Praxisbeispiele zum Thema Entrepreneurship Education

Praxisbeispiele zum Thema Entrepreneurship Education

Die Aufgaben, die die Sch?lerInnen in der Sch?lerfirma durchf?hren ? das kann der Unterricht nie erf?llen."

Christine Nonnenmann arbeitet als Lehrerin f?r das Fach Wirtschaft am Otto-Hahn-Gymnasium in Ostfildern seit 2005 mit dem Projekt IW JUNIOR und betreut Sch?lerfirmen in der gymnasialen Oberstufe ? mit gro?em Erfolg: So konnte sie sich bislang nicht nur ?ber diverse Preise f?r ihre Sch?lerprojekte freuen, sondern auch ?ber die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-W?rttemberg, die ihr im Jahr 2013 verliehen wurde.

Warum haben Sie sich daf?r entschieden, mit IW JUNIOR zu arbeiten?

Ich arbeite seit 2005 mit JUNIOR. Ich habe mir auch andere Projekte angeschaut, die waren mir aber zu streng und weniger praxisnah. JUNIOR hat den gro?en Vorteil, dass man vom Institut der deutschen Wirtschaft in K?ln begleitet wird. Ich habe schon 2005 da mitgemacht, da gab es noch keine Internet-Plattform, die Sch?lerInnen mussten alles in Schriftform nach K?ln schicken. Die erste Sch?lerfirma hat dann damals bei der Bildungsmesse "didacta" gleich gewonnen. So fing eigentlich bei mir das Projekt an, mit gro?em Erfolg, und so bin ich bei JUNIOR geblieben. JUNIOR ist f?r mich auch deshalb ideal, weil die Sch?lerInnen die Gesch?ftsidee selber entwickeln k?nnen.

Sind die Sch?lerfirmen Bestandteil des Regelunterrichts oder freiwillige Aktivit?ten?

Bis vor zwei Jahren war das JUNIOR-Projekt Teil des Wirtschaftsunterrichts. Die Theorie haben wir im Unterricht durchgenommen, die Ausf?hrung fand dann nachher au?erhalb des Unterrichts statt. Ich habe die Sch?lerInnen da ganz frei entscheiden lassen, und die fanden es gut, dass es auch praxisnahe Elemente im Unterricht gab. Seit zwei Jahren l?uft das Projekt au?erhalb des Unterrichts, was aber auch bedeutet ? was ich pers?nlich ?berhaupt nicht gut finde ? dass nicht alle Sch?lerInnen aus dem Wirtschaftskurs an einer JUNIOR-Firma teilnehmen. Jetzt bekommen die Sch?lerInnen das Projekt auf ihre Stundentafel mit drei Stunden angerechnet. Allerdings sind drei Stunden nat?rlich viel zu wenig f?r so ein Projekt.

Mit welcher Altersgruppe f?hren Sie die Projekte durch?

Die Sch?lerInnen sind im Moment so um die 16 Jahre alt. F?r j?ngere Sch?lerInnen gibt es an unserer Schule keinen Raum um so etwas zu machen. Allerdings haben wir in Baden-W?rttemberg ab 2016 ja einen neuen Bildungsplan und da wird es dann M?glichkeiten geben f?r Entrepreneurship Education auch mit j?ngeren Sch?lerInnen.

Welche Herausforderungen ergeben sich f?r Sie bei der Durchf?hrung von Entrepreneurship Education-Projekten?

Die gr??te Herausforderung ist tats?chlich das Timing, also die Organisation. Viele Sch?lerInnen haben einen Job neben der Schule, dann kommt noch dazu dass die meisten ein Hobby haben, sei es musischer oder sportlicher Art. Dann kommen die Klausuren, die ja terminiert sind, und dann gibt es eben Termine die sich mit JUNIOR in K?ln ?berschneiden. Das Zeitmanagement ist also eine richtige Herausforderung f?r die Sch?lerInnen, aber das klappt meist nach einigen Wochen.

Wie motivieren Sie Ihre Sch?lerInnen zu der Teilnahme an Entrepreneurship Education-Projekte und auch w?hrend der Arbeitsphase?

Die Motivation ist zun?chst einmal der Erfolg, aber auch, etwas Neues auszuprobieren. Das Fach Wirtschaft ist in der Kursstufe ja tats?chlich neu, und die guten Sch?lerInnen sind einfach neugierig, die sagen: Wir wollen jetzt mal Wirtschaft machen, wir wissen gar nicht was da auf uns zukommt. Und die Motivation wird in der Regel auch unterst?tzt von den Eltern, die sagen: Wenn Wirtschaft angeboten wird und du die Arbeit an der Sch?lerfirma sogar ins Abitur einbringen kannst, dann mach es einfach. Ich lasse aber die Sch?lerInnen die neu damit beginnen auch mit den ehemaligen TeilnehmerInnen der Sch?lerfirmen alleine reden, das funktioniert dann wie Mundpropaganda.

Welchen Lernprozess k?nnen Sie bei den Sch?lerInnen im Laufe der Projekte beobachten?

Mein erster Satz bei jeder Sch?lerfirma ist immer: Jeder von euch besitzt ein Talent. Und jetzt k?nnt ihr mal innerhalb dieser Firma sehen: Wo sitzen meine Talente, und wo nicht? Und das war eigentlich bei allen Sch?lerInnen immer der gr??te Erfolg, das haben die am Ende auch alle gesagt. Es gibt dann zum Beispiel Sch?lerInnen die kommen hinterher zu mir und sagen, Frau Nonnenmann, ich werde nie ein Leader sein, ich kann das gar nicht. Diese Talente herauszufinden, das ist wirklich eine der Aufgaben des Projekts.

