Personalmanagement in einem dynamisch wachsenden Markt

Personalmanagement in einem dynamisch wachsenden Markt

Beispiel: Software-Spielehersteller in der IT-Branche: Aeria Games Europe GmbH

Frau Sawert, was ist das Gesch?ft von Aeria Games?

Aeria Games ist ein Herausgeber von Online-spielen. Das Gesch?ftsmodell wird als "Free-to-play" bezeichnet, das hei?t, die Nutzer k?nnen spiele kostenlos im Internet herunterladen und spielen. Ums?tze werden mit dem Verkauf virtueller G?ter im Spiel erwirtschaftet.

Das Unternehmen wurde 2006 in Silicon Valley, Kalifornien, gegr?ndet und hat seit 2008 sein Europ?isches Hauptquartier in Berlin. Das Ziel von Aeria Games ist es, die besten Free-to-Play-Spiele und einen erstklassigen Kundenservice anzubieten, um auf diese Weise das h?chste Ma? an Spielerzufriedenheit erzielen zu k?nnen. Dies gelingt mit einer breitgef?cherten Auswahl an Online-spielen, die jedes Genre abdeckt, sowie gutqualifizierten und hochmotivierten Mitarbeitern.

Wie ist die Mitarbeiterstruktur?

Insgesamt besch?ftigt Aeria Games mehr als 300 Mitarbeiter, davon 120 in Berlin. Das Personal Management wird individuell am jeweiligen Standort gesteuert. Unsere Mitarbeiter sind sehr jung, circa 90 Prozent sind unter 30 Jahre, etwa die H?lfte hat keine universit?re Ausbildung. sie sind ?berwiegend m?nnlich und sehr international, derzeit kommen unsere Mitarbeiter aus etwa 30 Nationen und arbeiten in neun verschiedenen sprachen. Die offizielle Unternehmenssprache ist Englisch.

In erster Linie erhalten unsere Mitarbeiter einen unbefristeten Vertrag, die wichtigste Ausnahme sind unsere ?bersetzerteams, die die Herausgabe eines neuen Spiels vorbereiten. Hier arbeiten wir je nach Umfang des zu ?bersetzenden Spiels mit befristeten Vertr?gen von drei bis sechs Monaten. Im Anschluss an eine ?bersetzert?tigkeit ?bernehmen wir die Mitarbeiter gern in eine unbefristete T?tigkeit im Kundenservice, da die ?bersetzer das spiel bereits gut kennen.

Frau Sawert, Sie haben am 1.8.2011 als Personalleiterin bei Aeria-Games angefangen. Was haben Sie vorgefunden an Personalprozessen und -instrumenten?

Es gab zu diesem Zeitpunkt 70 Mitarbeiter und noch keine professionalisierte Personalarbeit. Das Unternehmen war auf dem Weg von einem typischen Start-up mit eher famili?rem Charakter und wenig festen Strukturen hin zu einem mittelst?ndischen Unternehmen. Der Fokus der Personalarbeit lag vor allem auf der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Darum k?mmerte sich eine Werkstudentin mit einem 30-stunden-Vertrag. Anforderungsprofile und Personalauswahl waren wenig standardisiert, Fachkr?fte waren schwer zu finden.

Welche Erwartungen verband die Gesch?ftsf?hrung mit Ihrer Einstellung?

Es wurde als notwendig angesehen, die Personalarbeit zu strukturieren. Es gab zum Beispiel keine offiziellen Personalentwicklungsinstrumente, keine Trainingsplanung, keine strukturierte Einarbeitung neuer Mitarbeiter, kein Organigramm, und eine l?ngerfristige Personalplanung (von Kapazit?ten und Profilen) wurde aufgrund des sich schnell ver?ndernden Marktes kaum f?r m?glich gehalten. Alles war "nat?rlich gewachsen" und noch ohne definierte Strukturen.

Wie lautete Ihr Auftrag?

