?Diversity ist kein blo?es Label, mit dem man sich schm?ckt?

Von vielfaltbewusstem Handeln profitieren ? egal in welcher Organisationsform

Hannes Schucher ist seit 2011 Manager eines als gGmbH organisierten Hotels. Das gemeinn?tzige Unternehmen in der N?he von Stuttgart besch?ftigt 24 Mitarbeiter, darunter auch neun Auszubildende aus L?ndern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit. Im Betriebsalltag ist deshalb vielfaltsbewusste F?hrung kein blo?es Label, mit dem sich das Unternehmen schm?ckt. Hier wird Vielfalt bewusst (vor)gelebt. Nun kommt es erstmal nicht ?berraschend, dass die F?hrungskraft eines gemeinn?tzigen Betriebs so einem Thema aufgeschlossen gegen?bertritt. Doch der Gesch?ftsf?hrer zeigt in diesem Interview, dass auch in seinem Unternehmen vielfaltsbewusste F?hrung kein Selbstzweck ist, sondern essenziell f?r den Erfolg der gesamten Organisation.

Als gGmbh sind Sie der Gemeinn?tzigkeit verpflichtet. Ist die F?rderung von Menschen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen, Kompetenzen und Lebensbiografien deshalb ein besonderer Schwerpunkt in Ihrer Arbeit?

Es ist auf jeden Fall ein Aspekt unseres Gesamtkonzepts der Nachhaltigkeit. Dieses bezieht sich auf ?kologische Vertr?glichkeit, aber eben auch auf das gemeinsame Zusammenleben der Menschen. Wir leben alle auf einer Erde. Wir k?nnen uns nicht aus dem Weg gehen, sondern begegnen uns immer wieder ? zum Beispiel am Arbeitsplatz. Deshalb m?ssen wir uns gegenseitig unterst?tzen, auch ?ber Religion und Kultur hinweg. Das Gastgewerbe war schon immer ein Gewerbe, in dem verschiedene Nationen zusammenkommen. Deshalb engagieren wir uns in diesem Bereich.

Gibt es momentan bei Ihnen bestimmte Projekte zu diesem Thema?

Seit ein paar Jahren setzen wir uns besonders f?r junge Leute ein. Wir geben Jugendlichen aus L?ndern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, die in ihrer Heimat keine Perspektive haben, die Chance, eine Ausbildung zu absolvieren. Aktuell haben wir neun Azubis aus Spanien und Kroatien. Ich denke, solchen Projekte k?nnen auch anderen Unternehmen weiterhelfen. Schlie?lich suchen viele h?nderingend Nachwuchs und f?r die Jugendlichen ist es eine tolle Chance.

Wie organisieren Sie die Ausbildung der internationalen Azubis?

Wir haben im vergangenen Jahr in Kooperation mit anderen Hotels einen Ausbildungsverbund gegr?ndet. Wir organisieren Sprachkurse und unterst?tzen die Jugendlichen auch ?ber die Ausbildung hinaus, wenn sie Fragen oder Probleme haben. Ihnen steht ein Ansprechpartner zur Verf?gung, der ihnen hilft und sich um sie k?mmert. Im Herbst fangen ?ber zehn weitere Jugendliche in drei verschiedenen Hotels ihre Ausbildung an. Auf diese erfolgreiche Entwicklung sind wir sehr stolz.

Mit den neun Auszubildenden aus dem Ausland ist Ihre Belegschaft wahrscheinlich ein bunter Strau? aus verschiedenen Nationen und kulturellen Hintergr?nden. Was bedeutet das f?r Sie als F?hrungskraft?

Wir nehmen Menschen in unserem Betrieb so auf, wie sie sind. Als ich in der Gastronomie angefangen habe, war es ?blich, dass man die Leute wegen ihrer Nationalit?t aufzieht. Der Franzose ist so, der Italiener so, der Nordafrikaner so. Teilweise war die Kommunikation untereinander sehr ruppig. So etwas gibt es in unserem Betrieb nicht mehr. Es wird jedem klar gemacht, dass bestimmte sichtbare oder unsichtbare Merkmale hier keine Rolle spielen. Viel wichtiger ist f?r ein Unternehmen, dass die Leute einen guten Job machen, teamf?hig und motiviert sind.

Und wenn es doch mal Spannungen gibt? Wie bekommt man das als F?hrungskraft eigentlich mit? Sie sind ja h?ufig in Ihrem B?ro, w?hrend zum Beispiel die Reinigungskr?fte in den Zimmern sind.

