Qualitative Interviews

Qualitative Interviews

Bez?glich der hemmenden Faktoren wurden von den Experten sowohl bei den Expertenkreis-Treffen als auch in den Interviews drei wesentliche Faktoren genannt:

  1. Unternehmen fehlt Wissen zum richtigen Vorgehen;
  2. Den Unternehmen brennen andere Themen unter den N?geln;
  3. Das Thema wird immer noch als Tabuthema angesehen.

Zu 1: Das am h?ufigsten genannte Hemmnis ist die ? auch rechtliche ? Unsicherheit.

Dabei fehlt laut Aussage der Experten den Unternehmern und F?hrungskr?ften h?ufig das Wissen, wie sie im Problemfall agieren sollen, aber auch die Kenntnis ?ber pr?ventive Angebote.

Dar?ber hinaus kann die Vielzahl an m?glichen Ansprechpartnern, die ein Unternehmen unterst?tzen k?nnten, verwirrend sein. Hinzu kommt: Eine klare Aufgaben- und Funktionsbeschreibung der Ansprechpartner hinsichtlich ihrer betrieblichen Unterst?tzungsma?nahmen gibt es in der Regel nicht. Selbst die befragten Experten k?nnen das gesamte Angebotsspektrum nicht ?berblicken. Nicht geregelt ist auch die Verbindlichkeit, ob und in welchem Umfang Betriebe diese Angebote in Anspruch nehmen k?nnen und welche Kosten dabei entstehen. Dies alles hindert Unternehmer h?ufig daran, sich schnelle Hilfe zu suchen.

Eine Expertin der Hessischen Landesstelle f?r Suchtfragen sch?tzte ein:

Unternehmen erhalten viele Angebote, es ist aber nicht klar, wer was macht. Die Struktur muss besser sichtbar werden, zu viele Ma?nahmen sind zu hochschwellig und nicht passgenau, kleinschrittige Ma?nahmen sind notwendig.

Ein Experte einer Krankenkasse zu dieser Frage:

Es sollte zentrale Leitstellen (Lotsenstellen) f?r Betriebliche Suchtpr?vention oder aber auch Gesundheitsf?rderung geben, damit die Orientierung leichter f?llt.

Zu 2: Unternehmen mit niedrigen Besch?ftigtenzahlen haben eine geringe Wahrscheinlichkeit, sich mit einem s?chtigen oder gef?hrdeten Mitarbeiter auseinander setzen zu m?ssen.

Das Interesse und die Motivation sich mit betrieblicher Suchtpr?vention zu befassen, ist deshalb begrenzt; Suchtpr?vention wird erst mit dem Auftreten des betrieblichen Problemfalls handlungsrelevant.

Aber auch wenn Suchtpr?vention als wichtiges betriebliches Handlungsfeld anerkannt wird, kommt es nur selten auf einen hohen Priorit?tsrang: andere, tagesaktuelle Probleme verursachen einen h?heren Handlungs- und Entscheidungsdruck.

Eine Expertin aus dem Bildungswerk eines Arbeitgeberverbands brachte es auf folgenden Punkt:

KKU stehen im ?berlebenskampf. Solange die Menschen p?nktlich kommen und arbeiten, ist es f?r die Unternehmen kein Problem. Es muss die Unternehmen etwas kosten, bevor sie reagieren.

Hinzu kommt, dass in kleinen Unternehmen ohne Stabsstellen und eigenst?ndiger Personalleitung, die Unternehmer bzw. Gesch?ftsf?hrer alle wesentlichen Funktionen in einer Person vereinen. Sie haben h?ufig keine Zeit, sich mit diesem Thema zu befassen.

Einige Experten wiesen darauf hin, dass Unternehmer Suchtauff?lligkeiten der Mitarbeiter zum Teil sogar tolerieren. Der Ausfall eines Mitarbeiters ?ber l?ngere Zeit durch Entw?hnungsbehandlung und Therapie wird als ? kurzfristig ? sch?dlicher eingesch?tzt als die suchtbedingten Krankheitsauff?lligkeiten am Arbeitsplatz. Da die Personaldecke in KKU sehr gering ist, will man auf die spezialisierte Arbeitskraft nicht verzichten.

O-Ton eines Experten ?ber Aussagen von Unternehmern:

Wenn der nicht betrunken ist, ist der top.

Da es in den meisten KKU keine organisierte Mitarbeitervertretung (Betriebsrat) gibt, ist dieses wichtige Akteursfeld f?r betriebliche Pr?vention nicht vorhanden. Insbesondere Mitarbeitervertretungen sind zentrale Promotoren f?r betriebliche Suchtpr?vention.

Zu 3: Sucht und Suchterkrankung ist nach Ansicht der Experten immer noch ein gesellschaftliches und betriebliches Tabuthema, ?ber das ?man nicht gerne spricht?.