"Professionalisieren sie die Personalarbeit!" Und das hie?: Strukturen aufbauen, Recruiting standardisieren, Schl?sselpositionen besetzen, Rechtssicherheit erh?hen, Personalentwicklungsma?nahmen einf?hren, Unternehmenswerte erlebbar machen, um so das Zugeh?rigkeitsgef?hl und die Zufriedenheit der Mitarbeiter in einem schnell wachsenden Unternehmen langfristig zu sichern.

Das ist viel! Was haben Sie als erstes angepackt?

Als Erstes haben wir die Personalbeschaffung professionalisiert! Denn das hatte den gr??ten Hebel!

Was genau haben Sie gemacht?

Wir haben den vollst?ndigen Prozess aufgesetzt. Also zun?chst eine grobe Personalplanung f?r das n?chste Jahr gemacht. Die L?sung war, den Personalbedarf eng an die Release-Planung anzubinden. Damit hatten wir einen ?berblick. Dann haben wir den Internetauftritt von Aeria Games so gestaltet, dass die offenen Positionen f?r Interessenten standortspezifisch sichtbar wurden. Wir haben Stellenbeschreibungen ?berarbeitet sowie den Auswahlprozess standardisiert und in einer RACI-Matrix definiert.

RACI-Matrix

Die RACI-Matrix wird in Unternehmen genutzt, um f?r bestimmte Aktivit?ten festzulegen, wer in welcher Rolle daran beteiligt ist. so kann man zu einer klaren Beschreibung der Verantwortlichkeiten und Zust?ndigkeiten gelangen. Dabei werden folgende Rollen festgelegt:

  • Responsible ? verantwortlich (Durchf?hrungsverantwortung);
  • Accountable ? rechenschaftspflichtig (Kostenverantwortung);
  • Consulted ? konsultiert (Fachverantwortung). Eine Person, deren Rat einzuholen ist.;
  • Informed ? zu informieren (Informationsrecht). Eine Person, die zu informieren ist; 

Wir haben die Performance verschiedener Rekruiting-Kan?le f?r unsere unterschiedlichen Anforderungsprofile monitort und danach die Schaltung der Stellenanzeigen entsprechend ausgerichtet ? unsere Kooperation mit Job-Boards konnten wir dadurch optimieren. Schlie?lich waren auf diesem Weg auch Kosten-Nutzen-Analysen der verschiedenen Recruiting-Ma?nahmen m?glich.

Beispiel= RACI-Matrix Aeria Games: RACI ? Recriuting decisions

Wie funktioniert das Recruiting jetzt?

Von August bis Anfang M?rz haben wir 50 Mitarbeiter eingestellt. Ich habe den Prozess inzwischen wieder komplett an meine Mitarbeiterin abgegeben, die jetzt einen Vollzeitarbeitsvertrag hat. nur das Executive Recruiting mache ich selbst. Meine Kollegin kann den Prozess der Personalbeschaffung jetzt vorausschauend gestalten, weil alle Tools vorhanden und alle Teilprozesse beschrieben sind. Das hei?t konkret: Wenn bekannt ist, wann ein neues spiel herauskommt, kann das Betreuungsteam f?r dieses spiel vorab definiert und rekrutiert werden. Das Recruiting kann jetzt den Prozess treiben ? statt hinterherzulaufen!

Was haben Sie noch unternommen?

Wichtig war die komplette ?berarbeitung der Arbeitsvertr?ge, um deren Rechtssicherheit zu erh?hen. Dann haben wir Kompetenzprofile f?r jede Position im Unternehmen beschrieben, um Entwicklungsm?glichkeiten und Karrierewege aufzuzeigen. Und wir haben den Mitarbeiterbewertungsprozess strukturiert. Dazu haben wir standardisierte Evaluationsinstrumente eingef?hrt und die F?hrungskr?fte auf jeder Ebene trainiert, diesen Prozess durchzuf?hren. Und wir haben bereits einige Fortbildungsma?nahmen f?r die Mitarbeiter aufgesetzt und durchgef?hrt.

Was steht als N?chstes an?

