Die zeitliche Entwicklung der TEA-Quote in Deutschland 2001-2019

Wie in anderen L?ndern ebenfalls schwanken die Gr?ndungsquoten ?ber die Zeit auch in Deutschland. Die TEA-Quote war zuletzt zwischen 2010 und 2011 statistisch signifikant angestiegen (von 4,2 % auf 5,6 %). Seitdem sank sie leicht und schwankte zuletzt um den Wert 5 %. Der Wert von 7,6 % f?r 2019 dagegen ist nicht nur statistisch signifikant h?her als der Vorjahreswert, sondern ist der h?chste, der seit Beginn der GEM-Datenreihe vor 20 Jahren ermittelt wurde (vgl. Abbildung 2). Selbst unter Ber?cksichtigung des ?blichen Signifikanzniveaus von 5 % hat es bislang in Deutschland keine h?here TEA-Quote gegeben.

Ein derart starker Anstieg kommt sehr ?berraschend. Die ?konomischen Rahmenbedingungen, die ?blicherweise Einfluss auf die Gr?ndungsquote nehmen, haben sich in Deutschland zuletzt bis zum Erhebungszeitpunkt (Fr?hsommer 2019) nicht grundlegend ver?ndert. Beispielweise ist die Situation auf dem nationalen Arbeitsmarkt seit einigen Jahren relativ stabil: Die Arbeitslosenquote ist vergleichsweise niedrig, der Fachkr?ftemangel hoch und die Opportunit?tskosten f?r gut verdienende und hoch qualifizierte Besch?ftigte beim ?bergang in die unternehmerische Selbstst?ndigkeit sind nicht sp?rbar gesunken. Eine Begr?ndung f?r einen Anstieg der Gr?ndungsquote l?sst sich aus einer Ver?nderung der nationalen gr?ndungsbezogenen Rahmenbedingungen seit dem letzten Jahr also nicht ableiten. Allerdings ist das Thema Gr?ndungen in den Medien pr?senter und positiver konnotiert als vor 20 Jahren. Hier lohnt sich ein Blick auf drei GEM-Variablen, die Aussagen zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Gr?ndungen in Deutschland erlauben. Tats?chlich sind f?r jede der drei folgenden Variablen die Werte der zustimmenden Antworten zwischen 2018 und 2019 um etwa f?nf Prozentpunkte gestiegen: 53,6 % der Befragten meinen 2019, dass die Gr?ndung eines eigenen Unternehmens eine gute Karriereoption sei. F?r 80,7 % der Befragten genie?en erfolgreich Gr?ndende ein hohes Ansehen in der Gesellschaft und nach Ansicht von 55,3 % der Befragten berichten die Medien hierzulande h?ufig ?ber Gr?ndungen. Sind dies bereits Indizien f?r einen beginnenden Kulturwandel in Deutschland zugunsten unternehmerischer Selbstst?ndigkeit als Form der Erwerbst?tigkeit?

Weitere in Deutschland seit einigen Jahren existierende Datenquellen, basierend auf anderen Definitionen als im GEM ?blich, dokumentieren dagegen tendenziell sinkende oder bestenfalls stagnierende Gr?ndungsquoten in der j?ngsten Vergangenheit (vgl. zum Beispiel Bersch 2019 mit Daten des IAB/ ZEW-Gr?ndungspanels f?r junge Unternehmen).

Zwei partiell komplement?re Schlussfolgerungen sind aus Sicht des Autorenteams des L?nderberichts und zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses plausibel.

Erstens ist die TEA-Quote und insbesondere einer ihrer beiden Bestandteile, die Quote der werdenden Gr?ndenden (?Nascent Entrepreneurs?, 5,3 % im Jahre 2019), potenziell ein guter Fr?hindikator f?r Gr?ndungsaktivit?ten in der nahen Zukunft. Solche Nascent Entrepreneurs k?nnen in den au?erhalb des GEM verf?gbaren Datenquellen und Definitionen gar nicht abgedeckt werden, da diese erst bei tats?chlichen Gr?ndungen beginnen.

Zwar werden nat?rlich nicht aus allen Nascents auch tats?chliche Gr?ndende. Wie hoch deren Anteil im Endeffekt ist, l?sst sich mit den Standard-GEM-Daten aber (wie auch mit den anderen in Deutschland bekannten Datenquellen) nicht berechnen, da es dazu eines echten Panels bed?rfte. Der bislang einzige Versuch mittels GEM-Daten und f?r Deutschland ?ber mehrere Kohorten und Wellen ein Gr?ndungspanel aufzubauen, l?sst grob erwarten, dass hierzulande und damals (die Anteile m?ssen nicht  konstant bleiben) ein Jahr nach der Identifikation als Nascent gut ein Viertel tats?chlich gegr?ndet hatte (vgl. Brixy & Sternberg 2011).