Au?erdem ?bernehmen die Sch?lerInnen nat?rlich ganz gro?e Verantwortung f?r den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens.

?berhaupt ist das ganze Projekt ein Lernprozess. Die Sch?lerInnen haben ja gewisse Verhaltensregeln nie gelernt. Woher denn auch? Deshalb ?be ich das mit denen, zum Beispiel telefonieren mit wichtigen Pers?nlichkeiten, oder auch: Wie gehe ich mit Kunden um?

Die Aufgaben, die die Sch?lerInnen in der Sch?lerfirma durchf?hren ? das kann der Unterricht nie erf?llen. Das ist eine der zentralen Botschaften. Die ganze Kommunikation zum Beispiel, wo l?uft die so im Unterricht? Das ist alles wichtiges R?stzeug f?r den Beruf.

Welche Rolle nehmen Sie bei den Entrepreneurship Education-Projekten ein?

Das ist eine Coach-Funktion. Dieses Coaching muss laufen und zwar mit einer gewissen Distanz. Das hei?t, die Sch?lerInnen m?ssen Entscheidungen selber treffen. Auch in Situationen, wo ich als Lehrerin eventuell Fehler vorhersehe, muss man die Sch?lerInnen einfach mal laufen lassen.

Wo nehmen Sie die Motivation her?

Mein "Benefit" an dem Ganzen ist eigentlich, dass ich als Lehrerin die Sch?lerInnen wirklich auf den richtigen Weg f?hren kann, gerade in Sachen Talentf?rderung. Mehr nicht.

Ich bin auch nie auf der B?hne, ich m?chte das auch gar nicht. Ich m?chte ?berhaupt nicht im Vordergrund stehen. Das ist nicht meine Motivation, sondern die Motivation ist wirklich, jungen Leuten auf den Weg zu helfen. Abgesehen davon macht es einfach Spa?, mit denen zu arbeiten.

Gibt es "Erfolgsgeschichten" von ehemaligen Sch?lerInnen?

Auf jeden Fall! Ich habe einen ehemaligen Sch?ler, der schon 2009 eine Firma gegr?ndet hat, die es auch immer noch gibt. Der studiert und arbeitet parallel als Werkstudent bei einem Automobilhersteller. Ein anderer Sch?ler ist jetzt zum Studium in Singapur, eine ehemalige Sch?lerin arbeitet bei einem gro?en amerikanischen Internet-Unternehmen...

Wenn Sch?lerInnen Verantwortung ?bernehmen in der Firma, in einer leitenden Funktion, dann schreibe ich diesen Sch?lerInnen auch zum Beispiel Empfehlungsschreiben f?r Stiftungen. Und alle Sch?lerInnen die sich bislang beworben haben, etwa bei der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Friedrich-Ebert-Stiftung, haben auch ein Studien-Stipendium bekommen. Das ist nat?rlich ein toller Erfolg, f?r den die Sch?lerInnen auch immer sehr dankbar sind.

W?rden Sie die Arbeit mit Entrepreneurship Education-Projekten grunds?tzlich empfehlen?

Na klar! Ich sehe es vor allem als einen gro?en Gewinn, dass hier das Arbeiten mit den Sch?lerInnen auf Augenh?he geschieht. Die Lehrerrolle tritt in den Hintergrund, man arbeitet mehr als Coach. Das ist eine ganz neue Erfahrung, sowohl f?r mich als Lehrerin als auch f?r die Sch?lerInnen.

Die Hauptmotivation ist f?r mich, dass es den Sch?lerInnen Spa? macht."

Paul Rauh ist Lehrer an der Internatsschule Schloss Hansenberg und f?hrt seit 1995 Entrepreneurship-Education-Projekte durch.

Herr Rauh, wie kamen Sie zur schulischen Entrepreneurship Education?

Vor der Schule war ich drei Jahre im Au?endienst im Verkauf, dann sieben Jahre im Pharma-Marketing. Zu den Wettbewerben kam ich in meinem zweiten Jahr an der Schule. Da kamen ein paar Jungs auf mich zu: Sie br?uchten einen Coach. Da habe ich ?berhaupt noch nicht verstanden, worum es ging. Ich sagte "Okay, wenn ihr jemanden braucht, geht klar!".

Und das hat sich dann so positiv entwickelt. Das waren tolle Jungs und das Team hat damals bei dem Vorl?ufer vom Deutschen Gr?nderpreis den 2. Platz geschafft. Das war total motivierend. Seitdem bin ich dabei. Und dann an der Internatsschule Hansenberg haben wir bei business@school gleich mit einem tollen Team den ersten Platz in Europa gemacht. Die Idee, die das Team damals hatte ? ein Hunde- und Katzen-Suchhalsband, das hie? Pet-Search, also Lieblingstiersuche. Das Haustierhalsband gibt den Standort sofort durch. Mit GPS-Technik finden Herrchen und Frauchen ihre ausgeb?chsten Lieblinge wieder. Das gibt es jetzt wirklich zu kaufen!

Letztes Jahr hatte das Team Parkolution bei Jugend gr?ndet eine sehr gute Idee. Die hatten beobachtet, dass LKWs bis auf die Autobahn hinaus parken und haben dann gesagt "Mensch, es m?sste doch eigentlich eine M?glichkeit geben?", und haben ein LKW-Parkplatz-Reservierungssystem entwickelt und fast bis zur Produktreife ausgearbeitet.

