Auftragsschwankungen intern ausgleichen: Zeitliche und fachliche Flexibilit?t in einem Unternehmen der Metallindustrie
Auftragsschwankungen intern ausgleichen: Zeitliche und fachliche Flexibilit?t in einem Unternehmen der Metallindustrie
In vielen Branchen sind Unternehmen mittlerweile starken Schwankungen der Auftragslage ausgesetzt. Darauf reagieren sie mit unterschiedlichen Mitteln:
- Leiharbeiter k?nnen die Stammbelegschaft erg?nzen. Dieses Instrument ist besonders dann geeignet, wenn keine Spezialkenntnisse erforderlich sind und die Besch?ftigten innerhalb kurzer Zeit eingearbeitet werden k?nnen.
- Arbeitszeitkonten erm?glichen dem Unternehmen und den Besch?ftigten, flexibel auf betriebliche und private Anforderungen zu reagieren. So kann die w?chentliche Arbeitszeit mit diesem Instrument ?bergangsweise auf bis zu 60 Stunden angehoben werden. Allerdings muss diese Mehrarbeit innerhalb von sechs Monaten wieder ausgeglichen werden. Au?erdem steigen die gesundheitlichen Risiken und die Fehleranf?lligkeit, wenn die "Grenzen des Machbaren" weitgehend ausgereizt werden. Deshalb ist es ratsam, die Konten sorgf?ltig zu ?berpr?fen: Gibt es Bereiche, die st?rker betroffen sind, und andere, die kaum belastet sind? Besteht eine realistische Chance, angeh?ufte Stunden wieder abzubauen? Was sind die Gr?nde f?r die Mehrarbeit?
- Intern flexibel einsetzbare Besch?ftigte k?nnen ihren stark geforderten Kollegen "unter die Arme greifen", wenn die Auslastung ihrer eigenen Abteilung geringer als erforderlich ist. Hier bietet sich als Planungsund Steuerungsinstrument eine Qualifikationsmatrix an, die im folgenden Praxisbeispiel genauer vorgestellt wird. Als Voraussetzung daf?r muss im Unternehmen eine Kultur des Vertrauens bestehen: Nur wenn Kollegen sich gerne gegenseitig einarbeiten und nicht bef?rchten m?ssen, danach "wegrationalisiert" zu werden, kann das Modell erfolgreich eingef?hrt werden. Das Unternehmen muss sich daher gut ?berlegen, wie f?r alle Beteiligten Vorteile entstehen.
Ein Beispiel: In einem Unternehmen der Metallindustrie herrschen sehr starke Auftragsschwankungen. Diese wirken sich auf die verschiedenen Bereiche unterschiedlich aus. Bisher hat das Unternehmen darauf mit Arbeitszeitkonten und der Besch?ftigung von Leiharbeitern, in wenigen Ausnahmef?llen auch mit Kurzarbeit reagiert.
Im Rahmen eines grunds?tzlichen Strategieprozesses wurde den Abteilungsleitern bewusst, dass es k?nftig st?rker darauf ankommen wird, die eigenen fachlichen Ressourcen nutzbringender einzusetzen, da Leiharbeiter immer weniger den komplexen fachlichen Anforderungen des Unternehmens entsprechen. W?hrend der wirtschaftlichen Krise 2008 entstand daher die Strategie, die Stammbelegschaft breiter und abteilungs?bergreifend zu qualifizieren.
Daf?r wurde f?r jede Abteilung eine Qualifikationsmatrix angelegt. Hier werden zun?chst alle regelm?- ?igen Arbeitsvorg?nge einer Abteilung aufgelistet. Neben den fachlichen Anforderungen geh?ren auch organisatorische und planerische Aufgaben dazu. Im n?chsten Schritt wird f?r jeden Besch?ftigten dokumentiert, welche Aufgaben er noch nicht, in Grundz?gen oder bereits gut beherrscht. Sinnvoll ist es, dabei gleich die k?rperliche oder mentale Belastung einer T?tigkeit mit zu dokumentieren, um diese mit dem Alter der jeweiligen Besch?ftigten abzugleichen: Wo sind altersbedingte Umschulungen in n?herer Zukunft m?glicherweise erforderlich? Ein Beispiel f?r eine solche Qualifikationsmatrix aus einer Lackiererei zeigt Abbildung 2.
Diese Matrix wurde mit den Besch?ftigten abgestimmt. Dabei wurde diskutiert, ob beide Seiten die F?higkeiten gleich einsch?tzen. Vorgesetzte und Mitarbeiter konnten Qualifikationsw?nsche ?u?ern, die mit der Qualifikationsmatrix gleich konkret geplant werden k?nnen: Wer lernt was von wem bis wann? Auch abteilungsfremde Kompetenzen wurden in diesen Erhebungsprozess integriert.

In Zeiten niedriger Auslastung konnte dann die ermittelte Kompetenzl?cke gef?llt oder der Weiterbildungswunsch realisiert werden. Wenn dann wieder "Not am Mann oder an der Frau" ist, k?nnen Kollegen aus der Nachbarabteilung kurzfristig einspringen. Aber Achtung: Auch dieser Personaltausch muss sinnvoll organisiert sein. Neu erworbene Kompetenzen m?ssen immer wieder ge?bt werden, damit sie sich verfestigen und nicht wieder verloren gehen. Die Vorgesetzten sind daher gut beraten, ihre neu qualifizierten Mitarbeiter regelm??ig am anderen Arbeitsplatz "aushelfen" zu lassen, damit sich die Investition tats?chlich lohnt. Au?erdem m?ssen sie damit rechnen, dass die neu eingelernten Kollegen zun?chst eine geringere Produktivit?t aufweisen. F?r das metallverarbeitende Unternehmen war dies die gr??te Herausforderung im gesamten Qualifizierungsprozess.
Der L?sungsansatz bestand in einer verbindlich festgelegten Weiterbildungszeit von f?nf bis sechs Tagen f?r jeden Mitarbeiter pro Jahr, die in benachbarte Aufgabenfelder investiert wurde. Neben den zus?tzlich erworbenen Kompetenzen profitierte das Unternehmen auch vom breiteren Unternehmensverst?ndnis der Besch?ftigten, die mit den breiteren Kompetenzen auch einen Teil ihrer Betriebsblindheit verloren.
Last but not least: Die Qualifikationsmatrix bietet auch die Chance, offenzulegen, wo Fachkr?fte unterqualifiziert arbeiten. Aufgabenprofile und Arbeitsprozesse k?nnen so neu zugeschnitten und Aufgaben, die bisher eine Fachkraft miterledigt hat, an einen angelernten Besch?ftigten delegiert werden. Im abgebildeten Beispiel zeigt sich dar?ber eine demografische Aufgabe: Die einzige Person mit der Kompetenz zur Ausbildung ist bereits 58 Jahre alt.