Ein Blick auf die beiden Komponenten der TEA-Quoten zeigt f?r Deutschland, dass die Quote der Nascents (2019: 5,3 %; 2018: 2,7 %; 2017: 3,4 %) in den vergangenen drei Jahren stets ?ber der Quote der jungen Gr?ndungen (2019: 2,6 %; 2018: 2,4 %; 2017: 2,00 %) lag, aber nie so deutlich wie 2019. Die Nascent-Quote war 2019 doppelt so hoch wie der Vorjahreswert. Nat?rlich kann es sich auch hier um einen Ausrei?er handeln. Tats?chlich ist der starke Anstieg der TEA-Quote gegen?ber allen Vorjahren im Wesentlichen auf einen Anstieg der Nascent-Quote zur?ckzuf?hren, die Quote der jungen Gr?ndungen wuchs dagegen nur geringf?gig.

Neben dieser inhaltlichen Erkl?rung f?r den ungew?hnlich hohen TEA-Wert ist zweitens, und ggf. komplement?r, eine eher formal-technische Interpretation denkbar. Es k?nnte sich beim hohen TEA-Wert um einen statistischen Ausrei?er in einem Jahr handeln, der inhaltlich nicht ?berbewertet werden sollte. Es ist zu beachten, dass die Haushaltsstichprobe in Deutschland im Jahre 2019 zwar ? wie stets hierzulande ? weit gr??er war als der f?r alle GEM-L?nder g?ltige Mindestwert von 2.000 F?llen, das Sample mit 3.002 F?llen aber kleiner war als in allen fr?heren GEM-Jahren in Deutschland.

Bei optimistischer Deutung des empirischen Befundes lie?e sich argumentieren, dass der Anstieg der Nascent-Quote in den n?chsten Jahren auch zu einem Anstieg der TEA-Quote f?hren wird. Der Anstieg der Nascent-Quote k?nnte ? bleiben wir bei einer optimistischen Deutung ? das Ergebnis einer langsamen, aber kontinuierlichen Verbesserung des Gr?ndungsklimas in Deutschland sein, was zu einem positiven Image von Gr?ndung und unternehmerischer Selbstst?ndigkeit als Form der Erwerbst?tigkeit insbesondere J?ngerer gef?hrt haben k?nnte. Auch die seit 20 Jahren stets ausgebaute und im Rahmen der GEM-Expertenbefragung meist positiv bewertete Gr?ndungsf?rderung in Deutschland k?nnte dazu beigetragen haben, dass sich langsam ein Wandel nicht nur des Images, sondern auch der realen Gr?ndungsquoten einstellt. M?glicherweise erntet die Gr?ndungs- und Wirtschaftspolitik jetzt das, was sie vor und seit Jahren ges?t hat.

Ein weiterer Aspekt darf nicht ?bersehen werden, wenn die GEM-Gr?ndungsquoten mit anderen in Deutschland verwendeten Messkonzepten verglichen werden, etwa mit denen des Instituts f?r Mittelstandsforschung in Bonn (IfM Bonn) oder des ZEW/IAB: Die GEM-Daten sind zum Publikationszeitpunkt stets aktueller als nicht aus dem GEM stammende Gr?ndungsquoten, deren Datenerhebungen zum Zeitpunkt der Ver?ffentlichung meist schon zwei Jahre zur?ckliegen. Beim GEM ist dies nur ein Jahr. Die GEM-Daten (f?r den vorliegenden Bericht Mitte 2019 erhoben) sind also prinzipiell am ehesten in der Lage, einen m?glichen bundesweiten Gr?ndungsboom fr?h zu erkennen, denn als Fr?hindikator eignet sich die Nascent-Quote und daher partiell auch die TEA-Quote eher als die Daten der anderen erw?hnten Quellen.

Momentan, d. h. zum Redaktionsschluss des vorliegenden Berichts im Fr?hjahr 2020, ist es aber ein Gebot wissenschaftlicher Seriosit?t und Vorsicht, auf das kommende Jahr zu verweisen und dann mittels der GEM-Daten des Jahres 2020 zu pr?fen, ob die hohe TEA-Quote 2019 ein statistischer Ausrei?er war oder ein fr?hes Indiz f?r einen nachhaltigen Anstieg der Gr?ndungsquote in Deutschland.

Schlie?lich sei noch ein Blick auf andere GEM-L?nder und deren Gr?ndungsquoten 2018 und 2019 erlaubt. Es gibt zwar einige L?nder wie Israel, die Schweiz, Schweden, die USA oder S?dkorea, deren TEA-Quote 2019 ebenfalls ?ber jener des Vorjahres lag. Allerdings ist der Anstieg in keinem dieser L?nder so stark ausgefallen wie in Deutschland.