Digitale Assistenzsysteme ? Unterst?tzung beim Arbeiten, Lernen und Entscheiden

Eine Form digitaler L?sungen stellen sogenannte Assistenzsysteme dar. Dabei handelt es sich um interaktive Informations- und Kommunikationstechnologien. Sie bestehen aus Hard- und Software, die die Besch?ftigten bei ihren Arbeitst?tigkeiten unterst?tzen. Die Systeme k?nnen hinsichtlich ihrer Auspr?gungen unterschieden werden: Ein niedriger Unterst?tzungsgrad w?re etwa durch reine Handlungsanweisungen erf?llt; ein hoher Grad w?re mit der Unterst?tzung bei komplexen Entscheidungen und entsprechenden Empfehlungen an die Anwendenden erreicht. Die Art der Unterst?tzung beschreibt, welche F?higkeiten des Menschen (physisch, sensorisch, kognitiv) gest?rkt werden. Die Zielsetzung kann kompensatorischer Art sein und eine bestehende Leistungseinschr?nkung ausgleichen. Ziele mit ?erhaltendem? Charakter setzen auf Pr?vention, in dem Belastungen vermieden bzw. reduziert werden, und tragen zur Erhaltung der Arbeitsf?higkeit bei. Und schlie?lich k?nnen diese Systeme menschliche F?higkeiten erweitern, in dem sie unter anderem in Schulungs- bzw. Anlernprozessen Trainingsfunktionen ?bernehmen. Der Einsatzort eines Assistenzsystems kann mobil oder station?r sein. In Gestalt von am K?rper getragenen Systemen (Wearables) sind sie ortsungebunden einzusetzen (Fraunhofer IFF 2020, BMAS 2018).

Assistenzsysteme liefern Informationen und Hilfeleistungen f?r die zu unterst?tzende Person oder den Arbeitsprozess. Gleichzeitig k?nnen sie Daten ?ber die Person, den Arbeitsprozess bzw. die Dinge der Umgebung erfassen und weiterleiten. Lernende Systeme nutzen den Vergleich vorhandener Daten mit neu hinzugewonnenen, um ihre Unterst?tzungsleistungen anzupassen, Entscheidungen vorzubereiten oder autonom zu arbeiten. Der Verbund von Informations- und Softwaretechnik und die Vernetzung von Sensoren (technische Bauteile, die chemische oder physikalische Eigenschaften erfassen und messen) und Aktoren (Bauteile, die empfangene Daten z.B. in Bewegung umwandeln) mit mechanischen und elektronischen Teilen bildet sogenannte Cyber-physischer Systeme (CPS). Im Produktionsbereich bzw. im Bereich der produktionsbegleitenden Dienstleistungen wird die Entwicklung dieser Techniken besonders vorangetrieben, um z. B. die M?glichkeiten der vorausschauenden Wartung zu verbessern.

Die folgenden Beispiele geben einen ?berblick ?ber die Bandbreite der verf?gbaren Technologien, ihre Einsatzbereiche und ihren Nutzen:

Beispiel 1:

Effiziente Informationsverarbeitung bei mobiler Arbeit

W?hrend die Versorgung der Mitarbeitenden mit station?ren Endger?ten wie PCs bereits sehr hoch ist und digitale Infrastrukturen (Internet, Intranet) in gro?em Umfang genutzt werden, kommen mobile Endger?te (Tablets, Smartphones) und digitale Dienste, etwa zur Datenspeicherung und -verarbeitung (Cloud) noch selten zum Einsatz. Welchen Einfluss Prozessoptimierung durch Vernetzung und mobile Endger?te auf Wachstum und Arbeitsqualit?t hat, stellt Myra Mani, Gesch?ftsf?hrerin eines h?uslichen Pflegedienstes mit 80 Mitarbeitenden, fest:
?Es gibt einige Prozesse, wie Planung oder Abrechnung, die man digitalisieren, zentralisieren und sinnvoll vernetzen kann. An dieser Stelle bieten sich f?r uns M?glichkeiten, um wirtschaftlich wachsen zu k?nnen. Deshalb haben wir auch als Referenzunternehmen gemeinsam mit einem IT-Partner eine neue Pflegesoftware entwickelt, die es erlaubt, Daten ?ber mehrere Standorte hinweg zu nutzen. So werden unsere Fach- und F?hrungskr?fte von formalen T?tigkeiten entlastet, und sie haben ?ber ihr Smartphone beim Kunden vor Ort wirklich alle relevanten Informationen zur Verf?gung, um ihre Arbeit gut machen zu k?nnen ? und das ist ja letztlich das, was uns auszeichnet: Pflege mit Herz.?

