichtet, d.h. mit Punkten versehen, so dass sie in der Summe 100 ergeben: Welche Aspekte sind dem Kunden besonders wichtig, welche weniger? Dies hat eine sp?rbar bereinigende Form und l?dt dazu ein, unterschiedliche Standpunkte auszutauschen. Mitunter entsteht dabei der Eindruck, dass ein systematisches Befassen mit diesen Aspekten Neuland f?r den F?hrungskreis ist. Tut sich der Teilnehmerkreis damit schwer, hat sich als Zwischenschritt die Sortierung nach Priorit?t (Rangfolge) als hilfreich erwiesen, um sich der Prozentvergabe anzun?hern. Sollte der Preis mit aufgenommen worden sein, wird er dabei nicht einbezogen!
  • Schlie?lich bitten wir die Teilnehmer darum, die eigene Wettbewerbsposition pro kaufentscheidenden Faktor einzusch?tzen ? in einer einfachen F?nferskala: ausgepr?gter Wettbewerbsvorteil; einfacher Wettbewerbsvorteil; neutral bzw. weder-noch; einfacher Wettbewerbsnachteil; ausgepr?gter Wettbewerbsnachteil.
  • Mitunter hat es sich als sinnvoll erwiesen, explizit f?r dieses Tool Mitarbeiter mit Kundenkontakt einzubeziehen. Ebenso empfehlen wir, dieser Eigenwahrnehmung im Nachgang eine Fremdwahrnehmung durch repr?sentative Kunden entgegenzustellen.

In einem weiteren Schritt ?bertragen wir die Darstellung in ein Portfolio, das der relativen Bewertung im Wettbewerbsvergleich die Gewichtung aus Kundensicht gegen?berstellt. Wie aus der folgenden Abbildung hervorgeht, entstehen dadurch vier Quadranten mit unterschiedlichen Bedeutungen:

  • a) Hoher Kundennutzen und hohe Bewertung im Wettbewerbsvergleich: Im oberen rechten Viertel sind echte St?rken der betrachteten Leistung im Sinne von Alleinstellungsmerkmalen zu finden. Hier gilt stets: Leistungsvorteile ausbauen oder mindestens halten.
  • b) Hoher Kundennutzen und niedrige Bewertung im Wettbewerbsvergleich: Im unteren rechten Viertel finden sich echte Schw?chen der betrachteten Leistung. Hier hat der Wettbewerb die Nase vorn und wir regen an, sich mit dem Ausbau dieser Aspekte ernsthaft zu besch?ftigen.
  • c) Niedriger Kundennutzen und hohe Bewertung im Wettbewerbsvergleich: Das obere linke Viertel enth?lt Faktoren, die dem Kunden nicht wichtig sind. Falls sie nicht auf andere Faktoren mit h?herem Nutzen einzahlen, stellen sie h?ufig Kostenpotenziale dar.
  • d) Niedriger Kundennutzen und niedrige Bewertung im Wettbewerbsvergleich: Unten links finden sich schlie?lich vergleichsweise unerhebliche Aspekte. Meist lohnt sich die Besch?ftigung mit ihnen nicht.

Entscheidend ist allerdings, das so entstehende Bild nicht als gesetzt zu betrachten, sondern als Diskussionsgrundlage. Ein wirklicher Mehrwert und ein aussagekr?ftiges Bild entstehen erst dann, wenn zun?chst das Gesamtergebnis in einer Diskussion auf Plausibilit?t ?berpr?ft, korrigiert und daraufhin im Hinblick auf strategische Herausforderungen interpretiert wird.