Dieses Jahr haben wir auch wieder einige sehr interessante Ideen. Ein Jugend-gr?ndet-Team m?chte die Schallwellen von Autobahnen oder Bahntrassen in elektrische Energie umwandeln. Das Team Nextar bei business@school hatte ein innovatives, mobiles Datentransferger?t entwickelt, genannt "Das dING!" und den Bundesinnovationspreis von BCG und Dt. B?rse AG daf?r erhalten.

Sie haben ja ein ganz besonderes Entrepreneurship-Education-Konzept an Ihrer Schule. Wie kann man sich das vorstellen?

Das ist alles eingebaut in ein systematisch gestuftes Gesamtkonzept "Wirtschaftswettbewerbe und Berufs- und Studienorientierung". Wir beginnen in der 10. Klasse mit einer Wirtschaftswoche, intensiv mit externen Trainern, mit zwei Systemplanspielen zur Wirtschaft und Politik eines Landes bzw. Betriebes. So lernen alle in eigenverantwortlichen Teams die Grundlagen der VWL oder BWL kennen. Ausgew?hlte Wettbewerbe, die nach meinen Erfahrungen sehr gut passen f?r die Einf?hrungsstufe, sind zum Beispiel Jugend gr?ndet oder JUNIOR. Mein Kollege macht dann noch das Planspiel B?rse von den Sparkassen.

In der 11. Klasse geht es ran an die schwierigeren Wettbewerbe ? da gehen wir prim?r zu business@ school. Das zweite Projekt ist dann wieder Jugend gr?ndet, f?r Leute, die das gerne nochmal machen wollen. Das dritte Projekt ist der Deutsche Gr?nderpreis f?r Sch?ler, ein Businessplan-Wettbewerb mit hohem Niveau gegliedert in neun Aufgaben. In der 12. Klasse konzentrieren sich fast alle auf das Abitur. Aber mit meinem Kollegen zusammen bieten wir z. B. einen Wettbewerb zur Geldpolitik der Europ?ischen Zentralbank an: Generation ?uro.

Was macht vermutlich den Schl?ssel zu Ihren Erfolgen aus? 

Ich denke, der Schl?ssel des Erfolgs bei diesen verschiedenen Aktivit?ten liegt darin, dass die Sch?lerInnen bei dem einen Projekt zum Beispiel Wissen zu BWL oder VWL erwerben, und dann beim n?chsten Mal zum Beispiel bei Jugend gr?ndet schon richtig gut sind, weil sie wissen, worauf es ankommt. So ist dieser systematisch gestufte, aber flexible Aufbau strategisch sehr hilfreich f?r gezielten Aufbau von Soft Skills plus der "Hardware" ? Wissen und F?higkeiten.

Was zeichnet Ihrer Meinung nach schulische Entrepreneurship-Education-Projekte aus?

Das Ziel ist es, dass die Sch?lerInnen die eigene Verantwortung f?r ihr Projekt haben. Das ist kein Unterricht, sondern eine freiwillige (!) Arbeitsgemeinschaft ? das ist f?r mich sehr wichtig. Dann gibt es eine Art Mentoren-System mit Unternehmenscoaches, also ExpertInnen aus Unternehmen, die die Sch?lerInnen extern betreuen. Zus?tzlich nutzen wir die Erfahrung der ?lteren Sch?lerjahrg?nge als "Senior-Coaches", das ist sehr, sehr hilfreich, und direkt von Sch?ler zu Sch?ler! Es gibt nichts Besseres.

Was ist Ihre pers?nliche Motivation, diese verschiedenen Wettbewerbe an Ihrer Schule anzubieten?

Ich glaube, wenn Sie die Sch?lerInnen fragen, die w?rden sagen, "Der macht das gerne, weil es ihm Freude bringt. Und weil wir bei den Finals und Zwischenfinals die anderen Sch?lerteams treffen". Es wird auch meistens ein sch?nes Rahmenprogramm geboten. Die Hauptmotivation ist f?r mich, dass es den Sch?lerInnen Spa? macht. Und wenn es denen Spa? macht, und wenn sie mitziehen, ziehe ich auch mit. Ich habe keine Angst vor Arbeit. Es war auch eine Motivation, als die Sch?lerInnen an meiner alten Schule "Hey Coach" sagten ? das fand ich irgendwie cool. Man ist dann eher so der "Lehrerfreund", also nicht der autorit?re Lehrer, sondern das ist dann eine halbe Ebene drunter.

Was raten Sie Ihren Sch?lerInnen? "Macht bei diesen Wettbewerben mit, weil?"

Das macht in jedem Fall immer Freude, weil man wahnsinnig viel lernt: ?ber sich selbst, ?ber die anderen durch die Teamarbeit, auch ?ber seine eigenen Schwierig- keiten und St?rken, und auch die Schwierigkeiten und St?rken der anderen. Es macht halt Spa?, im Wettbewerb mit anderen zu sehen: Was k?nnen wir besser? Was kann ich von denen lernen? Was will ich mal probieren? Die Sch?lerInnen lernen auch fachlich sehr viel. Vor allem durch diesen vernetzten, systematisch aufbauenden, projektorientierten Ansatz entsteht nachhaltig viel Potenzial.

Was nehmen Ihre Sch?lerInnen am Ende mit?