Beispiel 2:

Kollaborationsplattformen ? Wissen teilen und nutzen

Um das Wissen und die Innovationsf?higkeit ihrer Mitarbeitenden zu nutzen (Schwarmintelligenz/Crowdsourcing) und die Zusammenarbeit im Team zu f?rdern, investieren Unternehmen in webbasierte Softwarel?sungen und Apps, die dazu dienen, Informationen effizient und gewinnbringend zu teilen, neues Wissen zu generieren oder Kreativit?t zu unterst?tzen. Sogenannte Kollaborationsplattformen beinhalten neben Modulen zur Kommunikation per Chat, Audio, Video oder Blogs, auch Koordinationstools wie Kalender, Werkzeuge f?r Reports sowie die Prozess- und Ressourcenplanung f?r Projektarbeiten. Nicht zuletzt sind zukunftsorientierte Organisationsund F?hrungsformen (Team- bzw. Gruppenarbeit, agiles, mobiles Arbeiten, Coaching) Treiber dieser Anwendungen, die nat?rlich auch das mobile Arbeiten und das Arbeiten im Homeoffice erleichtern.
?Unser Unternehmen zeichnet sich durch eine ausgepr?gt beteiligungsorientierte Arbeitskultur (High Performance Works Culture) aus. Um insbesondere die Kommunikationsm?glichkeiten unserer Kollegen im Schichtbetrieb zu verbessern, entwickeln wir im Forschungsprojekt APRODI eine digitale Plattform. Die Anforderungen an das Tool wurden gemeinsam mit den Nutzenden definiert, ein Prototyp ist zurzeit im Testlauf, Verbesserungsvorschl?ge der Praktiker werden kontinuierlich eingearbeitet.? Friedrich M?ller, Operations Manager, DuBay Polymer GmbH (ca. 100 Besch?ftigte), Hamm-Uentrop

Beispiel 3:

Tablet-gest?tztes Werker-Assistenzsystem

Im Rahmen des APRODI-Forschungsverbundes strebt das Unternehmen Agfa HealthCare GmbH (ca. 300 Besch?ftigte) in Pei?enberg die Einf?hrung eines Assistenzsystems f?r Werker an. Die Montage komplexer Medizinger?te bedarf wegen der Teilevielfalt, vielstufiger Montage und regulatorischer Anforderungen genauerer Beschreibungen der Arbeitsabl?ufe. Diese sind bisher in Aktenordnern abgelegt.
?Bild- oder sprachgest?tzte, auf Tablets abrufbare Montageanweisungen f?rdern unserer Meinung nach die Handlungssicherheit und sichern Qualit?t und Effizienz. Die Informationen sollen helfen, die Arbeitsaufgabe schneller umzusetzen und Unterweisungen und Schulungsprozesse zu vereinfachen.? (RKW Kompetenzzentrum, 2020)

Beispiel 4:

Datenbrillen in der Montage

J?rg Naffin, Vertriebsleiter der WS System GmbH, Stuhr (rd. 40 Besch?ftigte), schildert die Vorteile von Datenbrillen, die die Mitarbeitenden in der Baugruppenmontage von T?rgriffen f?r Kleinwagen tragen:
??ber Kameras und Sensoren wird der gesamte Produktionsprozess ?berwacht. Ein Warnhinweis zeigt an, wenn ein falsches Bauteil eingesetzt wird. Ein Smiley ?belohnt? den erfolgreich abgeschlossenen Montagevorgang. Das bedeutet, dass an dieser Stelle Fehler praktisch nicht mehr m?glich sind.
Das umst?ndliche Bl?ttern in Dokumentationen und Handb?chern entf?llt und die Kolleginnen und Kollegen haben f?r ihre T?tigkeiten beide H?nde frei. Die Datenbrillen sorgen daf?r, dass die Mitarbeitenden direkt im Arbeitsprozess lernen k?nnen. Denn sie zeigen Schritt f?r Schritt, was zu tun ist und welche Komponenten eingesetzt werden. Die Anleitung kann beliebig oft wiederholt werden, bis die Mitarbeitenden sich wirklich sicher f?hlen. Das ist nat?rlich f?r Personen in der Einarbeitungszeit besonders hilfreich.?

Beispiel 5:

Laufwegoptimierung in der Kommissionierung

Durch die Einf?hrung des Direkt-Vertriebs hatte sich der Umsatz der Omniflora Blumencenter GmbH (75 Besch?ftigte) im Jahr 2019 fast verdoppelt. Um mit den schnell wachsenden Auftragsvolumina zurecht zu kommen, mussten interne Prozesse effizienter gestaltet werden. Ein erster Ansatz war die Laufwegoptimierung der Kommissionierer, also der Mitarbeitenden, die die Bestellungen f?r die Floristen packen. Verkaufsleiter Rainer Schneider und Tim Stein, Projektverantwortlicher der mit der Realisierung betrauten Diaratio Technologie GmbH, berichten:
?Aufgrund der saisonalen Ware ?ndern sich Lagerpl?tze und Orte regelm??ig. Bisher konnten die Lieferscheine im ERP sortiert werden, dies musste jedoch am PC gemacht werden und war entsprechend bei mehreren hundert Artikeln recht umst?ndlich. Nun k?nnen Lieferscheine per Smartphone sortiert werden: Es gen?gt, einmal die Artikel im Lager in der Lauf-Reihenfolge abzuscannen - die Sortierung wird dann ins ERP ?bertragen und der Lieferschein entsprechend optimiert. Die Laufwege wurden um ca. 30% reduziert.? (Stein, Tim 2020)

