Entrepreneurship Education einmal ganz praktisch, lebensnah, begeisternd! Ein Leitfaden f?r Interessierte, Einsteiger und Fortgeschrittene

Entrepreneurship Education einmal ganz praktisch, lebensnah, begeisternd! Ein Leitfaden f?r Interessierte, Einsteiger und Fortgeschrittene

Ich hatte in meinem jungen Leben zwei Probezeiten. Nummer eins war der Wettbewerb Jugend gr?ndet als Sechzehnj?hriger in der 11. Klasse ? Nummer zwei mein Studium. Und eins ist klar: Die Wettbewerbe haben mein Leben ver?ndert!"

(G. Spanz, Alumnus diverser Wirtschaftswettbewerbe, heute ist er selbst Unternehmer)

Durch die Wirtschaftswoche in der 10. Klasse und den Wettbewerb IW JUNIOR habe ich viele sehr positive Erfahrungen gesammelt, und konnte fr?h einen Einblick in die praktische Wirtschaft erhalten."

(R. Mutius, Abiturient)

Mein Sohn besucht seit acht Monaten die Schule. Im Rahmen dessen habe ich bereits jetzt schon erfahren, dass ihn die Teilnahme an Wettbewerben in ganz besonderer Weise fordert und f?rdert."

(N. Herweg, Mutter)

Diese exemplarischen Statements von Sch?lerInnen und Eltern, liebe Interessierte, Einsteiger oder Fortgeschrittene im Bereich Entrepreneurship Education, m?chten Sie begeistern f?r ein Thema, welches vielleicht auch Ihr Leben ver?ndern wird? Denn wenn das Wettbewerbsfieber Sie erst einmal ergriffen hat, l?sst es Sie wahrscheinlich so schnell nicht mehr los!

Entrepreneurship Education ? was ist das?

Wikipedia f?hrt den Begriff nur in der englischen Version und definiert: "Entrepreneurship education seeks to provide students with the knowledge, skills and motivation to encourage entrepreneurial success in a variety of settings."

Entrepreneurship Education l?sst sich nicht direkt ins Deutsche ?bersetzen und wird h?ufig als "Erziehung zu unternehmerischem Denken und Handeln" umschrieben. Dies verk?rzt die Methode jedoch nur auf ihre ?konomischen Aspekte. Im Sinne meiner Erfahrungen sollte der Begriff weiter gefasst werden, und zwar als schulische Erziehung zu Selbst?ndigkeit, Verantwortung, Kreativit?t, Projektorientierung und Teamarbeit. Ich ?bersetze Entrepreneurship Education daher gerne in Richtung "Anleitung zu sozial verantwortlichem Handeln". Gleichzeitig beinhaltet Entrepreneurship Education die gro?e Chance der ?ffnung der Schule nach au?en.

Sowohl die Europ?ische Kommission als auch die OECD sehen Entrepreneurship Education als Schl?sselprogramm zur Verbesserung schulischer Ausbildung: "Member States should foster entrepreneurial skills through new and creative ways of teaching and learning from primary school onwards... Real world experience, through problem-based learning and enterprise links, should be embedded across all disciplines and tailored to all levels of education. All young people should benefit from at least one practical entrepreneurial experience before leaving compulsory school."

Als Mittel der Entrepreneurship Education dienen im Sinne dieses Leitfadens verschiedene Wettbewerbe und Planspiele, die sowohl innerhalb als auch au?erhalb des Unterrichts eingesetzt werden k?nnen.

Hilft Entrepreneurship Education mir als Lehrkraft?

Wir P?dagogen wissen: Nichts ist anspornender als der Erfolg unserer Sch?lerInnen. Und genau hier hilft der Entrepreneurship Education-Ansatz, durch anwendungsbasiertes Lernen in der Schule ein neues, positives und vor allem motivierendes Klima zu schaffen!

Zugleich dient diese zukunftsorientierte Projektarbeit der Binnendifferenzierung in der Schule: Bislang unterforderte Sch?lerInnen k?nnen sich erproben, andere entdecken neue Talente, Underdogs und Sp?tentwickler k?nnen sich genauso wie Klassenbeste oder Individualisten einbringen.