Auf jeden Fall die soziale Orientierung, die Soft Skills der Arbeit im Team. Auch die Erkenntnis, dass man Dinge planen muss. Und was ich auch ganz h?ufig h?re: dass sie gelernt haben, eine Pr?sentation aufzubauen, Folien und die Storyline ordentlich zu strukturieren. Also das sind so Dinge, die eigentlich alle mitnehmen. Auch f?r die Abiturpr?fung, sie schneiden im Schnitt eine Note besser in Pr?sentationen ab. Am meisten best?rkt mich der Satz eines Jugend-gr?ndet-Siegers: "Dieser Wettbewerb hat mein Leben ver?ndert! Ich bin jetzt selbst Gr?nder. Es ist viel Arbeit, aber wahnsinnig aufregend!"

Darum bin ich dabei: Ziele, Erfahrungen, Erfolgsfaktoren

  • Sch?lerInnen lernen in eigenverantwortlichen Teams die Grundlagen der VWL und BWL kennen.
  • Externe UnternehmerInnen unterst?tzen sie als Mentoren
  • ?ltere Sch?lerjahrg?nge beraten sie als Senior-Coaches
  • Lehrer-Coach organsiert w?chentliche Meetings mit Erwerb von Fachwissen
  • Es macht den Sch?lerInnen Freude, weil sie sehr selbst?ndig planen und viel lernen
  • Z.B. Projektplanung, Teamarbeit, Pr?sentieren, eigene Schw?chen/ St?rken erkennen
  • Ein flexibles, modulares Konzept wird schrittweise anspruchsvoller und ist nachhaltig.

Mit 'Jugend gr?ndet' hat man einen Werkzeugkasten."

Garry Spanz ist ehemaliger Teilnehmer und Sieger von Jugend gr?ndet. Er hat inzwischen zwei eigene Unternehmen gegr?ndet: Ventureworks und Linksert.

Herr Spanz, wie w?rden Sie sich selbst beschreiben?

Ich pr?sentiere und verkaufe gern. Menschen f?r meine Ideen zu gewinnen mache ich am liebsten. Aber ich bin auch sehr detailbegeistert und liebe Zahlen. Wahrscheinlich einer der Gr?nde, warum ich jetzt Finance studiere. Ich habe gern die Kontrolle ?ber Projekte. Folglich verantworte ich bei Ventureworks das Projektmanagement und Controlling. Bei den Webportalen und Apps, die wir auf den Markt gebracht haben, habe ich nie selbst eine Zeile Code geschrieben. Beide Start-ups, die ich gegr?ndet habe, sind aus dem Bereich IT. Das zeigt, dass man das, was man verkauft, nicht unbedingt selbst bis in das letzte Detail kennen muss. F?r die Programmierung habe ich meine Co-Gr?nder, die darauf spezialisiert sind. Denen habe ich immer vollends vertraut. Und das hat sich bezahlt gemacht.

Im Grunde genommen ? ich habe mich fr?her selbst nicht als Unternehmertyp gesehen. Dass man doch das Selbstvertrauen findet und die Lust und den Mut etwas auszuprobieren, h?ngt bei mir stark mit den Erfahrungen zusammen, die ich bei meiner Teilnahme an Jugend gr?ndet gemacht habe. Auch mein Freundeskreis hatte einen positiven Einfluss auf mich. Wie man sieht, kommt eins zum anderen. Und nun habe ich neben dem Studium schon zwei Firmen gegr?ndet, die beide am Markt erfolgreich sind.

Sie haben gerade Jugend gr?ndet erw?hnt ? welche Rolle hat dieses Programm f?r Ihre sp?teren Unternehmensgr?ndungen gespielt?

Da gibt es mehrere Einfl?sse. Der wesentliche war schlussendlich die Reise in das Silicon Valley und der Austausch mit den Gr?nderInnen dort. Das war der Preis, den wir als Gesamtsieger bei Jugend gr?ndet gewonnen hatten. Ich habe gesehen, wie Gr?nden funktioniert. Und ich habe erlebt, dass diese Leute dort extrem viel Spa? haben an dem was sie machen und wie sie leben. Das war ein gro?er Kontrast zu einem Teil der Praktikumserfahrungen, die ich gemacht habe, wo die Lust am Arbeiten in den Unternehmen nicht so ausgepr?gt war. Die Gr?nderInnen, die ich in den USA kennengelernt habe, hatten meist den Ansatz: ?Ja, wir starten etwas. Wir haben Lust einfach was zu probieren.? Und aus dem kleinen Ansatz ist dann etwas richtig Gro?es geworden. Der Mut, sich hinzusetzen und sich ?berhaupt einmal Gedanken zu machen, reicht wahrscheinlich schon aus, um am Ende dann mit einem Unternehmen dazustehen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Best?tigung, die man durch Jugend gr?ndet erf?hrt. Wenn man sich lange Zeit mit einer Idee auseinandersetzt, sie ausarbeitet, sie vorstellt und dann daf?r pr?miert wird. ExpertInnen aus der Wirtschaft sagen einem: ?Ja, Euer Konzept kann funktionieren.? Ich sehe es seitdem so: Eigentlich muss man nur ein Problem erkennen, das kein anderer im Moment l?st. Man muss die Antwort nicht selbst haben. Man l?uft einfach los und holt sich die Leute, die es l?sen k?nnen.

Jugend gr?ndet hat auch mit dazu beigetragen, dass ich ?berhaupt angefangen habe, BWL zu studieren. Urspr?nglich war ich gespalten zwischen Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Das war bei mir bis zwei Jahre vor dem Abitur so. In der zw?lften Klasse habe ich dann an Jugend gr?ndet teilgenommen und auch noch am Wettbewerb Jugend und Wirtschaft von der FAZ. Da beide Wettbewerbe erfolgreich ausgegangen sind und mir die Wirtschaftsthemen viel Spa? gemacht haben, dachte ich mir: ?Wieso nicht auch gleich studieren??

