Handlungsempfehlungen

Basierend auf den Ergebnissen der Experten- und Bev?lkerungsbefragung sowie der im Rahmen dieses Berichts dargestellten Studien werden abschlie?end Handlungsempfehlungen abgeleitet. Diese Handlungsempfehlungen richten sich insbesondere an die Politik sowie weitere Stakeholder und Multiplikatoren mit dem Ziel, Gr?ndungen und junge Unternehmen zu f?rdern. Die Ergebnisse aus der Expertenbefragung flie?en in die Formulierung dieser Empfehlungen mit ein. Hierbei geht es u. a. um konkrete Aussagen der befragten Experten, wie man das Gr?ndungsgeschehen in Deutschland st?rken k?nnte. Zudem k?nnen konkrete Vorschl?ge zur Unterst?tzung von Gr?ndungsaktivit?ten in Deutschland ebenso auf das Interesse anderer L?nder, vor allem einkommensstarker L?nder, sto?en. Obwohl es insgesamt schwierig ist, praktikable L?sungen aus einem Land auf das andere zu ?bertragen, erlaubt das GEM-Netzwerk dennoch einen internationalen Austausch und kann somit Lerneffekte zwischen den beteiligten L?ndern anregen.

Dem Fachkr?ftemangel entgegenwirken und um Nachwuchstalente k?mpfen

Die gute Konjunktur in Deutschland steigert den Personalbedarf in den Unternehmen und tr?gt dazu bei, dass das Angebot an Fachkr?ften relativ sinkt. Dar?ber hinaus verst?rkt die zunehmende Digitalisierung die Konkurrenz um Fachkr?fte in vielen Branchen. Hierbei handelt es sich um eine qualitative Ver?nderung des Arbeitskr?ftebedarfes und weniger um einen starken R?ckgang von verf?gbaren Arbeitskr?ften (vgl. Fuchs, Kubis & Schneider 2019). Vor allen Dingen der Bedarf an hochqualifizierten IT-Experten wird im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung weiter zunehmen. Nicht zuletzt macht sich auch die demografische Entwicklung in den Betrieben bemerkbar. Die befragten GEM-Experten sehen in der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt eine der gr??ten Herausforderungen f?r Gr?nder und junge Unternehmen.

Nach Sch?tzungen der Bundesagentur f?r Arbeit braucht Deutschland jedes Jahr 300.000 qualifizierte Fachkr?fte aus dem Ausland (vgl. S?ddeutsche Zeitung 2019). Das im Dezember 2018 beschlossene Zuwanderungsgesetz k?nnte einen Beitrag dazu leisten, gezielt Fachkr?fte anzuwerben. Die Migranten sind aber nicht nur als ?abh?ngige Besch?ftigte?, sondern auch als Gr?nder neuer Unternehmen f?r die deutsche Volkswirtschaft von Relevanz (mehr dazu im Kapitel 3.2). Daher ist in diesem Zusammenhang eine effektive Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt ?ber die Selbstst?ndigkeit sehr wichtig. Passgenaue Informationen und Beratungen k?nnen speziell diese Zielgruppe ermutigen, zu gr?nden oder ein bestehendes Unternehmen zu ?bernehmen. Hier hat das BMWi in seiner ?Gr?ndungsoffensive? beschlossen, sich bei Bund und L?ndern daf?r einzusetzen, das Angebot an Sprachkursen auch f?r Selbstst?ndige zu verbessern.

Von Bedeutung sind hier auch h?here Investitionen im Bereich der Bildung zum Thema Digitalisierung und die entsprechende Anpassung der Lehrpl?ne, um so dem Fachkr?ftemangel aktiv entgegenzuwirken. Laut einer DIHK-Umfrage benennen die Betriebe die St?rkung der beruflichen Bildung, vor allem im MINT-Bereich (58 %), und eine bessere Qualifizierung der Schulabg?nger (55 %) als gew?nschte Ma?nahmen gegen den Fachkr?ftemangel (vgl. DIHK 2018a). Das deutsche Bildungssystem m?sste st?rker sozial Benachteiligte f?rdern. Dar?ber hinaus k?nnten Ma?nahmen wie beispielsweise ganzt?tige Kinderbetreuungen oder Teilzeitmodelle die R?ckkehr von Frauen nach der Elternzeit in den Beruf erleichtern.