Eine sich entwickelnde Wettbewerbskultur bewirkt nicht nur eine verst?rkte Vernetzung der Schule im Inneren, sondern auch eine verst?rkte ?ffnung nach au?en. Die Wettbewerbe und Planspiele bieten starke Anreize zu vermehrter Kooperation und Kommunikation mit anderen Fachbereichen und den FachkollegInnen ? denn die Sch?lerInnen arbeiten bei Entrepreneurship Education-Projekten meist arbeitsteilig im Team an L?sungen, die Hintergrundkenntnisse aus verschiedenen Wissensbereichen voraussetzen. Und sogar schul?bergreifend und zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Hochschulen in der Region ergeben sich sehr attraktive Vernetzungs-Perspektiven. Sie werden ?berrascht sein, mit welchem Engagement die ExpertInnen dieser Institutionen die Sch?lerInnen und Sie bei den Projekten unterst?tzen!

Projekt-Partnerschaften mit Nachbarschulen sind aus Wettbewerbsgr?nden nicht bei allen Schulleitungen beliebt. Sie bieten aber neue Chancen f?r Kooperationen zwischen den jeweiligen spezialisierten Leistungsund Profilbereichen der Schulen, die sich idealerweise gut erg?nzen sollten ? zum Nutzen der Sch?lerInnen! Kooperationen mit lokalen Hochschulen bieten ebenfalls Unterst?tzungspotentiale, beispielsweise auf ?konomisch-fachwissenschaftlicher Ebene. Ich arbeite zum Beispiel mit Hochschulen wie der European Business School oder der Hochschule Geisenheim zusammen.

KMU bieten oft kostenfreie Workshops an, zum Beispiel zu Kreativit?tstechniken oder zur wirtschaftlichen Analyse. Stiftungen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung f?hren Workshops zu volkswirtschaftlichen Themen durch. Das RKW Kompetenzzentrum ber?t bei der Planung und Realisierung einer Veranstaltung in der "Gr?nderwoche Deutschland". Banken beraten Wettbewerbsteams bei der Erstellung eines Businessplans bei kniffligen Fragen zur Finanzierung. Auch die Kammern stehen Sch?lerInnen mit Ihrem Expertenwissen sehr hilfreich zur Seite.

Etwas ist spannend zu beobachten: Die Projekt-Zusammenarbeit mit den FachkollegInnen verhilft zu einem verbesserten Schul-Spirit, und dies geschieht v?llig nat?rlich durch die projektzentrierte Kommunikation und Kooperation. Und auch die Teamkompetenz der Sch?lerInnen steigt, denn Sie beobachten genau, wie Lehrkr?fte mit Unternehmens- oder Hochschul- ExpertInnen kooperieren.

Wie kann man einsteigen?

Es gibt sehr viele gut geeignete Wettbewerbe und Planspiele. Anmelden kann man sich problemlos ?bers Internet. Einen ?berblick ?ber geeignete Wettbewerbe k?nnen Sie dem entsprechenden pdf-Dokument des Leitfadens entnehmen. Alle Wettbewerbe haben informative Homepages und liefern gute Informationen und Materialien.

Das Sch?lerfirmenprogramm IW JUNIOR zum Beispiel kann als eher praktisch orientierter Wettbewerb mit den drei Unterprogrammen Basic, Advanced und Expert schon ab der 5. Klasse eingesetzt werden. Jugend gr?ndet ist f?r Sch?lerInnen der 9. bis 11. Klasse geeignet. IW JUNIOR und Jugend gr?ndet dauern ein Jahr, sind klar untergliedert und spiegeln Etappen "realer" Gr?ndungen wider. Die Zwischenfinale der beiden Wettbewerbe bieten Coaching, Beratung und Kontakte, vor allem aber Motivation und Erfahrungen. Die sehr erlebnisreichen Final-Runden bieten den Sch?lerInnen Pr?sentations-, Kommunikations- und Wettbewerbs-Erfahrung auf h?chstem Niveau.

Ein sehr anspruchsvolles Wirtschaftsprojekt f?r Sekundarstufe II ist business@school, die Bildungsinitiative der Boston Consulting Group. In drei Phasen werden jeweils gro?e Unternehmen, kleine lokale Firmen und eine eigene Unternehmensidee untersucht. Die vierbis sechsk?pfigen Sch?lerteams werden dabei von professionellen Betreuern aus der Wirtschaft individuell gecoacht ? ein ganz besonders intensives Projekterleben.