W?rden Sie sagen, dass Sie durch die Teilnahme an Jugend gr?ndet neue Seiten oder Talente an sich entdeckt haben?

Es war f?r mich eine komplett neue Erfahrung. Weil es eine einj?hrige Projektarbeit war, in einem sehr intensiven Ma? und in enger Teamarbeit. Wir waren damals vier Leute im Team. Ich kann mich daran erinnern, dass wir viele Stunden zusammen verbracht haben. Der Wettbewerb ist in mehrere Phasen eingeteilt. Mit gewissen Deadlines. Man erarbeitet einen Businessplan, verfasst Konzepte, kalkuliert alles durch und erstellt eine Pr?sentation.

Schlussendlich haben sich meine Unternehmensgr?ndungen nicht entscheidend von diesem Ansatz unterschieden. Das hei?t, man startet, indem man sich trifft und ?berlegt, was die Ziele sind. Dann setzt man sich viele Wochen sehr intensiv im Team hin und arbeitet Businesspl?ne und Konzepte aus, rechnet alles durch, macht Machbarkeitsanalysen.

Die Erfahrung bei Jugend gr?ndet ist sehr realit?tsnah. Mit Jugend gr?ndet hat man einen Werkzeugkasten, auf den man zur?ckgreifen kann, wenn die geeignete Idee und der richtige Zeitpunkt f?r deren Umsetzung da ist.

Haben Sie durch die Teilnahme an Jugend gr?ndet neue Kompetenzen entwickelt?

Ja, mehrere. Die eine ist das Business-Modeling. Das wird in der Schule sonst nicht gelehrt. Hier geht es um Fragen wie: Wie gehe ich an das Problem heran? Welche Aspekte muss ich bedenken? Wie kann man es strukturieren?

Welche Methoden gibt es daf?r?

Wir haben auch unterschiedliche Brainstorming-Techniken ausprobiert, zu denen uns unser Lehrer-Coach Herr Rauh damals ermuntert hatte. Das waren tolle Techniken, die wende ich nach wie vor an. Dar?ber hinaus die Teamkompetenz. ?ber einen langen Zeitraum an einer komplexen Aufgabe in der Gruppe arbeitsteilig zu arbeiten. Das war etwas, was ich in dem Ausma? im Schulunterricht nicht erlebt hatte.

In der sp?teren Phase des Wettbewerbs kamen Themen wie zum Beispiel Finanzplanung hinzu. Durch das BWL-Studium kenne ich inzwischen weitreichendere Methoden. Aber wenn ich damals direkt aus der Schule heraus h?tte gr?nden wollen, h?tte mir das geholfen.

Und am Ende des Wettbewerbs, die Pr?sentationen vor der Jury. Jugend gr?ndet ist wie eine Messe konzipiert. Man hat dann schlussendlich einen Stand, wo man seine Unternehmensidee darstellen muss. Dadurch entwickelt man Pr?sentations- und Verkaufskompetenz.

W?rden Sie Sch?lerInnen empfehlen, an Entrepreneurship-Education-Projekten teilzunehmen?

Sofort. Man lernt dort weitaus mehr, als man in der gleichen Zeit im Unterricht lernen kann. Ich w?rde es aufgrund der sehr praxisnahen ?Hands-on-Experience? empfehlen. Es ist halt ein ganz anderes Setting, als in der Klasse zu sitzen. Man lernt dabei sehr viel und kommt in Ber?hrung mit Unternehmen. Wir haben damals bei Jugend gr?ndet eine Idee im Energiesektor entwickelt und ?ber die haben wir mit Experten aus Energieunternehmen geredet. Das hat mir auch ein bisschen beigebracht, wie man kommunizieren muss: Wie schreibt man eine anst?ndige E-Mail? Wie schreibt man einen anst?ndigen Brief? Was muss man tun, um eine Antwort zu bekommen? Das sind alles sehr praxisnahe Kompetenzen und die waren am Ende Gold wert. Ebenso wie die Bindung unter den ehemaligen Jugend-gr?ndet-Teilnehmern ? das ist wie eine Alumni-Gemeinschaft.

Die Teilnahme erfordert aber auch Zeit, die man mitbringen k?nnen muss. Wenn jemand gr??ere Probleme mit der Leistung in der Schule hat, dann kann so ein Wettbewerb kontraproduktiv sein. Weil man eventuell so viel Spa? dran hat, dass man dann komplett die Schule vernachl?ssigt.

Man braucht in einem Team unterschiedliche Leute, die verschiedene Dinge gut k?nnen."

Vivien Eller, Oberstufensch?lerin an der Internatsschule Schloss Hansenberg, ist Teamsprecherin von Team Nextar. Das Team belegte den zweiten Platz im Gesamtwettbewerb des 16. Projektjahres bei business@school, der Bildungsinitiative von The Boston Consulting Group, und war au?erdem Gewinner des business@school-Innovationspreises der Deutschen B?rse.

Welche Aufgaben musstet ihr bei business@school l?sen?

business@school l?uft ein ganzes Jahr und teilt sich in drei Phasen auf. In der ersten Phase analysiert man ein DAX-Unternehmen. In der zweiten Phase schaut man sich ein Unternehmen aus dem regionalen Umfeld an. Und in der dritten Phase arbeitet man an seiner eigenen Gesch?ftsidee. Man schreibt dann auch einen Businessplan, der alles umfasst, sowohl die Finanzen als auch das Marketing sowie die Umsetzung des fiktiven Produktes. Es geht auch darum, Kontakt mit Leuten aus der "realen" Wirtschaft zu kn?pfen. Man trifft sich zum Beispiel mit einer Bank und beredet, wie man sein Konzept finanzieren k?nnte. Der Wettbewerb ist sehr realit?tsnah.