Finanzierungsm?glichkeiten speziell in der Wachstumsphase weiter ausbauen

Bez?glich der Bereitstellung und des Zuganges zu Finanzierungsangeboten kann Deutschland in den letzten Jahren eine positive Entwicklung aufweisen. ?berwiegend ?ffentliche Angebote in der Fr?hphasenfinanzierung von Start-ups konnten weiter ausgebaut und professionalisiert werden.

Die befragten Experten weisen aber, ?hnlich wie im GEM-L?nderbericht Deutschland 2017/2018, darauf hin, dass der deutsche Wagniskapitalmarkt nach wie vor zu klein ist. Hier gilt es, die allgemeinen Rahmenbedingungen zur Beteiligungsfinanzierung, im Besonderen in den Bereichen Private Equity, Venture Capital und Business Angels, weiter zu verbessern.

Die Bundesregierung hat ihr Engagement in diesem Bereich in den letzten Jahren deutlich verst?rkt. Viele Aktivit?ten sind in der neuen Gr?ndungsoffensive des BMWi geb?ndelt. Durch eine Reihe von ?ffentlichen Ma?nahmen sollen die Bedingungen am Beteiligungskapitalmarkt kontinuierlich verbessert werden. Beispielsweise wurde das INVEST-Programm zur Finanzierung innovativer Gr?ndungen nochmals ausgebaut. Mit INVEST erhalten private Investoren 20 % ihrer Investitionssumme steuerfrei erstattet (Erwerbszuschuss). Wichtige Impulse f?r den VC-Markt werden auch von der seit Oktober 2018 operativ t?tigen KfW Capital erwartet (www.kfw-capital. de). Als hundertprozentige Tochter der KfW Bankengruppe investiert sie in deutsche und europ?ische Venture-Capital- und Venture-Debt-Fonds. Zur Zielgruppe geh?ren in erster Linie technologieorientierte Wachstumsunternehmen.

Andere wichtige Initiativen zur St?rkung der Wachstumsfinanzierung sind die sogenannten Venture-Debt-Finanzierungen. Diese Finanzierungsform setzt sich aus mehreren Modulen zusammen, die vornehmlich in Zusammenarbeit mit der KfW, der Europ?ischen Investitionsbank (EIB) und dem Europ?ischen Investitionsfonds (EIF) realisiert werden. Das neueste Modul, das seit Ende 2018 operativ umgesetzt wird, ist das KfW-Programm ?Venture Tech Growth Financing?. Dieses Programm bietet innovativen Wachstumsunternehmen der Technologiebranche Wagniskapitaldarlehen an.

Einige Erleichterungen wurden auch im Bereich des Crowdfunding beschlossen. Hier k?nnen Start-ups seit Juli 2018 ihre Aktien leichter auf CrowdfundingPlattformen anbieten: Bis zu einem j?hrlichen Angebotsvolumen von 8 Millionen Euro muss kein umfangreicher Wertpapierprospekt, sondern lediglich eine dreiseitige Wertpapierinformation erstellt werden.

Im Hinblick auf die Bereitstellung von Fremdkapital sind Mikrokredite positiv zu erw?hnen, die in Form eines Darlehens erfolgen. Diese Art der Finanzierung ist besonders f?r kleine und junge Unternehmen, Gr?ndende sowie Personen mit Migrationshintergrund oder kreative Selbstst?ndige gut geeignet. Die Mikrofinanzinstitute sind mittlerweile in allen Bundesl?ndern vorhanden. Eine wichtige unterst?tzende Ma?nahme war der Start der zentralen Gr?nderplattform, die durch das BMWi und die KfW 2018 ins Leben gerufen wurde. Das Ziel dieser Plattform ist es, die potenziellen Gr?nder auf ihr Vorhaben vorzubereiten bzw. einen leichteren Zugang zu Finanzierungen zu erm?glichen.

Regionale Gr?ndungsinitiativen st?rken

Da Gr?ndungsaktivit?ten gr??tenteils von Merkmalen des unmittelbaren Lebensumfeldes abh?ngig sind, m?ssen Initiativen zur St?rkung des Unternehmertums prim?r auf der regionalen Ebene ansetzen. Hierzu geh?ren beispielsweise Bildungsprogramme f?r potenzielle Gr?nder, der regelm??ige Austausch mit erfolgreichen Gr?ndern oder die Unterst?tzung technologieorientierter Gr?ndungsnetzwerke.