Mein Tipp: Suchen Sie sich ein bis zwei KollegInnen und eine Klasse oder Gruppe motivierter Sch?lerInnen ? und probieren Sie es einfach von unteren Klassen aufbauend einmal aus! Nach einem Jahr Projekterfahrung kann man dann systematisch die Erkenntnisse reflektieren und bei der erneuten Teilnahme mit einem weiteren Sch?lerjahrgang einflie?en lassen. Hat man einmal eine Jahresrunde geschafft, ist es sehr hilfreich, wenn die Vorjahresteams als "Sch?ler-Senioren" in eine neue Rolle schl?pfen: Nun k?nnen sie "ihre Teams" coachen ? mit entsprechenden Vorteilen! Auch Kreativit?ts- und Pr?sentations-Trainings k?nnen sp?ter durch Senioren geleitet werden. Das entlastet die Lehrkraft und wir k?nnen uns auf die Projektsteuerung und Rolle als "Coach" konzentrieren.

Wie ist die neue Lehrerrolle?

Durch den Lehrer-Coach oder externe ExpertInnen wird im Jahresverlauf das notwendige Wirtschaftswissen vermittelt, ganz klassisch im Unterricht oder in w?chentlichen, 90min?tigen Meetings auf freiwilliger Basis. Materialien dazu bieten fast alle Wettbewerbe an.

Die Aufgabe des Lehrers als Coach definiert sich in diesen Projekten im Vergleich zum "klassischen Unterricht" ganz anders: Nicht als Anleiter, Gestalter oder Vermittler von Wissen im Auftrag der Lehrpl?ne des Landes ? sondern als Coach, der wichtiges, ben?tigtes Wissen strukturiert anbietet. Ein gro?er Unterschied ? Sie werden es f?r sich selbst bemerken und wahrscheinlich auch in Ihrem Unterricht positive Ver?nderungen sp?ren.

Spannend wird es besonders bei teaminternen Schwierigkeiten, dann bin ich zum Beispiel als "Psycho-Coach" oder "Mental-Trainer" gefragt, oder auch als Begleiter im eigenverantwortlichen Prozess der Team- und Produktidee-Findung, als Vermittler von externen Kontakten, oder zentral als "Motivator in H?ngephasen". Die Lehrkraft wird hier zum Berater, Trainer, Coach ? also zum weniger autorit?r erlebten "Lehrer-Freund".

Wie unterst?tzen Eltern und Unternehmenspaten?

Eltern werden in diesen Projekten zum Berater, Betreuer, Unternehmenspaten, Partner. Wichtig ist zum Beispiel eine gute Kommunikation mit und Information f?r die Eltern. Die Erziehungsberechtigten werden regelm??ig per Mail informiert, der Projekt-Coach pr?sentiert mindestens einmal im Jahr beim Schulelternbeirat die Erfahrungen, Ergebnisse, Feedbacks. Denn auch die Eltern werden von den Sch?lerInnen anders wahrgenommen, sie werden durch die eigenverantwortliche, freie Projektarbeit gerne als Unternehmenspaten der Teams genutzt. Eigene Erfahrungen der Sch?lerInnen werden mit den Berufserfahrungen der Eltern verglichen und es entsteht eine neue Kommunikation. Eltern werden als gleichwertige Partner ganz neu erlebt.

Herausragende Bedeutung bei den Jahresprojekten haben die von den Sch?lerInnen selbst gew?hlten Unternehmenspaten als Coaches. Viele dieser Paten begegnen den Sch?lerInnen unverkrampft, werden als "Helden, Vorbild, Berater, Trainer-" erlebt. Sie k?nnen die Sch?lerInnen ganz anders, direkter, als externe "Autorit?t" begleiten und beraten. Entlastend und ?berraschend f?r Lehrkr?fte und Sch?lerInnen ist, dass oft die Trainer auch nicht alles wissen. Aber sie bilden eine menschliche, feste Br?cke zur Wirtschafts- und Arbeitswelt ? zentral f?r die neue Motivation in der Entrepreneurship Education.

Wie baue ich die Wettbewerbe konkret und m?glichst systematisch auf?

Die Basis ist weiterhin der Unterricht im Fach Politik, Wirtschaft und/ oder angrenzender F?cher. Hilfreich ist die Institutionalisierung einer j?hrlichen "Wirtschaftswoche", zum Beispiel ab Klasse 9 oder 10 mit den Systemplanspielen ?KOWI und WIWAG. Sie werden zum Teil von den L?ndern im Rahmen der politisch-?konomischen Bildung angeboten und f?hren im Konzept eines selbst?ndigen, computerbasierten Lernens systematisch in Grundlagen der Wirtschaft und Politik ein. Fragen Sie bei den jeweiligen Landeszentralen nach. Vielleicht m?chten Sie die Projektarbeit in den Systemplanspielen erg?nzen durch externe Fachvortr?ge von Unternehmen oder Hochschulen der Region? Das kommt besonders gut bei Sch?lerInnen an und hilft bei der fachlichen Vertiefung einzelner Themen!

