Doping f?r das Handwerk - Wie aus der Projektmappe eines klassischen Malermeisters ein neues Gesch?ftsmodell wurde

Christoph Baum ist Malermeister und Inhaber des Familienbetriebes Malermeister-Baum/ Stilprojekt GmbH, Gesch?ftsf?hrer der Novus Work System GmbH, Handwerkscoach, Experte f?r Digitalisierung und Entwickler des Baustellensystems NOVUS GO.

Kontakt: christoph(at)novus-go.de

Wir sprachen mit Christoph Baum im sonnigen Wernigerode im Harz. Dass wir uns ausgerechnet am 15. August, genau einen Monat vor dem ?Tag des Handwerks? und zugleich Launch seiner Handwerks-App trafen, war Zufall. Dass an diesem Tag seine neue Marke ?NOVUS GO? startete, war keiner. Wie hat er es geschafft, neben einem klassischen Handwerksbetrieb ein v?llig neues Gesch?ft aufzubauen? Worauf kam es an? Eins ist schnell klar: Auf den Zufall hat er sich nicht verlassen.

Ausgangspunkt: eine Krise

Was gleich auff?llt, ist das Tempo. Baum hat eine bewegende Geschichte zu erz?hlen, denn wie so h?ufig ist der Ursprung der Entwicklung eine Krise: gesch?ftlich wie pers?nlich. Und er erz?hlt sie schnell - nachvollziehbar, denn damals war es eben ?f?nf vor zw?lf?. Bevor er die Malerfirma 2012 von seinem Vater ?bernommen hatte, waren sie gemeinsam schon durch gesch?ftliche Krisen gegangen, aber mit der ?bernahme war das etwas anderes. Baum ging es wie vielen Inhabern von Handwerksbetrieben: Obwohl er sehr viel arbeitete, ?Feuer l?schte? und sich im Alltagsgesch?ft aufrieb, blieben die gro?en wirtschaftlichen Erfolge aus. Stress und Unzufriedenheit stiegen ? auch bei Mitarbeitern und Kunden. Hinzu kam leider noch, dass sich die finanziellen Probleme von zwei engen Gesch?ftspartnern deutlich auf den Malerbetrieb niederschlugen. Die Insolvenz stand unmittelbar vor der T?r.

Stufe eins: analysieren, optimieren und ?freischwimmen?

och Baum gab nicht auf, im Gegenteil: Er suchte sich Unterst?tzung bei einem Business-Coach und setzte sich ein hohes Ziel: Sein Unternehmen sollte innerhalb von einem Jahr schuldenfrei sein. Daf?r analysierte er in einem ersten Schritt gemeinsam mit seinem Team alle Prozesse im Unternehmen genau und suchte nach ?Schrauben? f?r mehr Effizienz und daf?r, dass er weniger mit dem operativen Gesch?ft zu tun hat. Denn eins war klar: Um das hinzukriegen, musste er AN und nicht IN seinem Unternehmen arbeiten. In dem Analyse- und Verbesserungsprozess entstanden schlie?lich Check- und Materiallisten, neue Projekt- und Ressourcenpl?ne, Kommunikationsformen und ein unterst?tzendes Daten-Management; im Prinzip eine ?elektronische Projektmappe?, die die notwendigen Prozesse fast komplett abbildete. Sie waren nun so organisiert, dass der Chef eigentlich nur noch zu Beginn des Projekts eingebunden war, selbst die Abnahme lag nun in H?nden der Mitarbeiter.

Die hatten nun viel mehr Verantwortung, Kompetenzen, Entscheidungs- und Handlungsspielr?ume. Nicht alle, aber der Gro?teil des Teams lie? sich auf diese Neuerung ein und lernte sie schnell zu sch?tzen ? vor allem das unmittelbare (?berwiegend positive) Feedback vom Kunden. Au?erdem gestalteten die Mitarbeiter das neue Arbeitssystem ma?geblich mit und konnten damit unmittelbar von den Arbeitserleichterungen profitieren. So entstanden beispielsweise auch die morgendlichen Stand-up-Meetings auf der Baustelle, in denen die Teams gemeinsam die Tagesziele festlegten. ?Damit leisteten die Mitarbeiter einen enormen Beitrag f?r unseren Weg aus der Krise?, betont Baum. Und da liegen Dankbarkeit und Stolz in seinem Ausdruck, wenn er berichtet, dass er sein Team heute auch unmittelbar am Unternehmenserfolg beteiligen kann.