Laut Experten besteht auch ein Bedarf an einer st?rkeren Kooperation und Vernetzung der regionalen Stakeholder untereinander. Insbesondere Kooperationen etablierter Unternehmen mit Start-ups k?nnen die Gr?ndungsaktivit?ten in einer Region st?rken. Die systematische Zusammenf?hrung von Start-ups mit mittelst?ndischen Unternehmen bietet hier noch ungenutzte Potenziale. Eine weitere von den Experten genannte Ma?nahme zur Vernetzung zwischen Start-ups, Unternehmen, Investoren und Wissenschaft ist die Digital-Hub-Initiative. Diese unterst?tzt regionale Technologienetzwerke, z. B. in den Bereichen FinTech oder K?nstliche Intelligenz.

Obwohl die befragten Experten das Angebot an ?ffentlichen F?rderprogrammen als sehr gut bewerten, fordern sie dennoch, diese effektiver und transparenter zu gestalten. Hier w?re ? wie schon wiederholt erw?hnt ? eine engere Koordination aus einer Hand in Form von One-Stop-Shops gew?nscht. Diese One-Stop-Shops m?ssen von sehr kompetenten, in der lokalen Gr?nderszene bestens vernetzten Personen gef?hrt werden, die bei allen wichtigen Akteuren in der Region bekannt sind und von diesen auch gesch?tzt und geh?rt werden (Kooperation statt Konkurrenz). Diese One-Stop-Shops vermitteln ratsuchende Gr?nder an Beratungsexperten, die das erforderliche spezielle Know-how besitzen. Die Regionalpolitik sollte, so die Experten, den Fokus st?rker auf Gr?ndungen und junge Unternehmen legen. Vor allem in l?ndlich gepr?gten Gebieten k?nnen leistungsf?hige Internetverbindungen und passende R?umlichkeiten einen wichtigen Attraktionsfaktor darstellen. Co-WorkingSpaces auf dem Land gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung.

Gr?ndungsrelevantes Wissen an Schulen und Hochschulen vermitteln

Gesellschaftliche Werte und Normen gelten in Deutschland als wenig gr?ndungsfreundlich. In diesem Zusammenhang werden h?ufig die ?Angst vor dem Scheitern? und eine ?mangelnde Risikobereitschaft? als Hemmfaktoren f?r Gr?ndungen genannt. Die Angst vor einer Gr?ndung resultiert vorwiegend aus den Konsequenzen eines m?glichen Scheiterns. Hierzu geh?ren u. a. hohe finanzielle Belastungen, die auch das Privatverm?gen betreffen, die pers?nliche Entt?uschung sowie m?gliche Rechtsfolgen und Gerichtsverfahren aufgrund von Klagen Dritter (vgl. Metzger 2019) Ein weiterer Aspekt, der die Unsicherheit verst?rkt, ist der wahrgenommene Mangel an Gr?ndungskompetenzen in Teilen der deutschen Bev?lkerung. Das passende Know-how und die richtige Selbsteinsch?tzung k?nnen die erfolgreiche Umsetzung von Unternehmensgr?ndungen beg?nstigen und diese (etwas) kalkulierbarer machen (vgl. auch Kapitel 4.3/4.4).

Vor diesem Hintergrund scheint die Vermittlung von unternehmerischem Wissen, Denken und Handeln an Schulen, Hochschulen sowie in der Berufsausbildung ein logischer Schritt, um die Gr?ndungskultur in Deutschland langfristig zu verbessern. Eine zunehmende Etablierung des Schulfaches Wirtschaft w?re in diesem Zusammenhang ein wichtiger Meilenstein. Die verbindliche Integration eines wirtschaftsorientierten Unterrichts schreitet in unterschiedlichem Tempo voran. Beispielsweise hat das Land Nordrhein-Westfalen beschlossen, vom Schuljahr 2020/2021 an das Fach ?Wirtschaft? an allen weiterf?hrenden allgemeinbildenden Schulen als Pflichtfach einzuf?hren (vgl. Ministerium f?r Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2018). Zur St?rkung der Gr?ndungskompetenzen bei jungen Menschen tr?gt ebenfalls das bundesweite Angebot an Wirtschaftsplanspielen und Wirtschaftswettbewerben des Initiativkreises ?Unternehmergeist in die Schulen? bei (vgl. BMWi 2019).

