Schlussfolgerungen und Ausblick

Schlussfolgerungen und Ausblick

Die Gr?ndungsbeteiligung von Menschen ab der zweiten Lebensh?lfte ist heute kein Nischenthema mehr. Angesichts der gro?en wirtschaftspolitischen Relevanz der Gr?nder 45+ gehen sowohl die Forschung zum Thema als auch die F?rderung ihrer Gr?ndungsbeteiligung inzwischen weit ?ber eine blo?e Reaktion auf den demografischen Wandel hinaus. Menschen ab 45 Jahren machen heute die Mehrheit der Bev?lkerung aus und ihre gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Bedeutung nimmt unaufh?rlich zu. Die Absicht, ?lteren Menschen eine gr??ere Teilhabe am Wirtschafts- und Gemeinschaftsleben zu erm?glichen, spiegelt sich in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion um theoretische Ans?tze wie "aktives Altern" und "produktives Altern" wider. Die Entdeckung der "Best Agers" als wichtige Altersgruppe vor allem f?r den Arbeitsmarkt birgt neue Chancen f?r die einheimische Volkswirtschaft, da sie den prognostizierten zuk?nftigen Mangel an Arbeitskr?ften mildern kann.

Der Blick in die j?ngste Vergangenheit: die Entwicklung der letzten Jahre

Auch vor dem Hintergrund der r?ckl?ufigen Gesamtentwicklung der Gr?ndungszahlen in Deutschland und in Europa gewinnen die mittleren und ?lteren Gruppen der Alterspyramide verst?rkt an Bedeutung f?r die Gr?ndungsdynamik. Umso erfreulicher ist der positive Trend der letzten Jahre hin zu mehr Gr?ndungen im Alter.

Aus den aktuellen Gr?ndungszahlen l?sst sich bereits ableiten, dass in unmittelbarer Zukunft die Gr?nder ab dem mittleren Alter den Wirtschaftsstandort Deutschland noch st?rker pr?gen werden als bisher. Diese Entwicklung ist auch in anderen europ?ischen Staaten sp?rbar (zum Beispiel Spanien, Finnland und Gro?britannien), w?hrend sie in anderen L?ndern (darunter die Schweiz und das "Gr?nderland schlechthin" ? die USA) bereits abgeschlossen ist, denn die Gr?nder ab dem mittleren Alter stellen dort bereits die Mehrheit der Gr?nder. Einen Sonderfall bildet demgegen?ber ?sterreich, das zurzeit eine "Verj?ngung" der Gr?nderzahlen erlebt.

Der Blick in die Zukunft: Die n?chsten Jahre sind entscheidend

F?r den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es wichtig, dieser Entwicklung weiter den Weg zu ebnen und auf die Bed?rfnisse und Anforderungen dieser Zielgruppe fr?hzeitig zu reagieren. Denn wenn sich die aktuellen Prognosen best?tigen, werden Menschen ab dem mittleren Alter in den n?chsten Jahren die jungen Erwachsenen als gr?ndungsst?rkste Altersgruppe abl?sen.

Zur St?rkung des Unternehmertums hierzulande, sollte das Potenzial ?lterer Menschen verst?rkt mobilisiert werden. Wenn dies nicht rechtzeitig geschieht, drohen negative Konsequenzen f?r den Gr?ndungsstandort Deutschland, sowohl quantitativ (weiteres Sinken der Gr?ndungszahlen) als auch qualitativ (weniger erfolgsversprechende Gr?ndungsvorhaben). Denn aus einer h?heren Gr?ndungsbeteiligung von Menschen ab dem mittleren Alter ist angesichts ihres hohen Human- und Sozialkapitals und ihrer Eigenschaften keine verminderte Wertigkeit, sondern eher eine qualitative Aufwertung des Gr?ndungsstandorts Deutschland zu erwarten.

Die europ?ische Perspektive

Die St?rkung der Gr?ndungsbeteiligung von Menschen in der zweiten Lebensh?lfte ? insbesondere der ?lteren Gruppen ab 55 Jahren ? ist auch ein wichtiges Anliegen der Europ?ischen Union. W?hrend in Deutschland Fachkr?ftesicherung und Gr?ndung zwei wirtschaftspolitisch erstrebenswerte Ziele sind, setzt sich in Europa die Europ?ische Union f?r Gr?ndung als Wachstumsstrategie ein, die gleichzeitig ein heute in einigen Teilen kriselndes und tief gespaltenes Europa zusammenbringen soll. Mit diesen beiden Zielen und zur Erh?hung der Wettbewerbsf?higkeit in der EU-27 sollen neue Zielgruppen f?r eine Unternehmensgr?ndung gewonnen werden, was es wiederum notwendig macht, das Potenzial von Menschen mittleren Alters oder ?lterer Menschen zu aktivieren, wie im "Aktionsplan Unternehmertum 2020" der EU-Kommission formuliert. Daf?r werden einige Ans?tze, wie beispielsweise das "aktive Altern", in die politischen Forderungen integriert, wie vom Rat der Europ?ischen Union bereits 2010 gefordert.