Stufe zwei: auf pers?nliche St?rken besinnen, kooperieren und skalieren

Die nun frei gewordenen R?ume nutzte der Chef und besch?ftigte sich mit Managementkonzepten. Hier fand er auch den Ansto?, sich auf seine Leidenschaften und St?rken im Malerhandwerk zu besinnen: Raumplanungen und -konzepte. Und weil manches sch?n renovierte Zimmer mit ausgekl?geltem Wanddesign mit den vom Kunden ausgew?hlten M?beln eher verlor als gewann, entschloss er sich, ?die M?bel grad mit anzubieten? ? gemeinsam mit M?belproduzenten. So konnte er relativ schnell ganze Raumgestaltungen an Gro?kunden wie Schulen oder Altenpflegeheime verkaufen und das erstaunlich profitabel: ?Das hat mir echt die Augen ge?ffnet. Ich konnte mit etwa 20 Prozent Aufwand fast 80 Prozent des Umsatzes machen?, berichtet Baum heute noch kopfsch?ttelnd.

Skalierung war nun also das Gebot der Stunde: Baum lagen Tapeten schon immer mehr als Putz und so entwarf er gemeinsam mit den Herstellern ein passendes Vertriebsmodell und verkaufte fortan nun auch Tapeten, vornehmlich online ? fast voll automatisiert mit einem entsprechenden Warenwirtschaftssystem. Das ging nat?rlich nicht allein. Passend zu seinen Pl?nen traf er (und hier war vielleicht doch einmal Zufall im Spiel) auf den Marketing-Spezialisten Robert Otte, der ihn beim Aufbau der Gesch?fte gern unterst?tzen und sowieso hier in der Heimat wieder Fu? fassen wollte. Der holte auch noch direkt seinen Studienkollegen Bj?rn Te?mann mit ins Boot, ausgewiesener IT-Experte mit dem Schwerpunkt Webshop-Entwicklung. Das passte? und noch w?hrend des ersten Jahres war das Unternehmen schuldenfrei.

Es dauerte nicht lange, bis auch anderen auffiel, das sich bei Malermeister Baum etwas getan hatte: Kollegen auf den Baustellen sahen die wenigen Leerfahrten, den gut geplanten Materialeinsatz und die zufriedenen Gesichter und fragten nach. Baum zeigte sich auch hier offen und stellte interessierten Handwerksbetrieben verschiedener Gewerke das Arbeitssystem und seine Grundgedanken zum Testen zur Verf?gung. Sp?testens jetzt war die Idee zu Novus Work System geboren: das f?r den eigenen Weg entwickelte Arbeitssystem kann ja auch anderen Handwerksunternehmen nutzen. Und es funktionierte: Bereits ?ber 100 Kunden kauften bisher die elektronische Projektmappe und das dahinter stehende Konzept als Ordnersystem mit dazugeh?rigen Checklisten und Formularen.

Mit ?Novus Go? geht das Team um Baum nun gemeinsam mit Investoren noch einen Schritt weiter: Sie haben all das bisher gewonnene Prozess-Know-how und viele weitere Features (wie Wetterprognosen oder Chatfunktionen) in eine ausgekl?gelte App gegossen, die alle relevanten Informationen und Daten eines Handwerksunternehmens abbilden kann ? und das DGSVO-tauglich. Baum dazu: ?Unsere St?rke ist dabei eben auch, dass wir das Know-how aus dem Malerbetrieb immer direkt f?r die anderen Gesch?ftsfelder nutzen k?nnen ? so haben wir beispielsweise die Oberfl?che der App mit unseren Mitarbeitern entwickelt und bei der Chef-?bersicht war ich gefragt. Deshalb ist das Produkt durch und durch praxiserprobt?. Also von der Praxis f?r die Praxis entwickeln ? damit k?nnen wir im RKW viel anfangen und w?nschen Christoph Baum und seinem Team alles Gute f?r die Zukunft. Wir bleiben dran!