Die Unterst?tzung von kreativem und innovativem Denken im Zuge der Ausbildung stellt aus Sicht der Experten einen weiteren Ansatzpunkt zur St?rkung der Gr?ndungskultur in Deutschland dar. Die voranschreitende Digitalisierung erfordert Kompetenzen, bestehende L?sungen zu hinterfragen und neuartige Werteangebote und Gesch?ftsmodelle zu entwickeln. Hierbei sind ?Freir?ume? hilfreich, die u. a. M?glichkeiten f?r Experimente und das schnelle sowie iterative Ausbessern von Fehlern bieten. Ein interessanter Ansatz zur F?rderung der Experimentierkultur sind sogenannte ?Reallabore?. Reallabore als Testr?ume f?r Innovation und Regulierung haben zum Ziel, unter echten Praxisbedingungen Erfahrungen mit digitalen Innovationen zu sammeln. In diesen zeitlich und r?umlich begrenzten Experimentierr?umen sollen neue Technologien und Gesch?ftsmodelle entwickelt und getestet werden, die mit dem bestehenden Rechtsund Regulierungsrahmen nur bedingt vereinbar sind (vgl. BMWi 2018).

Digitale Kompetenzen im Zuge der Ausbildung fr?hzeitig f?rdern

Die Zielgruppe ?zuk?nftige Gr?nder? muss imstande sein, digitale Medien selbst zu bewerten und verantwortungsvoll zu nutzen, um gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Daher spielt der DigitalPakt Schule, der die ersten Mittel noch im Jahr 2019 den Bundesl?ndern zur Verf?gung stellen soll, eine wichtige Rolle. Hierbei handelt es sich nicht nur um Investitionen in digitale Bildungsinfrastrukturen, sondern auch um die gezielte Qualifizierung von Lehrkr?ften (vgl. BMBF 2019). Die digitalen Medien und Lerninfrastrukturen sollen insbesondere neue Lernformen erm?glichen. So k?nnen sich beispielsweise Sch?ler ?ber Online-Plattformen auch von zu Hause aus sehr gut ?ber schulische Fragen und Probleme austauschen bzw. die Lehrer mittels digitaler Medien den Unterricht in vielen F?chern anschaulicher, praxisorientierter und aktivierender gestalten.

Zudem sind die digitalen Medien in der Aus- und Weiterbildung sowie in der beruflichen Facharbeit sehr entscheidend. Hier sind neue Formen der Kommunikation, Kooperation und Vernetzung ebenso m?glich wie neue, effektive Wege der Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten. Andere Initiativen, IT- und Medienkompetenzen in der allgemein- und berufsbildenden Schule zu vermitteln, sind ebenfalls von Bedeutung.

Unternehmensnachfolge auch in den Familienunternehmen als Gr?ndungsoption st?rken

Von den Gr?ndungsexperten wird als Ma?nahme zur Unterst?tzung von Gr?ndungsaktivit?ten in der vorliegenden GEM-Befragung das Thema ?Unternehmensnachfolge? h?ufig genannt. Vonseiten der Politik steht das Thema bereits seit vielen Jahren im Fokus. Beispielsweise wird 2019 unter anderem ein bundesweiter Aktionstag ?Unternehmensnachfolge? veranstaltet (vgl. BMWi 2018). Auf regionaler Ebene zeigt sich bei den Industrie- und Handelskammern ein zunehmendes Interesse, sowohl bei den Gr?ndungen im Allgemeinen als auch bei der Unternehmensnachfolge im Speziellen (vgl. DIHK 2018b). Grunds?tzlich bietet sich eine st?rkere Vernetzung von mittelst?ndischen Unternehmen mit der Gr?nderszene an. Hierdurch entstehen pers?nliche Beziehungen und neue Netzwerke ?ber einen l?ngeren Zeitraum. Auf diese k?nnen Unternehmer in einer ?bergabesituation zur?ckgreifen. Denn punktuelle Matching-Events reichen h?ufig nicht aus, um das notwendige Vertrauen zu schaffen.

Bei Familienunternehmen ist derzeit im Rahmen der Unternehmensnachfolge die Digitalisierung ein Kernthema mit gro?em Handlungsbedarf. Viele Unternehmen haben die Chancen der Digitalisierung noch nicht im vollen Umfang ergriffen (vgl. Stiftung Familienunternehmen 2017a). Da die Nachfolgegeneration als ?digitalaffin? eingesch?tzt wird, sind hier in den n?chsten Jahren ebenfalls Entwicklungsprozesse zu erwarten.