Ein genauer Fahrplan f?r die n?chsten Jahre ? mit konkreten Ma?nahmen zur Erh?hung der Gr?ndungsquote von ?lteren Menschen ? wurde 2013 im "Policy Brief for Senior Entrepreneurship" der Europ?ischen Union (gemeinsam mit der Organisation f?r wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) vorgestellt.

Gr?nder 45+: Wer sind sie? Welche Eigenschaften haben sie?

Die Gruppe der Gr?nder 45+ zeichnet sich durch eine gro?e Heterogenit?t aus, die auf sehr unterschiedliche Lebens- und Berufsverl?ufe zur?ckzuf?hren ist. Im Fokus der meisten Studien steht der Typus des Notgr?nders, der oft aus der Arbeitslosigkeit heraus gr?ndet. In den aktuellen Umbruchszeiten ver?ndert sich allerdings das Bild des typischen "Gr?nders 45+" und es entsteht zunehmend ein neues Bild von Entrepreneuren in der zweiten Lebensh?lfte: Frauen erweisen sich zunehmend als wachstumsstarke Gruppe und der Anteil der Chancengr?nder nimmt gegen?ber den Notgr?ndern zu.

In der Regel sind mehrere Motive f?r eine Gr?ndung entscheidend. Diese Pluralit?t an Ursachen und Beweggr?nden k?nnen wiederum die Bewertung der Gr?ndungsprojekte von Menschen ab 45 Jahren beeinflussen. Demnach kann sich eine Notgr?ndung hinterher auch als Chancengr?ndung entpuppen, wenn die drohende Arbeitslosigkeit zum Beispiel als Chance zur Aufstiegsorientierung wahrgenommen wird.

An dieser Stelle will die vorliegende Studie auch ein Pl?doyer f?r die Aufwertung einer starken Altersgruppe sein, das dazu beitr?gt, Klischees zum ?lterwerden und zur (geringen) Altersproduktivit?t abzubauen. Anders als gedacht, sind viele Gr?nder 45+ hochqualifiziert und hochmotiviert, Professionalit?t und Effizienz zeichnen ihre Arbeit aus.

Jedoch m?ssen Gr?ndungswillige in der zweiten Lebensh?lfte einige altersspezifische Barrieren ?berwinden, die ihnen den Weg in die Selbstst?ndigkeit erschweren k?nnen. Dazu geh?ren die hohen Opportunit?tskosten im Alter, aber auch die gro?en Unsicherheiten, die sich aus dem Wechsel des Sozialstatus ergeben und damit verbundene negative Anreize der sozialen Sicherungssysteme. Ferner k?nnen auch Schwierigkeiten bei der Kreditbeschaffung aufgrund der kurzen R?ckzahlungszeiten den Start des Gr?ndungsvorhabens verz?gern beziehungsweise in Gefahr bringen.

Auch "mentale" Hemmnisse behindern den Erfolg von Selbstst?ndigen und Startups von Menschen ab einem gewissen Alter. Zu diesen geh?ren weit verbreitete Vorurteile zur Leistungsf?higkeit ?lterer Menschen, die unzureichende gesellschaftliche Anerkennung, in einigen F?llen auch eine latente Altersdiskriminierung und fehlende Vorbilder. Gerade f?r die ?ltesten Gr?nder ist die Unterst?tzung durch das Umfeld ein entscheidender Faktor.

Dabei bringen ?ltere auch viele Eigenschaften mit, die sich positiv auf eine Gr?ndung auswirken k?nnen, wie zum Beispiel die Lebens- aber auch die Berufs- und Branchenerfahrung, die gute Vernetzung und der Besitz von Eigenkapital. Weitere positive Eigenschaften ?lterer Menschen sind zudem das hohe Engagement, Durchhalteverm?gen sowie Kundenorientierung. Alle diese Eigenschaften k?nnen als Erfolgsfaktoren f?r eine Gr?ndung angesehen werden, womit sich eine Kausalit?t bei Sp?tgr?ndungen und Alter feststellen l?sst. F?r einige Personen ist sogar die Phase des hohen Alters f?r eine Gr?ndung pr?destiniert. Denn die Gr?ndungsvorhaben von Menschen in der zweiten Lebensh?lfte entwickeln sich oft aus den Erfahrungen, sowie Kenntnissen und F?higkeiten, Kontakten und Kapital, die in der beruflichen Laufbahn gesammelt werden konnten.