Insbesondere bei Alkohol- oder Nikotinsucht besteht f?r die Unternehmer und auch die Kollegen die grunds?tzliche Barriere, dass sie ihr eigenes Konsumverhalten reflektieren m?ssen, wenn sie dieses Thema im Betrieb aufgreifen. Auch weil die Grenzen zwischen Genuss und Missbrauch von Alkohol flie?end sind, f?llt es den meisten Menschen (dies gilt auch f?r gr??ere Unternehmen) sehr schwer, auff?llige Mitarbeiter anzusprechen. Es herrscht h?ufig gro?e Unsicherheit, wann man hierzu berechtigt oder verpflichtet ist. Die pers?nliche Barriere ist in KKU besonders hoch, da der Unternehmer solche schwierigen Mitarbeitergespr?che nicht an professionelle betriebliche Akteure delegieren kann, wie z.B. an eine Personalabteilung. Durch seine oft engen fachlichen und pers?nlichen Kontakte mit auff?lligen Mitarbeitern sind zudem Rollenkonflikte vorprogrammiert: Hat das Gespr?ch sanktionierenden, offiziellen Charakter oder ist es eine freundschaftliche Begegnung? Alkoholmissbrauch wird aus Sicht der Experten in der Gesellschaft nach wie vor als eine Erkrankung angesehen, die mit pers?nlicher Schw?che und Labilit?t assoziiert ist und die den Erkrankten stigmatisiert.

Die ?bereinstimmende Meinung der Experten: Eine engere Verzahnung des ?ffentlichen Themenmarketing Suchtpr?vention mit den gesellschaftlich eher anerkannten. "psychischen Erkrankungen" kann die Sucht aus dieser Tabuzone herausbringen. Zudem haben viele Unternehmen derzeit ein hohes Interesse an dem Thema "psychische Erkrankungen und psychische Belastungen in der Arbeitswelt".

Die ambivalente Haltung vieler F?hrungskr?fte zur betrieblichen Suchtpr?vention dr?ckte ein Experte einer Suchtklinik wie folgt aus:

Viele Pr?ventionsma?nahmen dienen als Feigenblatt, da darf mal eine Veranstaltung gemacht werden, aber die darf am besten nichts kosten. Die Gesch?ftsleitung muss dahinter stehen und bereit sein, alle Vorgesetzten zu schulen und immer wieder am Thema bleiben.

Sucht ist ? trotz aller Aufkl?rung ? immer noch ein Tabuthema, auch im privaten Bereich wird das deutlich. Bei den KKU k?nnen Ma?nahmen eher bzw. nur auf der informellen Ebene laufen. Es ist schon schwierig genug, das positiv besetzte Thema Gesundheitsmanagement zu platzieren, wo jedoch ein thematischer Ansatzpunkt w?re.

F?rdernde Faktoren sehen die Experten in folgenden Bereichen:

  • Auf der regulativen Ebene: Dazu z?hlen bspw. gesetzliche Regelungen, wie sie mit dem Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens, der neuen Arbeitsst?ttenverordnung oder den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften schon existieren. Diese Vorschriften ?ben unmittelbaren Druck auf die Unternehmen und F?hrungskr?fte aus, sie mit geeigneten betrieblichen Ma?nahmen umzusetzen. Die Nichteinhaltung kann zu Sanktionen und wirtschaftlichen Nachteilen f?hren.
  • Die explizite Einbettung des Themas "Suchtpr?vention" in die betriebliche Gef?hrdungsbeurteilung, einem Kernelement des betrieblichen Arbeitsschutzes, k?nnte die Chance f?r die Umsetzung pr?ventiver betrieblicher Ma?nahmen verbessern.
  • Auch der deutliche Hinweis auf die F?rsorgepflicht des Arbeitsgebers, der den Besch?ftigten ansprechen muss, wenn er sich oder andere gef?hrdet, kann deren Aufmerksamkeit f?r Suchtpr?vention deutlich erh?hen.
  • Bew?hrt hat sich zudem die Implementierung des Themas Suchtpr?vention in betriebliche und ?berbetriebliche Qualifizierungsangebote, um Fachund F?hrungskr?fte zu sensibilisieren und ?ber ihre Aktionsm?glichkeiten zu informieren.

Der Drogenbeauftragte der Handwerkskammer Rhein-Main schlug vor: Die Jugendarbeitsschutzuntersuchung vor Ausbildungsbeginn sollte generell beim Arbeitsmediziner und nicht beim Hausarzt durchgef?hrt werden, der eine Gef?hrdung eher erkennen kann. In die Ausbildungsmodule der Meisterpr?fung und Ausbildereignungspr?fung sollte Pr?vention und Arbeitssicherheit eingebunden werden.

  • Auf betrieblicher Ebene ist ein f?rderndes Moment zudem die Bew?ltigung eines konkreten Problemfalls: In der Regel besch?ftigen sich laut der Experten die Unternehmer mit der Suchtproblematik erst dann, wenn es einen akuten Fall gibt, der zu St?rungen in Abl?ufen oder mit Kollegen f?hrt und auf den der Arbeitgeber im Rahmen seiner F?rsorgepflicht reagieren muss. Wird f?r diesen Einzelfall eine gute L?sung gefunden, sind die Unternehmer oft dazu bereit, das Thema grunds?tzlich zu bearbeiten.
  • Insgesamt spielt die Unternehmerpers?nlichkeit eine wichtige Rolle, ob und in welcher Weise "Sucht im Betrieb" behandelt wird. Gibt es im Umfeld des Unternehmers eine pers?nliche Betroffenheit ? so die Aussage einiger Experten ? so ist er bzw. sie eher bereit, das Thema auch im Unternehmen zu verankern.