Wie seid ihr auf eure Produktidee gekommen?

Die Idee kam uns im Alltag. Ich habe schon bei "Jugend gr?ndet" die Erfahrung gemacht, dass man die Idee meistens bekommt, wenn man gar nicht aktiv nach ihr sucht. Wir stie?en im Schulalltag auf ein Problem, f?r das wir uns eine L?sung einfallen lassen haben. Die Lehrer wollten Dateien von uns. Wir hatten alle USB-Sticks, aber keiner einen PC griffbereit. Den h?tten wir aber ben?tigt, um die Dateien auszutauschen ? es ging also nicht. Unser Produkt "Das dING!" ?bertr?gt Dateien direkt zwischen Wechselspeichermedien. Es ist sehr klein und passt in jede Hosentasche. Im Unterschied zu anderen Methoden wird nichts zwischengespeichert.

Ihr habt an eurer Produktidee weitestgehend eigenst?ndig gearbeitet?

Genau. Herr Rauh, unser Lehrercoach, bietet f?r alle Wirtschaftswettbewerbe hier an der Schule immer samstags Vorlesungen an ? er berichtet zum Beispiel eine Stunde ?ber Zahlen oder ?ber Megatrends der Zukunft. Danach haben wir uns manchmal noch mit ihm unterhalten. Grunds?tzlich haben wir aber eigenst?ndig gearbeitet. Bei der Erstellung der Abschlusspr?sentation hat er uns mit seinen Tipps und Tricks unterst?tzt. Wir hatten Kontakt zu zwei Sch?lern bei uns auf dem Internat, die im letzten Jahr bei business@school mitgemacht hatten. Die waren immer dabei, wenn wir uns mit Herrn Rauh oder einem Coach getroffen haben.

Das Besondere bei business@school ist, dass man als Team f?r das gesamte Schuljahr eine Person aus einem Unternehmen als Coach gestellt bekommt. Dar?ber hinaus haben wir eine gro?e Anzahl an weiteren Kontakten gekn?pft, beispielsweise zu einem Business Angel. Diese Kontakte haben wir bekommen, indem wir wirklich viel telefoniert haben, E-Mails geschrieben haben. Herr Rauh hat sich da auch immer mit drum bem?ht.

Wie waren die Treffen mit den Coaches?

Das war eine ziemlich schwierige Sache. Also eigentlich am Ende das Schwierigste. Ein Treffen hat immer viel Nachbesprechungszeit gebraucht. Weil man ganz viele Meinungen ? oft sehr unterschiedliche Meinungen ? zu einem Thema h?rt. Es war Teamaufgabe, zwischen den unterschiedlichen Meinungen abzuw?gen und basierend darauf die f?r uns richtige L?sung zu entwickeln. Die Coaches haben uns auch Bereiche benannt, in denen wir aus ihrer Sicht etwas verbessern k?nnten. Nach solchen Treffen haben wir auch immer noch einmal als Gruppe ?berlegt, ob aus unserer Sicht da wirklich noch etwas anzupassen ist.

Wie war es bei euch im Team ? wie war die Zusammenarbeit?

Dadurch, dass wir auf einem Internat sind, kannten wir uns alle schon ziemlich gut. Teilweise haben wir auch schon letztes Jahr zusammen bei Jugend gr?ndet mitgemacht und wussten daher voneinander, wie der andere arbeitet. Wir hatten deswegen keine wirkliche Teamfindungsphase. Wir haben Bereiche aufgeteilt, wer sich um was k?mmert. Die haben wir alle drei Phasen lang beibehalten. Der Finanzmensch hat sich um die Zahlen gek?mmert, derjenige, der sich um die Wertsch?pfungskette k?mmert, hat sich meistens darum gek?mmert, und ich habe mich auf die Organisation des Teams und das Marketing konzentriert. Somit waren wir am Ende alle gut in unseren Rollen drin. Jeder wusste, was f?r seinen Bereich am besten ist und was noch optimiert werden kann. Aber die Entscheidung, ob und wie wir es dann tats?chlich machen, die haben wir alle zusammen getroffen. Bei meiner Rolle als Gesch?ftsf?hrerin und Teamsprecherin ging es mehr darum zu sagen, "jetzt treffen wir uns" und "jetzt m?ssen wir X besprechen". Wir haben immer alle ?ber die Sachen von den anderen dr?ber geschaut ? aber nicht von wegen "wir m?ssen schauen, ob es denn wirklich gut gemacht ist" ? aber so, dass wir alle einen Einblick in alles hatten. Weil mich nat?rlich nicht nur das Marketing interessiert, sondern alle Aspekte.

Seid ihr im Verlauf des Projektes auf Schwierigkeiten gesto?en, f?r die ihr L?sungen finden musstet?