Gerade steht die Gestaltung der Firmenkultur im Mittelpunkt. Dabei geht es um die Verankerung von gemeinsamen Werten im Unternehmen. Bei uns herrscht eine sehr positive famili?re Unternehmenskultur, die wir durch das rasche Wachstum und die Implementierung strukturierter Prozesse nicht gef?hrden wollen. Wir haben uns gemeinsam mit der amerikanischen Mutter globale Werte gegeben, die nun im Unternehmen vorgestellt und erlebbar gemacht werden. Dazu werden von allen Mitarbeitergruppen in Workshops Ideen eingesammelt, wie man diese Werte erlebbar machen kann. Diese Ideen werden in Projekte ?bertragen und in Teams umgesetzt, in denen Mitarbeiter aus verschiedenen Einheiten zusammenarbeiten. Ziel ist der Erhalt der positiven Unternehmenskultur, die das weitere Wachstum tr?gt und f?rdert.

Ihr Unternehmen braucht Struktur, Wachstum erfordert Flexibilit?t ? wie schaffen Sie die Balance?

Vor der Einf?hrung von Strukturen fragen wir uns immer, inwieweit diese notwendig und f?rderlich f?r den Unternehmenserfolg sind. Das gr??te Strukturbed?rfnis besteht derzeit bei der Informationsweitergabe. Hier geht es darum, Transparenz zu schaffen und die Mitarbeiter einzubeziehen als wichtigste Voraussetzung daf?r, dass wir die schnellen Ver?nderungen, die der Markt vorgibt, proaktiv f?r uns nutzen und erfolgreich daran wachsen k?nnen.

Weiterhin m?ssen wir eine strukturierte Karrieregestaltung aufbauen, um sicherzustellen, dass insbesondere an erfolgskritischen Positionen die richtigen Kompetenzen sind. Dazu m?ssen diese Positionen klar beschrieben sein und die entsprechenden Kompetenzen rekrutiert oder entwickelt werden. Gleichzeitig achten wir darauf, dass uns die Flexibilit?t erhalten bleibt, um schnellen Ver?nderungsanforderungen nachkommen zu k?nnen.

Zwei letzte Fragen, Frau Sawert: Warum macht Ihnen diese Arbeit so viel Spa?? Und: worin sehen Sie den Erfolgsfaktor?

Spa? macht mir vor allem der enorme Gestaltungsspielraum ? und die schnellen R?ckmeldungen dar?ber, was funktioniert. Auch ist das Personalmanagement bei Aeria Games auf h?chster Ebene in die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung des Unternehmens eingebunden. Im Management Circle besprechen wir strategische Entscheidungen in Bezug auf ihre Personalimplikationen und diskutieren das weitere Vorgehen. Das halte ich f?r einen entscheidenden Erfolgsfaktor!

Botschaft

Wenn Unternehmen schnell wachsen, sp?ren sie ab einer bestimmten Gr??e, dass sie eine Professionalisierung ihres Personalmanagements brauchen. Der erste schritt ist meist die Beschaffung der ben?tigten ? passenden ? Mitarbeiter, die nicht mehr vom Management "nebenbei" erledigt werden kann. Es zeigt sich dann auch schnell, dass eine professionelle Personalentwicklung mit passenden Standards f?r die neuen (und "alten") Mitarbeiter ben?tigt wird. Weitere Facetten des Personalmanagements folgen, falls das Wachstum weiter anh?lt: strategieorientierte Personalplanung, Standards f?r die Personalauswahl, Beachtung arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften bis hin zu einem passenden Personalcontrolling. In diesen Wachstums- und Anpassungsprozessen ver?ndert sich die Rolle des verantwortlichen Personalmanagers ? wenn es ?gut? l?uft, entwickelt er sich vom Personalverwalter zum internen "Gesch?ftspartner".

Bei uns herrscht eine sehr positive famili?re Unternehmenskultur, die wir durch das rasche Wachstum und die Implementierung strukturierter Prozesse nicht gef?hrden wollen.