Eine Welt in Falten

Wie aus einer ausgefallenen Designidee ein Gesch?ft wird.

RKW: Liebe Frau Waibel, in dieser Ausgabe dreht sich alles um neue Gesch?ftsideen. Wie ist das bei Ihnen?

Jule Waibel: Der Fokus meines Wirkens ist ehrlich gesagt erst mal gar nicht gesch?ftlich, sondern vor allem kreativ und pers?nlich: F?r mich ist das Erschaffen im Vordergrund. Spannend finde ich dabei vor allem, immer neue Materialien zu falten und zu schauen, was f?r neue Dinge dabei entstehen k?nnen.

Wie kommen Sie dazu, etwas Neues zu erschaffen?

Ausgangspunkt ist eigentlich immer ein neuer Auftrag. Um mich frei auszuprobieren, habe ich tats?chlich kaum noch Zeit. Da sind immer wieder Kunden, die fragen: ?Hey Jule, kannst Du nicht auch dieses oder jenes falten?? Das reizt mich und dann fange ich sofort an zu entwerfen und auszuprobieren. So bin ich zum Beispiel auf Filz als Faltmaterial f?r M?bel gekommen. Im Prinzip ist aber so meine ganze Produktwelt und auch mein Fertigungs-Know-how gewachsen ? und das geht immer so weiter. Meine Vision ist da eher die Vielfalt: ganz gro? gedacht ein Kaufhaus mit allen Produkten, die man sich so vorstellen kann von Teppichen ?ber M?bel bis hin zum ganzen Wohnzimmer, zur Kleidung, ? eine Welt voller Falten ? einfach, um ihr Potenzial zu zeigen.

Warum gerade Falten?

Das Falten fing f?r mich in London im Masterstudium am Royal College of Art an. Als Produktdesignerin war ich auf geometrische Figuren, Texturen und Funktionalit?t geeicht. Laut meinen Tutoren und Kollegen hatte ich dabei aber immer auch ein besonderes H?ndchen f?r ?sthetik und Witz. Das war wie ein ?brain washing? f?r mich: Auf einmal durften die Dinge nicht nur funktional, sondern auch einfach sch?n sein. Und Falten sind f?r mich eine geniale Kombination aus beidem: Sie stehen f?r Bewegung, Schwingung, Mehrdimensionalit?t, die Transformation von gro? zu klein und andersherum, Muster, Wiederholung, Geometrie ... Ich nutzte sie also erst einmal experimentell f?r eine Vase, was erstaunlich gut funktionierte und mich schlie?lich zu einem gefalteten Kleid mit gefalteten Accessoires als Abschlussarbeit f?hrte. Das war wochenlange harte Arbeit mit vielen (auch verworfenen) Skizzen, Modellen und Prototypen in meinem stillen K?mmerlein, aber ich hab mich da irgendwie drin gefunden. Als eigentlich sehr ungeduldiger Mensch beruhigt mich das Falten total. Ich komme in so einen Flow ? wie ein Kind, das selbstvergessen bastelt oder spielt.

Wie ging es nach diesen ersten Falterfahrungen und -produkten weiter?

Ziemlich rasant: Das Kleid kam gut an und wurde auf einschl?gigen Designwebsites gefeatured. So kamen schnell die ersten Auftr?ge und sogar eine Anfrage f?r eine eigene Fashion-Show ? obwohl ich gar keine Modedesignerin bin. Ich w?re sonst bestimmt nicht auf die Idee gekommen, ein komplett zusammenfaltbares Kleid zu erschaffen. Aber ich hab das nach einigem ?berlegen gemacht und bin getragen von der Aufmerksamkeit in die Selbstst?ndigkeit als Designerin gerutscht. Heute bin ich dar?ber sehr gl?cklich, denn kein Tag f?hlt sich f?r mich wie Arbeit an.

Der kreative Prozess ist eben mein pers?nlicher und mir ist es wichtig, dabei in meinem Rhythmus zu arbeiten. Ich hole mir dann eher bei der Umsetzung ein Team aus Profis dazu.

Ist das heute immer noch so, dass Sie eher im stillen K?mmerlein arbeiten?

Ja, schon, nur dass es kein K?mmerlein mehr ist. (lacht) Ich hab hier in Berlin jetzt ein gro?es Studio mit viel Platz f?r meine Stoffe, Entw?rfe, Faltmuster und einen Dampfofen. Aber der kreative Prozess ist eben mein pers?nlicher und mir ist es wichtig, dabei in meinem Rhythmus zu arbeiten. Ich hole mir dann eher bei der Umsetzung ein Team aus Profis dazu, zum Beispiel f?rs N?hen oder Installieren. Im Moment arbeite ich auch noch eher an Einzelst?cken ? und da geht jedes durch meine H?nde. Das habe ich jetzt erst mal so f?r mich entschieden.

Ist weiteres gesch?ftliches Wachstum eine Option f?r Sie?

Ja, schon, da gibt es viele Optionen, ?ber die ich nachdenke. Ich k?nnte mich zum Beispiel hier vergr??ern oder in Asien produzieren (lassen) oder meine Designs an eine Marke verkaufen ... f?r all das gibt es Argumente und auch schon Angebote. Auch mein Bruder schaut hier rein und sagt: ?Von den gefalteten Hockern h?ttest Du jetzt aber auch 100 produzieren und verkaufen k?nnen.? Damit hat er auch recht und das stimmt mich auch nachdenklich, aber die Technik und Produktion sind wirklich kompliziert und aufw?ndig: Daf?r die passenden Partner zu finden, ist nicht so einfach. Au?erdem liegt mir die unmittelbare, kreative Arbeit im Moment so sehr am Herzen, dass ich mich davon nicht entfernen m?chte. Aber all das ist ja gerade erst losgegangen und im Werden ? ich schaue gespannt und offen, was noch passiert und mir an M?glichkeiten begegnet.

Liebe Frau Waibel, vielen Dank f?r das Gespr?ch. Wir w?nschen Ihnen noch viel Erfolg auf Ihrem Weg ? und bleiben dran.