F?r die meisten Teams ist der Zeitdruck das gr??te Problem. Man denkt "wir haben ja noch ein bisschen Zeit". Aber gerade wenn es darum geht, Leute zu treffen und noch Termine zu organisieren, dann reicht es halt nicht, wenn man sich das erst zwei Tage vorher ?berlegt. Das war auch ? wenn es ?berhaupt mal eine Diskussion gab ? der Grund: das Zeitmanagement. Und nat?rlich gibt es auch mal kleinere Probleme wie "die Pr?sentation ist gel?scht" oder man hat vergessen, das Modell zu machen ? solche Sachen. Da haben wir aber k?hlen Kopf bewahrt. Wir haben uns einfach zusammengesetzt und ?berlegt, wie wir das noch schnell l?sen k?nnen. Da haben wir alle gehandelt und nicht nur der, der den Fehler gemacht hat.

Wie war es ?ber das Jahr hinweg mit der Motivation?

Es z?hlt immer das Ziel. Wir alle wollten im Wettbewerb weiterkommen. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen. Weil alle hart daf?r gearbeitet hatten, reichte oft einfaches Erinnern an das Ziel: "Es ist nicht mehr so viel Zeit, wir haben hart gearbeitet und wollen im Wettbewerb weiterkommen". Wir fanden auch alle die Produktidee gut und standen voll dahinter.

Warum hast du dich daf?r entschieden, bei zwei Entrepreneurship-Education-Projekten mitzumachen?

Bei Jugend gr?ndet war es noch so, dass ich es einfach mal kennenlernen wollte und was Neues lernen wollte, was man sonst nicht in der Schule lernt und wo man einfach irgendwie mehr sp?rt, was man vielleicht sp?ter mal arbeiten k?nnte. "Wie sieht es denn in der wirklichen Arbeitswelt aus?". Das Andere ist, dass ich immer schon von Selbstst?ndigen ziemlich begeistert war und ich mir das auch f?r mich selbst wirklich gut vorstellen k?nnte. Man lernt in diesen Wettbewerben unheimlich viel dar?ber ? und man kann sich dann auch einsch?tzen. ?Brauch ich da vielleicht noch einen Finanzmensch, weil ich das doch noch nicht alleine kann??. Man merkt, was seine St?rken sind und was noch nicht. F?r mich ist business@school auch ein Ausgleich zur Schule. Es macht viel Arbeit, aber es macht auch einfach Spa?. Es ist so f?r mich zu einem Hobby geworden.

Hast du dich durch die Teilnahme pers?nlich weiterentwickelt?

Ja, vor allem in Bezug auf Organisation und Zeitmanagement habe ich viel gelernt. Aber auch mich zu trauen, Leute aus der Wirtschaft einfach anzusprechen, auf sie zuzugehen und nicht zu denken "Ich bin doch nur eine Sch?lerin". Und auch mit dem Team umzugehen, sie immer wieder zu begeistern oder zu akzeptieren, wenn jemand eine andere Meinung hat. Auch einfach mal zur?ckzustecken. Aber wir hatten in unserem Team nicht wirklich gro?e Diskussionen, weil wir uns gegenseitig vertraut haben.

Was w?rdest du Sch?lerInnen raten, die dar?ber nachdenken, bei einem Entrepreneurship-Education-Projekt mitzumachen?

Zu schauen, ob man wirklich das richtige Team hat. Nat?rlich kann man sich mit allem arrangieren. Aber wenn man sich zum Beispiel nicht gegenseitig motivieren kann, sollte man sich andere Leute suchen. Man braucht in einem Team auch unterschiedliche Leute, die verschiedene Dinge gut k?nnen. Die Pr?sentationen waren immer das Sch?nste, wenn man dann zeigen kann, was man gemacht hat. Und es macht einfach viel Spa?, im Team etwas zu entwickeln und zusammenzuarbeiten.

Darum bin ich dabei: Ziele, Erfahrungen, Erfolgsfaktoren

  • Bei Jugend gr?ndet wollte ich etwas Neues lernen, was man sonst in der Schule nicht lernt: Wie sieht es denn in der wirklichen Arbeitswelt aus?
  • F?r die meisten Teams ist der Zeitdruck das gr??te Problem.
  • Bei kleineren Problemen (Beispiel: Die Pr?sentation ist gel?scht) haben wir alle gehandelt und nicht nur der, der den Fehler gemacht hat.
  • Es z?hlt immer das Ziel. Wir alle wollten im Wettbewerb weiterkommen.
  • Wenn man sich zum Beispiel nicht motivieren kann, sollte man sich ein anderes Team suchen.

Wir haben eine Marktnische gesehen, die damals existierte und wir haben diese L?cke schnell mit einer einfachen L?sung gef?llt."

Die eigene Idee verwirklichen ? so kann es gehen: Vor ca. f?nf Jahren gr?ndete Sebastian Kie?ling den Firmenverbund um die "Deutschen Technologie Manufakturen" (DTM). Sie stellen Mikrogastrubinen her, mit deren Hilfe aus sogenannten "Hidden Fuels", also Sekund?rbrennstoffen wie beispielsweise Holzresten, Strom hergestellt wird.

Was hat Sie dazu gebracht, Ihre Idee im Rahmen einer Gr?ndung zu verfolgen?

Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen an der Brandenburgischen Technischen Universit?t (BTU) in Cottbus studiert. W?hrend meiner Studienzeit hatte ich schon viel mit Turbinen zu tun und in dem Bereich auch Projektarbeiten gemacht. Dann gab es 2010 ein Projekt an der BTU Cottbus, in dem gemeinsam mit der Firma Bilfinger eine 100 kW Mikrogasturbine entwickelt wurde. Ich war direkt an die Projektleitung angebunden. Die Themen Mikrogasturbinen und Kleinenergie haben mir so gut gefallen, dass ich gemeinsam mit Herrn Professor Dr.-Ing. Heinz Peter Berg von der BTU aus der Uni heraus eine Firma gegr?ndet habe. F?r unser Gesch?ftskonzept im Bereich Mikrogasturbinen eine Entwicklungsfirma auszugr?nden, habe ich dann auch den Roland-Berger-Gr?nderpreis bekommen.