Erfolg und Bestandsfestigkeit von Sp?tgr?ndungen

Die Altersgruppe der Menschen ab 45 Jahren verst?rkt f?r eine selbstst?ndige T?tigkeit zu motivieren, erscheint aus weiteren Gr?nden sinnvoll: Zum einen w?chst ihre volkswirtschaftliche Bedeutung, die sich aus der steigenden Lebenserwartung und der Erh?hung des Renteneintrittsalters ergibt; zum anderen geh?ren die Gr?nder ab dem mittleren Alters eher dem Typ "Opportunity"-Gr?nder an, was ihnen gute Aussichten bei der Gr?ndung verspricht.

Aus einer rein wirtschaftlichen Betrachtung heraus, sind Startups von Personen ab dem mittleren Alter, vor allem im Hightech-Bereich, aus mehreren Gr?nden w?nschenswert. Denn sie f?hren Projekte mit h?herem Finanz- und Investitionsbedarf durch als j?ngere Gr?nder, haben bessere Erfolgschancen (h?here Verweildauer am Markt bei einer geringeren Pleite- und Insolvenzquote) und sie neigen dazu, im Team und im Vollerwerb zu gr?nden und sind daher eher in gr??eren Gr?ndungsprojekten involviert.

Auch f?r die Menschen 45+ selbst sind solche Gr?ndungsvorhaben erstrebenswert. Gr?nder mittleren oder fortgeschrittenen Alters zeigen eine hohe Zufriedenheit mit der eigenen Gr?ndung, sind dadurch hoch erwerbsmotiviert und wollen lange erwerbst?tig bleiben, die meisten davon weit ?ber das gesetzliche Rentenalter hinaus.

Gr?ndungen 45+ als wertvoller gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Beitrag

Mindestens ebenso wichtig wie die hohe wirtschaftspolitische und sozio?konomische Relevanz des Themas ist der Perspektivwechsel, der in der j?ngeren Forschung zu beobachten ist. Anstatt Menschen jenseits der 45 den Weg in die Selbstst?ndigkeit lediglich als ultimative Alternative zum ?bergang in die Arbeitslosigkeit zu erleichtern, wird deren Gr?nderaktivit?t als sinnvoller gesellschaftlicher Beitrag verstanden. Gr?nder in der zweiten Lebensh?lfte oder Sp?tgr?ndungen werden immer mehr als Quelle f?r Wirtschaftswachstum und Besch?ftigung angesehen.

Eine wachsende Gr?ndungsbeteiligung der Altersgruppe 45+ bietet einerseits die Chance, die Auswirkungen des demografischen Wandels (etwa bei den steigenden Sozial- und Gesundheitsausgaben) abzumildern. Andererseits ist durch die Weitergabe des Human- und Sozialkapitals von ?lteren Menschen in Form von neuen innovativen Unternehmensgr?ndungen eine Steigerung der Wettbewerbsf?higkeit der deutschen Wirtschaft zu erwarten.

Weitere positive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft ergeben sich im Bereich Unternehmensnachfolge. Denn ?ltere Gr?nder bauen die Unternehmensnachfolge oft bereits in das eigene Gr?ndungsprojekt ein und vermeiden so die Risiken einer ungekl?rten Nachfolge. Menschen ab dem mittleren Alter sollten in Zukunft noch intensiver als bis dato in die ?bergabeprozesse von bestehenden Unternehmen, zum Beispiel als Mentoren, einbezogen werden. Ferner engagieren sich Gr?nder ab dem mittleren Alter h?ufig als "social entrepreneurs", was der Gesellschaft zugute kommt. Nicht zuletzt bietet die Selbstst?ndigkeit von ?lteren Menschen Vorteile f?r die Gr?nder selbst: Sie bleiben l?nger aktiv und bleiben leistungsstark und motiviert.

Ganz offensichtlich ist allerdings ein weiteres gesellschaftliches Umdenken n?tig. Gr?nderaktivit?ten von Personen in der zweiten Lebensh?lfte sollten besser gew?rdigt und gesch?tzt werden. Denn erfahrene Menschen sind aufgrund ihres ?ber Jahre kumulierten Human-, Sozial- und Finanzkapitals prinzipiell in der Lage, nachhaltige Gr?ndungsprojekte zu starten und erfolgreich durchzuf?hren.