Altersbilder: Auswirkungen auf das Angebots und Konsumverhalten

Christiane Schwager, skdemographic

?ltere Konsumenten haben sich zahlenm??ig und von ihrer Kaufkraft her zur gr??ten Nachfragegruppe entwickelt. Viele Unternehmen haben dies erkannt und damit begonnen, ihre Angebote st?rker auf die Zielgruppen 50plus auszurichten. Doch trotz der Dynamik, die der sogenannte Silver Market mittlerweile entwickelt hat, gehen viele Marketingstrategien an den tats?chlichen Bed?rfnissen und Konsumw?nschen ?lterer vorbei. Schuld daran sind oft stereotype Altersbilder, die der Vielfalt ?lterer Konsumenten nicht gerecht werden. Besonders hemmend wirken sich dabei negative Altersbilder aus, die Kompetenzverluste einseitig betonen. Aber auch ?bertrieben positive Bilder werden von vielen Verbrauchern als diskriminierend empfunden. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des sechsten Altenberichts der Bundesregierung. Die nachfolgenden Ausf?hrungen zeigen, wie Unternehmen die Forschungsergebnisse f?r ihre Marketingstrategie 50plus nutzen k?nnen.

Altersbilder im Marketing

Zwei Drittel der Bev?lkerung sind nach einer Umfrage der Gesellschaft f?r Konsumforschung (GfK) der Meinung, die Wirtschaft k?mmere sich ?nicht ausreichend um Kunden ?ber 50 Jahre? und mehr als 60 Prozent glauben, dass Werbung f?r ?ltere vornehmlich von ?J?ngeren gemacht wird, die keine Ahnung davon haben, worum es reiferen Menschen geht?. Ein Blick auf die Altersstruktur in Marketing- und Werbeagenturen best?tigt diesen Eindruck. Aber weil junge Menschen heute mehrheitlich ein differenziertes und positives Altersbild haben, ist das niedrige Durchschnittsalter in Agenturen nur noch selten der Grund f?r die Entstehung defizitorientierter Werbema?nahmen.

Info  

Altersbilder spiegeln die Vorstellungen ?ber das Alter und den Prozess des ?lterwerdens in einer Gesellschaft. Sie zeigen sich als kollektive Deutungsmuster, beispielsweise in der Diskussion ?ber die soziale Stellung ?lterer Menschen in der Gesellschaft; als institutionelle Altersbilder, wenn etwa Altersgrenzen den Renteneintritt gesetzlich vorschreiben oder als pers?nliche ?berzeugung, wenn es um das eigene Alter und den Prozess des ?lterwerdens geht. Altersbilder beeinflussen auch die Wirklichkeit: Wer ein einseitiges Bild vom Alter hat, wird sich bei Kontakten mit ?lteren an diesem Bild orientieren.

Altersbilder lassen sich unterscheiden in Selbst- und Fremdbilder. Beide werden meist unbewusst transportiert und beeinflussen sich gegenseitig: Sie wirken sich auf Marketingstrategien aus und beeinflussen ebenso das individuelle Kaufverhalten.

Zum Thema: Bundesministerium f?r Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Sechster Bericht zur Lage der ?lteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland. Altersbilder in der Gesellschaft. www.bmfsfj.de>?ltere Menschen>Neue Bilder vom Alter 

Kritisiert wird von ?lteren Konsumenten vielmehr die geringe Bereitschaft (oder F?higkeit), sich mit ihren unterschiedlichen Lebenswelten und Lebensstilen auseinanderzusetzen. Damit Marketingstrategien nicht an den tats?chlichen Konsumw?nschen vorbei zielen, muss deutlicher segmentiert werden. Dabei stellen ?ltere Kunden den Werbemarkt vor eine besondere Herausforderung, da sich auch hier Selbstund Fremdbilder gegenseitig bestimmen und im Laufe des Lebens immer wieder ver?ndern.

Anbieter verstehen zu wenig, was die Kunden wollen.? - Aussage im Arbeitskreis ?Zukunftsmarkt 50plus?