Ist der Gr?ndungsgedanke tats?chlich erst w?hrend des Studiums entstanden oder haben Sie vorher schon daran gedacht, dass das eine Option w?re, statt einen klassischen Weg zu beschreiten und beispielsweise als Ingenieur bei Siemens einzusteigen?

Als ich meine erste Firma gegr?ndet habe war ich noch nicht einmal vollj?hrig. Mit Freunden zusammen und mit Hilfe unserer Eltern haben wir damals einen Hardwareversand aufgezogen. Wir haben als Einkaufsgemeinschaft agiert und Konfektionierung f?r spezielle Computersysteme betrieben. So haben wir m?glichst viele Bedarfe geb?ndelt und dann bei Gro?h?ndlern bedarfsgerecht eingekauft. Einen Teil der Preisvorteile haben wir an die Kunden weitergegeben. Das ist jetzt schon ?ber 15 Jahre her. Damals ging das noch ? heute ist das nicht mehr m?glich, da alles ?ber das Internet l?uft.

Kann man sagen, Sie waren Computerbastler und wollten billig an die Hardware kommen?

Ja, das war ein Grund ? wir haben nat?rlich selber auch davon profitiert. Aber das Unternehmerische stand schon im Vordergrund, wir hatten eine ganz klare Gewinnabsicht. Wir haben eine Marktnische gesehen, die damals existierte und wir haben diese L?cke schnell mit einer einfachen L?sung gef?llt. Sie hat sich dann relativ bald geschlossen, das war jedoch nicht schlimm. Es war ja unser erster Versuch und wir sind durchaus mit Gewinn aus der Unternehmung rausgegangen.

Und genauso machen wir es heute auch. Im Endeffekt habe ich den Grundansatz in die neue Firma ?bertragen. Wir k?nnen einen L?sungsweg zur Verf?gung stellen: Eine spezifische Energiewandlung in einem gewissen Leistungsbereich unter Nutzung eines attraktiven Kraftstoffportfolios. Mit dem somit erstellten System bedienen wir wirtschaftlich attraktive Marktl?cken.

Herr Kie?ling, was genau ist Ihr Produkt?

Wir sind im Bereich Kleingasturbinen t?tig. Angefangen haben wir mit einzelnen Brennern oder auch nur Berechnungen und Auslegungen, und sind dann immer weitergegangen: Z?ndsysteme, komplette Brennkammern, Entwicklung von kompletten Pr?fst?nden. Wir sind immer weiter im System gewachsen, so dass wir mittlerweile eine extern befeuerte Mikrogasturbine anbieten. Mit unserer Technik lassen sich insbesondere Brennstoffe nutzen, die durch "normale" Mikrogasturbinen nicht verbrannt werden k?nnen, da wir anstatt interner Brennkammern externe Feuerungsst?tten nutzen. Wir verbrennen Reststoffe wie zum Beispiel Holz oder Deponiegas vor der Turbine und leiten dann erst das entstandene Hei?gas ?ber einen W?rmetauscher in die Gasturbine ein. Die so erzeugte hei?e Luft wird dann ?ber die Turbine expandiert und erzeugt mittels eines Generators Strom.

Was ist der Vorteil dieser Technologie?

Normalerweise sind Turbinen nur auf fl?ssige oder gasf?rmige Brennstoffe ausgelegt ? genauso wie Motoren. Wenn Sie ein St?ck Holz in die Turbine werfen, passiert nichts. Die Menschheit nutzt schon lange das Feuer, aber es ist keine Intelligenz dahinter. Die Intelligenz besteht darin, h?herwertige Energieformen zu wandeln. W?rme zu erzeugen ist einfach, Stromerzeugung ist aber viel anspruchsvoller, komplexer und effizienter.

Die Grundidee f?r unsere Technologie basiert nicht unbedingt auf der Verwendung in Industrieanwendungen, f?r die wir aktuell mehrheitlich Systeme entwickeln, weil wir mit diesem Bedarf am Anfang gar nicht gerechnet haben. Die erste Idee f?r eine Anwendung war der Katastrophenfall. Wir haben uns gedacht: Es gibt eine Flut oder ein Erdbeben und die Infrastruktur ist danach meistens zerst?rt. Stra?en sind besch?digt. Strom-, W?rme- und Wassernetze sind kaputt. Es gibt nicht genug Kraftstoffe, weder Gas noch Diesel. Aber es gibt viele ?berlebende, es gibt Verletzte, die irgendwie versorgt werden m?ssen und die Leute m?ssen sich vor Ort helfen k?nnen. Wir haben ein System entwickelt, das im Container per Hubschrauber transportierbar ist und vor Ort abgesetzt werden kann. Die Leute k?nnen die Biomasse nutzen, die vorhanden ist ? zerst?rte H?user, B?ume, Erntereste, um das System zu betreiben und im Inselbetrieb zumindest Notunterk?nfte oder ein Hospital mit Strom und W?rme versorgen. Diese Modularisierung mit dem Ziel, ohne aufw?ndige Aufbauarbeiten direkt helfen zu k?nnen: Das war der Ansatzpunkt. Erst im Nachhinein ist uns klar geworden, dass sowohl im Industriebereich als auch bei Deponien mit Schwachgasen ein riesiger Bedarf besteht.