Theoretischer Rahmen

Theoretischer Rahmen

Einordnung in die wissenschaftliche Diskussion

Der Trend zum Gr?nden in der zweiten Lebensh?lfte wird heute in Deutschland im Kontext der Diskussion zur Lebenslaufpolitik (ein Teil der Besch?ftigungs- und Wirtschaftspolitik) als Instrument zur Flexibilisierung von Arbeits- und Lebensverh?ltnissen behandelt (Naegele, 2010). In diesem Zusammenhang werden Begriffe wie "Gr?ndungen in Lebenslauf-Perspektive" (Franke, 2010 und 2012) oder "Gr?ndungen in Lebenszyklus-Perspektive" (Kohn und Spengler, 2008) verwendet, deren Ziel die Unterst?tzung von Gr?ndungswilligen in allen Lebensphasen ist.

Weiterhin ist das Ph?nomen "sp?te Selbstst?ndigkeit oder Gr?ndung" Teil der Debatte zur Alters- produktivit?t, in die Ans?tze wie "active ageing" (aktives Altern) oder "productive ageing" (produktives Altern) Eingang finden, die f?r eine h?here sozio?konomische Teilhabe ?lterer Menschen unter anderem durch deren Integration in den Arbeitsmarkt pl?dieren. "Aktives Altern verbindet idealerweise wirtschafts- und sozialpolitische Ziele mit gesch?ftlichen Interessen.(?) Wenn wir die Gesundheits- kosten in Grenzen halten und das wirtschaftliche Potenzial aller alternden Menschen f?rdern m?chten, liegt die L?sung im aktiven Altern" (Walker, 2007, S. 113 und 110). Beim "productive ageing" "steht im Zentrum der nutzen- und sinnstiftende Beitrag ?lterer Menschen beispielsweise in Form einer verl?ngerten Erwerbst?tigkeit oder subjektbezogenen informellen Aktivit?t" (Franke, 2012, S. 95), worin sich ein Bild ?lterer als ressourcenreiche und produktive Menschen widerspiegelt.

Obgleich sich aus der Anwendung dieser zwei Ans?tze (aktives Altern und produktives Altern) zweifelsohne positive Aspekte f?r die F?rderung von potenziellen Gr?ndern im fortgeschrittenem Alter (nahe Rentenalter und ?ber dieses hinaus) ergeben k?nnen, sind sie f?r die mittleren Alterssegmente der in dieser Studie untersuchten Gruppe nur eingeschr?nkt anwendbar.

Begriffskl?rung: Wer sind die Gr?nder ab dem mittleren Alter?

Bevor wir die hier angesprochene Zielgruppe analysieren, bedarf es ihrer eindeutigen Eingrenzung. Dies ist ?u?erst schwierig, da in der kurzen Historie dieses Feldes innerhalb der wiederum sehr jungen Gr?ndungs- und Entrepreneurshipforschung keine eindeutige Begrifflichkeit herauskristallisiert hat. Die bestehende gro?e Begriffsvielfalt (Gr?nder 45+, 50+, ?ltere Gr?nder, Gr?nder in der zweiten Lebensh?lfte, Gr?nder ab dem mittleren Alter, Senior Unternehmen oder Senior Entrepreneure u.a.) ist Ausdruck der Heterogenit?t der hier untersuchten Zielgruppe.

Am st?rksten verbreitet hat sich im Sprachgebrauch der eher negativ besetzte Begriff "?ltere Gr?nder". Denn ?ltere Menschen werden in der Regel mit negativen Charakteristika assoziiert, darunter ein schlechter Gesundheitszustand, eine verminderte Leistungsf?higkeit, eine eingeschr?nkte Flexibilit?t usw., die sich in der sehr aktuellen Diskussion zur Produktivit?t ?lterer niederschlagen. Im Gegensatz dazu wurde in der vorliegenden Studie ganz bewusst die Bezeichnung "Gr?nder ab dem mittleren Alter" gew?hlt, die auch als Synonym f?r "Gr?nder in der zweiten Lebensh?lfte" verwendet werden kann, wie diese Gruppen in anderen Quellen bezeichnet werden. Zeitpunkt der Altersbestimmung ist das 46. Lebensjahr, denn f?r viele Gr?nder ab 45 Jahren stellt die Gr?ndung tats?chlich einen Neuanfang in der zweiten Lebensh?lfte dar.