Alt sind die anderen

Alter als Merkmal will kaum jemand f?r sich selbst gelten lassen, da sich das eigene Alter unserer festen ?berzeugung nach grunds?tzlich von allen anderen unterscheidet, also individuell ist. Schuld daran ist eine Ver?nderung des Zeithorizonts: W?hrend in j?ngeren Jahren f?r viele Menschen noch vorstellbar ist, dass man selbst in drei?ig oder vierzig Jahren so aussieht oder sich verh?lt wie ein ?typisch" 70-J?hriger, nimmt diese Wahrnehmung kontinuierlich ab. Das Alt-Sein wird (unbewusst) in die Zukunft verlegt und die Diskrepanz zwischen Selbstund Fremdwahrnehmung w?chst. So kommt es, dass selbst Hochaltrige von ?den Alten" sprechen und damit selten sich selbst meinen. Alterserleben ist h?chst subjektiv und das Altersempfinden hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich ver?ndert: Je ?lter jemand wird, desto eher ist man so alt, wie man sich f?hlt.

Eine h?here Lebenserwartung, bessere Gesundheit, Angleichung der Lebensstile zwischen den Generationen und der Wegfall normativer Bilder vom Alter wie gesellschaftlicher Vorstellungen ?ber ein ?angemessenes? Verhalten, haben das Selbstbewusstsein der Generationen 50plus auch als Konsumenten gest?rkt. Werbung muss das ber?cksichtigen.

Tipps 
  • Diskriminierung durch positive Altersbilder
    Vor allem das ?universelle Jugendideal?, wie es in der Werbung mit Bildern von extrem jungen, sportlich und attraktiv wirkenden Models transportiert wird, lehnen ?ltere Konsumenten mehrheitlich ab. Sie erwarten ein weitgehend realistisches Bild, bei dem die Models dem gef?hlten Alter entsprechen und erste Alterserscheinungen selbstbewusst zeigen sollten. Beispiel: Zeitschriften wie ?Brigitte woman?
  • Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten im Alter
    Generell unterscheidet sich das Konsumverhalten ?lterer kaum noch von dem j?ngerer Zielgruppen. Die Produktpr?ferenzen lassen sich weniger denn je am Alter festmachen, ?Seniorenangebote? haben bestenfalls als Nischenprodukt Erfolg. Da ?ltere ?ber jahr-zehntelange Konsumerfahrung und im Ruhestand ?ber ein h?heres Zeitbudget f?r das Einkaufen verf?gen, ver?ndert sich ihr Konsumverhalten dennoch: Produkte und Dienstleistungen werden sehr genau verglichen und h?ufiger ausprobiert. Eine optimale Zielgruppenansprache wird f?r den Erfolg entscheidend. Umfassende Informations-angebote, Nutzenkommunikation und geschultes Personal garantieren dar?ber hinaus einen Mehrwert, der von vielen erfahrenen Konsumenten im Gegensatz zu fr?heren Generationen nicht aus Gewohnheit, sondern aus ?berzeugung mit Markentreue belohnt wird.
  • ?Kritische Ereignisse? als Wendepunkte
    Der Prozess des ?lterwerdens vollzieht sich unmerklich, solange das Leben in geregelten Bahnen verl?uft. Meist sind es sogenannte ?kritische Ereignisse? wie der Auszug der Kinder (Empty-Nest-Phase) und vor allem der Renteneintritt, die pl?tzlich bewusst machen, dass die Lebensmitte eindeutig ?berschritten ist. Erst jetzt ?ndert sich bei vielen ? nicht allen ? Menschen das Altersselbstbild und damit auch das Konsumverhalten. Bei den einen pr?gen vermehrt Kindheitserinnerungen das Kaufverhalten. Gemeint sind damit Konsum-g?ter, die in der Jugend besonders begehrt wurden, die man sich aber heute erst leisten kann (Beispiel: Harley-Davidson). Dadurch steigt gerade bei der Zielgruppe der ?Anspruchsvollen Genie?er? und der ?Komfortorientierten Individualisten? die M?glich-keit eines Markenwechsels, der bisher nur unzureichend f?r das Marketing genutzt wird. Bei den anderen wirken sich Grenzerfahrungen auf das Konsumverhalten aus. Der Tod des Lebenspartners ist dabei eines der zentralen Erlebnisse und f?hrt h?ufig dazu, dass fr?here gemeinsame Konsumaktivit?ten bewusst vermieden werden. Gerade bei Paaren, die ?ber Jahrzehnte ihre Konsumentscheidungen als Einheit getroffen haben, kann die Verlust-erfahrung zu einem radikalen Wechsel im Einkaufsund Freizeitverhalten f?hren. 