Wenn es da Spannungen g?be, dann w?rde mir die Hausdame Bescheid geben. Ich spreche aber auch mit den Mitarbeitern. Ich laufe regelm??ig durchs Haus und erkundige mich nach dem Befinden der Mitarbeiter. Doch die verschiedenen Nationalit?ten sind eigentlich selten der Grund f?r Auseinandersetzungen. Meistens sind es eher private Sorgen, die in den Gespr?chen zum Vorschein kommen. Eine Mitarbeiterin hatte z. B. Probleme, eine Wohnung zu finden. Daraufhin haben wir gemeinsam eine Anzeige geschaltet. Ich frage meine Mitarbeiter immer, wo der Schuh dr?ckt, und falls es Bedarf gibt, hilft man sich hier dann auch gegenseitig. Letztlich ist Kommunikation f?r uns der Schl?ssel f?r ein gutes Miteinander und die beste Konfliktpr?vention.

M?ssen Sie, damit dieses Miteinander gut funktioniert, die Erwartungshaltung an die Arbeitsleistung einzelner anpassen? Schlie?lich kann Vielfalt ja auch bedeuten, dass nicht alle alles gleich gut k?nnen.

Ich fordere von allen Mitarbeitern, dass sie das erbringen, was sie zu leisten im Stande sind. Jeder soll sich hier wohlf?hlen, aber daf?r verlange ich auch, dass jeder im Rahmen seiner M?glichkeiten vollen Einsatz zeigt und seinen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele leistet. Denn nur so kann ein Unternehmen erfolgreich sein. Bei uns gibt es Menschen, die sind vielleicht ?vielf?ltiger?, als das in anderen Betrieben der Fall ist, doch letztlich muss man ?berall auf die einzelnen Besch?ftigten eingehen. Jeder von uns hat schlie?lich St?rken und Schw?chen. Ich verstehe diese Einstellung als Vielfaltsbewusstsein. Und von dieser Grundhaltung kann jede Organisation profitieren ? ob nun gemeinn?tzig oder profitorientiert organisiert.

Apropos St?rken und Schw?chen: Wie reflektiert sind Sie ?ber Ihre eigenen?

Ich versuche mich st?ndig zu reflektieren. Das ist f?r F?hrungskr?fte auch hilfreich. Ja, es kann sogar entlastend sein. Wenn ich zum Beispiel erkenne, dass da jemand im Team ist, der etwas besser kann als ich und auch gerne neue Aufgaben ?bernehmen w?rde, dann gebe ich gerne etwas ab. Ich habe zum Beispiel einen Tagesbetreuer, der ist so fit beim Thema ?kologische Nachhaltigkeit, dass er demn?chst den Zusatzposten als Nachhaltigkeitsbeauftragter ?bernimmt.

Als Gesch?ftsf?hrer ist es eine Ihrer Aufgaben, den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs zu verantworten. Schlie?lich soll der Gewinn ja in gemeinn?tzige Projekte flie?en. Profitieren Sie von Ihrer F?hrungsphilosophie auch in ?konomischem Sinne?

Auf jeden Fall. Zum einen spricht man dadurch automatisch einen bestimmten Kundenkreis an. Wir haben mit unserem sozialen Ansatz neue G?ste gewinnen k?nnen. Zum anderem f?rdert es die Personalbindung. Ein Mitarbeiter, der wertgesch?tzt wird, bleibt auch im Betrieb. Allerdings darf das Ganze kein Selbstzweck sein. Viele denken, dass sie sich schon alleine mit dem Label ?Diversity? schm?cken k?nnen, wenn sie Menschen mit unterschiedlichen Nationalit?ten angestellt haben. Das allein bringt aber nichts. Man muss Vielfalt bewusst leben.

Was hei?t das genau, ?Vielfalt bewusst leben??

Es geht darum, dass man Unterschiede positiv wahrnimmt. Wenn ich mit Menschen einer anderen Glaubensrichtung, einer anderen sexuellen Orientierung oder sonst irgendeiner Facette von Vielfalt zusammenarbeite, dann darf das kein Hemmnis sein. Es ist wichtig, dass man Kollegen wertsch?tzt, weil sie gute Arbeit verrichten und das zum Teamerfolg beitr?gt. Dann spielt alles andere keine Rolle. Und genau das muss man als F?hrungskraft vorleben und seiner Belegschaft vermitteln!

Vielen Dank f?r das Gespr?ch und den Einblick in Ihren Betrieb!

Take Away

  • Sich neuen Zielgruppen als potenzielle Mitarbeiter zu ?ffnen k?nnte Personalengp?sse abfedern. Manchmal muss man Prozesse anpassen und Ver?nderungen gestalten.
  • Eine vielfaltsbewusste Unternehmenskultur wirkt auch nach au?en und kann so zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Ein steter Blick auf die Wirkung der Ma?nahmen ist wichtig, damit Vielfalt kein Selbstzweck ist.
  • Jeder Besch?ftigte im Betrieb hat eine bestimmte Rolle und einen Verantwortungsbereich, die zu den individuellen F?higkeiten und Potenzialen passen sollten.