Definition:

"Gr?nder ab dem mittleren Alter", auch "Gr?nder in der zweiten Lebensh?lfte" genannt, sind Menschen die tats?chlich ab dem 46. Lebensjahr die notwendigen Schritte zur Gr?ndung eines Unternehmens oder zum Eintritt in die berufliche Selbstst?ndigkeit in die Wege leiten ? das hei?t sie befinden sich n?mlich ab diesem Alter in der Gr?ndungs- oder Umsetzungphase. Die unternehmerische Entscheidung, die in der Ideenfindungs- und Vorgr?ndungsphase f?llt, kann vor oder nach diesem Alter liegen. Entscheidend f?r diesen Begriff ist der Zeitpunkt f?r den Beginn der Selbstst?ndigkeit und den Markteintritt, der nicht die 45 Jahre unterliegen darf.

Gr?nder ab dem mittleren Alter k?nnen wiederum in zwei Gruppen unterteilt werden: die ?lteren Erwachsenen (zwischen 45 und 55 Jahren) und die jungen Alten (zwischen 55 und 65 Jahren und ?ber das Rentenalter hinaus).

Altersverschiebung in den Gr?nderzahlen

Die f?r diese Studie gew?hlte Begrifflichkeit ? Gr?nder ab dem mittleren Alter ? entspricht einer Verschiebung in der Alterszusammensetzung der Gr?nderzahlen, die sich aktuell vollzieht und in einigen Jahren abgeschlossen sein wird: der Trend zu mehr Gr?ndungen in den mittleren Jahren und im Alter. Nach der Mehrzahl der Prognosen aus der Gr?nder- und Entrepreneurshipforschung werden die Menschen zwischen 45 und 55 Jahren demn?chst die zurzeit noch gr?nderaktivste Gruppe im Alter von 35 bis 45 Jahren ersetzen. Dar?ber hinaus steigt die Anzahl der Menschen, die im Rentenalter (in der Regel ab 65 Jahren) gr?nden.

Arbeitsmarktrelevante Faktoren

Nicht zuletzt spielen auch arbeitsmarktrelevante Faktoren eine Rolle. Das 46. Lebensjahr gilt als ?bergangslinie in der beruflichen Laufbahn eines Menschen, nach welcher sich meistens die beruflichen Perspektiven eines Menschen am Arbeitsmarkt verschlechtern. In dieser Hinsicht gibt beispielsweise Fl?ter-Hoffmann an, dass in einigen Unternehmen keine Weiterentwicklung f?r diese Altersgruppen mehr vorgesehen ist (2012, S. 7). Insbesondere der Wiedereinstieg in ein abh?ngiges Besch?ftigungs- verh?ltnis wird nach einer Unterbrechungszeit in der Berufsbiografie ab diesem Alter deutlich schwieriger (vgl. Brussig, 2010, in Franke, 2012, s. 46).

Altersgrenze

Bei der Altersbestimmung findet sich auch in der einschl?gigen Literatur keine ?bereinstimmung. W?hrend einige Quellen die Grenze ab 45 Jahren ziehen, entscheiden sich andere f?r einen sp?teren Zeitpunkt, ab 50 oder sogar 55 Jahren. Kautonen (2008) unterscheidet zwischen "prime age entrepreneurs" (20 bis 49 Jahre) und "third age entrepreneurs" (Gr?nder 50+). Nach Kohn und Spengler (2008) gilt die Einteilung in drei Altersgruppen ? 18 bis 29 Jahre (junge Gr?nder), 30 bis 49 Jahre (Gr?nder mittleren Alters) und 50 bis 67 Jahre ("?ltere" Gr?nder) ? , die sich an den ?blichen Abgrenzungen der Bev?lkerungsstatistik orientieren (2008, S. 4). Die EU und die OECD verwenden in der Regel den Begriff "senior" Entrepreneurs, mit dem die Altersklasse ab 55 Jahren gemeint ist (2013).

Neues Verst?ndnis vom Alter

Unsere Abgrenzung (45+) setzt an einem neuen Verst?ndnis von Alter an: Was fr?her "?ltere" Menschen waren, sind heute Menschen im mittleren Alter. Auch Ergebnisse aus der Alters- und gerontologische Forschung (darunter zu den neuen Altersbildern, der Belastbarkeit im Alter usw.) lassen erkennen, dass Menschen zwischen 45 und 65 Jahren nicht mehr der Gruppe der ?lteren, sondern heute eher dem mittleren Bev?lkerungssegment angeh?ren und eine neue demografische Klassifizierung f?llig sei. Denn diese Personen sehen nicht nur um viele Jahre j?nger aus als ihre Altersgenossen noch vor wenigen Dekaden, sie sind auch um ein Vielfaches ges?nder und leistungsf?higer.