Selbstvertrauen und Selbstbestimmtheit f?rdern den Konsum

Die ?lteren Kundengruppen sind heterogener als fr?her, gleichzeitig n?hern sich ihre Lebensstile denen j?ngerer Menschen an und damit w?chst auch das Interesse an innovativen Technologien und die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren. Sie k?nnten zu Trendsettern und ?Early Adopters? f?r Produkte und Dienstleistungen werden, die das Leben im Alter sicherer, einfacher und komfortabler gestalten. Um ihnen aber die Scheu vor technisch-komplexen Angeboten zu nehmen, muss die Kommunikation am Point of Sales, im Verkaufsraum ebenso wie in Service- und Call-Centern auf Augenh?he stattfinden. Die Vermittlung von Erfolgserlebnissen, zum Beispiel durch das kompetent begleitete Ausprobieren neuer Technologien, st?rkt das Selbstvertrauen und erh?ht die Konsumsouver?nit?t. Nur wer sich ernst genommen und dem selbstst?ndigen Umgang mit High-Tech-Ger?ten gewachsen f?hlt, wird auch bereit sein, komplexe Angebote unvoreingenommen und wohlwollend zu pr?fen. Unterst?tzend wirken hier verst?ndliche Produktinformationen, ein kulantes Beschwerdemanagement und nicht zuletzt eine barrierefreie Gestaltung von Verkaufsr?umen, die m?gliche physische Beeintr?chtigungen unbemerkt ausgleicht.

Und hier schlie?t sich der Kreis: So wie Altersfremd- und Selbstbilder die Besch?ftigungsf?higkeit, das Gesundheitsverhalten und die Lebenserwartung beeinflussen k?nnen, so wirken sie sich auch auf das Konsumverhalten aus: Wer sich mit einem modischen Outfit als attraktiv und begehrenswert empfindet oder seinen i-Pad ohne fremde Hilfe einrichten und bedienen kann, wird wieder Selbstvertrauen gewinnen und die eigenen F?higkeiten positiver beurteilen. Vor allem aber wird er oder sie auch in Zukunft offen bleiben f?r Produktinnovationen und hochwertige Service- und Dienstleistungsangebote.

Praxisbeispiel Gesundheit

Da die Vorstellungen vom eigenen ?lterwerden das individuelle Handeln bestimmen, k?nnen sich defizitorientierte Altersselbstbilder negativ auf das Gesundheitsverhalten auswirken. Wer davon ausgeht, dass er im Alter unweigerlich pflegebed?rftig wird, verh?lt sich h?ufiger gesundheitssch?digend: mangelnde Aktivit?t, schlechte Ern?hrung, Rauchen und h?herer Alkoholkonsum. Die ?berzeugung dagegen, das hohe Alter bei relativ guter Gesundheit zu erleben, f?hrt zu einem besseren Vorsorgeverhalten und damit auch zu einer nachgewiesen h?heren Lebenserwartung.

F?r die Gesundheits- und Freizeitwirtschaft ergeben sich vor diesem Hintergrund interessante Perspektiven. Die Erkenntnis, dass Menschen bis ins hohe Alter in der Lage sind, den Alterungsprozess durch verantwortliche Lebensf?hrung zu beeinflussen, l?sst den Bedarf an alterssensiblen Angeboten steigen. Hinzu kommt, dass Attraktivit?t, Fitness und die Verbesserung der eigenen ?Performance? l?ngst keine Dom?ne mehr der jungen und mittleren Altersgruppen sind. Wachstumssegmente entstehen in diesem Zusammenhang vor allem im zweiten ? privat finanzierten ? Gesundheitsmarkt. Der Boom im Gesundheitstourismus steht ebenso f?r diesen Trend wie die Tatsache, dass Fitnessstudios mittlerweile den h?chsten Mitgliederzuwachs bei der Generation 50plus verzeichnen.