In unserem BIRCH-Konzept bauen wir die Kenntnisse und F?higkeiten der Sch?lerInnen spiralcurricular ab Klasse 10 in Stufen systematisch auf. Wir beginnen mit Jugend gr?ndet oder IW JUNIOR in der 10. Klasse und nutzen dann in der 11. Klasse den Wettbewerb Deutscher Gr?nderpreis f?r Sch?ler oder das Jahresprojekt business@school.

Beim Deutschen Gr?nderpreis f?r Sch?ler werden in einem neunstufigen Aufbau den Sch?lerteams per Mail neun Aufgaben gesendet, die strukturiert durch alle Stufen einer professionellen Business-Plan-Entwicklung f?hren. Im Ergebnis haben die Teams im Laufe des Jahres-Projekts eine eigene Businessidee entwickelt und dazu einen recht genauen Businessplan mit Marktrecherche, externer Pr?sentation und Feedback (s. oben). Diese Module bauen zum Teil sehr stark auf Kooperation mit den MINT-Kollegen der Schule auf, denn h?ufig werden neue, technisch anspruchsvolle Ideen "erfunden", die der Beratung durch die FachkollegInnen und der Unterst?tzung der lokalen Unternehmen und Hochschulen bed?rfen. Versuchen Sie es, Sie werden besonders extern schnell MitstreiterInnen finden!

Was ist das Ergebnis? Ist das Modell ?bertragbar? Und was habe ich davon?

Im Ergebnis kann man feststellen, dass Planspiele und Wettbewerbe sehr hilfreich zur Zukunftsgestaltung der Jugend genutzt werden k?nnen. Aufgrund des systematischen, modular gestuften Konzepts l?sst sich dieses Modell entsprechend angepasst auf vergleichbare Schulen ?bertragen. Einzelne Teile k?nnen modular aufgenommen oder je nach Ressourcenlage gek?rzt werden. Viele Aktivit?ten sind bei gegebenen personellen, finanziellen und sachlichen Voraussetzungen auch in anderen Schulen sehr gut m?glich, zum Beispiel in der Sekundarstufe I oder II. Sie k?nnen auch durch andere Projekte leicht erg?nzt, erweitert oder ersetzt werden.

Entrepreneurship Education, verstanden als breites Konzept des m?ndigen, selbst?ndigen, sozialen, kreativen, verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Denkens und Handelns, l?sst sich somit also besonders gut umsetzen mit Hilfe der bereits genannten Wirtschafts-Projekte. Es kommt einzig auf den ersten Versuch an! Klar ist, dass die Schulleitung dahinter stehen muss und mindestens zwei Stunden Entlastung notwendig sind. Klar ist auch: Es ist viel zus?tzliche Arbeit! Aber es gibt auch unglaublich viel Zusatz-Motivation und Anerkennung f?r uns Lehrkr?fte!

Sch?lerInnen der Mittel- und Oberstufe bereiten sich auf vielf?ltige Weise auf Berufsausbildung, Praktika, Studium und Berufsleben vor. Dazu bedarf es gr?ndlichen Fachwissens und klarer Methodik, aber auch sozialer und personeller Sch?ssel-Kompetenzen. Diese sind mit systematisch gestuften, spiralcurricular angelegten Jahres-Wettbewerbs-Projekten gut zu erschlie?en. Wissenschaftliche Studien und pers?nliches Alumni-Feedback zeigen, wie nachhaltig diese Schl?sselfaktoren im pers?nlichen und beruflichen Entwicklungsprozess wirken. Es kommt also prim?r auf den Willen zum Probieren und die Experimentierlust der P?dagogInnen an. Der erste Schritt ist immer der Schwierigste, auch in der Schule. Aber es kann der erste Schritt zu einer gl?cklichen Reise werden. Ich antworte abschlie?end also auf meinen ehemaligen Sch?ler Garry Spanz: Ja, die Wettbewerbe haben auch mein Leben ver?ndert. Als Lehrer, Coach, Motivator und "Lehrer-Freund". Ich bin sehr gl?cklich dar?ber!