Beispiel 6:

Cobots ? Hand in Hand mit der Maschine

Kollaborierende Roboter, sog. Cobots, arbeiten im Prinzip ohne Schutzraum direkt mit menschlichen Kolleginnen und Kollegen zusammen. Gegen?ber gro?en Industrierobotern sind sie platzsparend, da f?r sie kein ?K?fig? mehr notwendig ist. Sie sind leicht, lassen sich transportieren und k?nnen so flexibel eingesetzt werden. Sie sind mit Sensoren ausger?stet und k?nnen daher ?f?hlen? und ?sehen?. Zudem bieten sie den gro?en Vorteil, auch f?r NichtFachleute immer einfacher programmierbar zu sein. Zu den Einsatzbereichen geh?ren vor allem das Be- und Entladen von Maschinen sowie Montagearbeiten. Cobots unterst?tzen dort h?ufig beim Kommissionieren der richtigen Teile. Pr?zise Schwei?arbeiten, aber auch das Abgreifen und Messen von Teilen f?r die Qualit?tssicherung sind verbreitet.
?Wir arbeiten unter anderem mit Leichtbaurobotern. Sie ?bernehmen die unangenehmeren Aufgaben oder solche, bei denen es auf absolute Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ankommt. Dazu geh?rt beispielsweise das definierte Dosieren von Klebematerialien. Fr?her wurden zum Beispiel durch das Aufbringen zu gro?er oder zu geringer Mengen Klebstoff h?ufig Nacharbeiten erforderlich. Heute haben Werkerinnen und Werker dank der kollaborativen Arbeitspl?tze mehr Zeit, auf die Qualit?t der Produkte zu achten. Und der Mensch bestimmt den Takt. Der Roboter kann sich ebenfalls individuell auf Mitarbeitende einstellen und beachtet zum Beispiel, ob er es mit Rechts- oder Linksh?ndern zu tun hat. Unsere selbst entwickelte App liefert die individuellen Daten zur optimalen Einrichtung der Ergonomie.? (J?rg Naffin, WS System GmbH)

Viele Einsatzm?glichkeiten f?r kollaborierende Roboter finden sich im Handwerk, vor allem in der Metall- und Holzverarbeitung. Aber auch im medizinischen Bereich sind Roboter l?ngst Realit?t. In Laborbereichen, in denen rund um die Uhr Proben untersucht und Ergebnisse schnellstm?glich an Krankenh?user geliefert werden m?ssen, helfen Cobots, Fachkr?fteengp?sse zu ?berwinden. Hochkomplexe Maschinen unterst?tzen das medizinische Personal bei schwierigen operativen Eingriffen. Sie halten Ger?te oder unterst?tzen dabei, medizinisches Werkzeug exakt anzusetzen. Sie sind auch in der Lage, Operationen nach den Befehlen des chirurgischen Personals auszuf?hren.

Beispiel 7:

Chatbots ? Unterst?tzung bei Routineanfragen

Hierbei handelt es sich um Systeme, die den Dialog zwischen Mensch und Computer erm?glichen. Die ?Bots? dienen als Anlaufstelle f?r allgemeine Ausk?nfte, sind jederzeit erreichbar und k?nnen unterschiedliche Sprachen beherrschen.

Unternehmen stellen solche Dienste immer h?ufiger auf ihrer Website f?r Anfragen aus dem Kundenkreis zur Verf?gung. Die Antworten erscheinen automatisch und in Echtzeit. Eine Wissensdatenbank h?lt die relevanten Informationen bereit und schafft eine einheitliche Kundenkommunikation. Mitarbeitende im Service werden auf diese Weise entlastet. Sie stehen f?r individuelle und anspruchsvolle Beratungst?tigkeiten zur Verf?gung. Der Computer ?lernt? durch die Interaktionen, die gewonnenen Daten lassen sich f?r die Entwicklung optimierter Dienstleistungen nutzen.
?F?r Krankenkassen stellen Chatbots, (?) durchaus eine Option dar, um Callcenter zu entlasten und interne Abl?ufe effizienter zu gestalten. (?) Eine Maschine als pers?nlicher Ansprechpartner f?r allgemeine Anfragen wird in bestimmten Bereichen wie dem Kundenservice bald allt?glich sein.? (PWC 2019)