Kernkompetenz-Analyse und Prozessanalyse (Beispiele)

Nach der Bestandsaufnahme hinsichtlich Gesch?ftsmodell und Kundennutzen wenden wir uns meist den internen Prozessen zu. Die Idee dahinter ist, dass die Weiterentwicklung des Gesch?ftsmodells nur auf einem Bein steht, geht man ausschlie?lich von der Marktseite aus. Mitunter sind Weiterentwicklungen eher intern getrieben. Insbesondere bei erheblichen Anpassungen des Gesch?ftsmodells ist diese Betrachtung meist aufschlussreich. Zum einen l?sst sich herausarbeiten, auf welchen St?rken man aufbauen kann, um Neuland zu betreten. Zum anderen sensibilisiert die Betrachtung auch daf?r, was es zu sch?tzen gilt, wenn neue Wege eingeschlagen werden. Wir schlagen an dieser Stelle eine Weichenstellung vor: Entscheidet sich der F?hrungskreis f?r eine Weiterentwicklung des Gesch?ftsmodells anhand der bestehenden Alleinstellungsmerkmale und damit eher inkrementell, nutzen wir eine Kernkompetenzanalyse. Dort, wo das bestehende Gesch?ft erheblich weiter gedacht werden soll (oder Alleinstellungsmerkmale fehlen), nutzt die Kernkompetenzanalyse mitunter wenig ? schlie?lich stehen letztere immer in einem engen Zusammenhang zur marktseitigen Alleinstellung (Wir betrachten eine Kernkompetenz immer als B?ndel von F?higkeiten, das Quelle eines Wettbewerbsvorteils ist und einen signifikanten Beitrag zum Kundennutzen leistet. Es ist von Wettbewerbern nicht leicht durch Nachahmung zu erwerben und eignet sich f?r unterschiedliche Anwendungen (vgl. Hamel/Prahalad, Kotler/Bliemel).). In diesem Fall entscheiden wir uns f?r eine St?rken-Schw?chen-Betrachtung entlang des Kernprozesses, doch zun?chst zur Kernkompetenzanalyse und ihrem Ablauf:

  • Wir erstellen eine einfache Matrix, auf deren Vertikalen die wichtigsten kaufentscheidenden Faktoren (St?rken und Schw?chen aus dem vorhergehenden Tool) ?bertragen werden. Auf der Horizontalen tragen wir wahlweise entweder die bestehenden Funktionsbereiche und Schl?sselpositionen oder (gerade bei kleineren Unternehmen ohne ausgepr?gte Abteilungsstruktur) den Auftragsabwicklungsprozess ab.
  • Im Folgenden fragen wir f?r jede Zeile, welche Kompetenzen in den jeweiligen Bereichen oder Prozessen die Leistungserstellung erm?glichen. Ergebnis ist eine ?bersicht an (relevanten) Basiskompetenzen des Unternehmens.
  • Falls bislang nicht geschehen, verorten wir bestehende Schl?sselpositionen, Positionen also mit erheblicher wettbewerbsrelevanter Bedeutung.
  • Der letzte Schritt ist sowohl der anspruchsvollste, als auch der kreativste: Welche Basiskompetenzen geh?ren zusammen und stellen in ihrer Gesamtheit einen schwer imitierbaren Wettbewerbsfaktor dar, der aus Kundensicht eine Alleinstellung erm?glicht? Prominentes Beispiel ist etwa die Plattformtechnologie bestimmter Automobilhersteller, mitunter finden sich hier aber auch eher unscheinbar anmutende Aspekte, wie das reibungsarme, schnittstellen?bergreifende Arbeiten von Vertrieb, Produktion und Arbeitsvorbereitung.

Der Ablauf der Prozessanalyse ist ?hnlich:

  • Wiederum werden die Funktionen bzw. Funktionsbereiche auf der Horizontalen abgetragen, nun kommt in die Vertikale allerdings verbindlich der Auftragsabwicklungsprozess.
  • Im Folgenden ermitteln wir in jedem entstehenden Feld die St?rken und Schw?chen. Dieses Vorgehen ist deutlich unfokussierter, erm?glicht allerdings das Denken ?out of the box? und ist Leitschnur f?r die Bearbeitung von defizit?r organisierten Prozessen.