Unternehmerische Bildung in Deutschland ? Stand, Wirkung und Handlungsempfehlungen

In einer sich wandelnden, turbulenten Welt stellt unternehmerisches Denken und Handeln eine Schl?sselkompetenz dar. Es ist bedeutsam, dass Sch?ler lernen, sich darin zurechtzufinden, um die eigene Zukunft gestalten zu k?nnen. Die Europ?ische Kommission hat sich seit 2003 in mehreren Schl?sseldokumenten der F?rderung von Unternehmertum (Entrepreneurship) und unternehmerischer Bildung (Entrepreneurship Education) angenommen und mit Bezug zu den Zielen der Europ?ischen Union kontinuierlich ausgebaut (vgl. Europ?ische Kommission 2016: 36). Das Europ?ische Parlament hat 2015 eine Resolution zur F?rderung von unternehmerischer Bildung bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verabschiedet. Darin werden die EU-Kommission sowie die Mitgliedsl?nder aufgefordert, die Entwicklung unternehmerischer F?higkeiten in der Schule und mit Bezug zum Aktionsplan Unternehmertum 2020 (Europ?ische Kommission 2013) politisch und finanziell zu unterst?tzen. EU-weit dominiert der bildungspolitische Ansatz, Sch?ler zu bef?higen, ?selbstst?ndig zu sein?. Dies schafft die Grundlage f?r die berufliche Option, sich ?selbstst?ndig zu machen?, steht jedoch nicht im Vordergrund der Bem?hungen und wirkt weit dar?ber hinaus in die Gesellschaft.

Die Studie ?Unternehmergeist in die Schulen?, beauftragt vom Bundesministerium f?r Wirtschaft und Energie, ist unter www.unternehmergeist-macht-schule.deabrufbar. Hierf?r wurden 32 Bildungs- und Wirtschaftsministerien (21 R?ckl?ufer aus 14 Bundesl?ndern), 28 Projekttr?ger und 1.500 Schulen (202 R?ckl?ufer) kontaktiert.

F?r die Integration von ?Entrepreneurship Education? (EE) in den Unterricht sind aufgrund ihrer Kultushoheit in Deutschland die Bundesl?nder origin?r zust?ndig. Das Bundesministerium f?r Wirtschaft und Energie (BMWi) setzt sich ?bergreifend im Rahmen seiner wirtschaftspolitischen Aufgaben, insbesondere in der Mittelstandsund Gr?ndungspolitik, daf?r ein, die F?rderung von Unternehmergeist bereits in der Schulbildung zu verankern. Das BMWi hat in diesem Kontext die Studie ?Unternehmergeist in die Schulen ? aktuelle Trends und Entwicklungen, Transparenz und Erfolgsindikatoren? bei Kienbaum in Auftrag gegeben, deren zentrale Ergebnisse hier zusammengefasst werden.

Verankerung stagniert in den meisten Bundesl?ndern auf schwachem Niveau

In der Mehrheit der Bundesl?nder wird unternehmerische Bildung in Schulen als politisch relevante Thematik erachtet (vgl. Abbildung 1), insbesondere Baden-W?rttemberg geht hier proaktiv voran. In der Breite ist allerdings festzustellen, dass innerhalb eines Landes h?ufig keine einheitliche Definition oder Strategie existiert. Die personelle Kapazit?t ? selbst in den Landesministerien mit einer Ausrichtung auf die Thematik ? ist eher gering (im Durchschnitt 0,5 Vollzeit?quivalente bei einer Spannbreite von 0,1 bis 1,0), der Umfang fast ?berall unver?ndert zum Stand von vor f?nf Jahren und zumeist st?rker im Wirtschaftsministerium als im Kultusministerium verortet. Es wird deutlich, dass unternehmerische Bildung eher als wirtschaftspolitische denn als bildungspolitische Aufgabe gesehen wird. Immerhin werden in acht von 14 Bundesl?ndern Aktivit?ten des Landes und sonstiger Tr?ger zentral in einer Initiative geb?ndelt, davon haben sechs einen auf Dauer angelegten Arbeitskreis.

Selbstst?ndig sein ? Projekte haben gro?en Effekt auf Querschnittskompetenzen

Die unternehmerische Bildung weist in den befragten Schulen eine gute Qualit?t auf und funktioniert (vgl. Abbildung 2). Insbesondere werden nach Auskunft der Lehrkr?fte Querschnittskompetenzen wie Team-, Kommunikations- und Pr?sentationsf?higkeiten der Sch?ler deutlich verbessert. Die umgesetzten Ma?nahmen erm?glichen praxisbezogenes, lebensnahes und an eigenen St?rken und Interessen ausgerichtetes Lernen. Die berufliche Orientierung und der Erwerb von Kompetenzen werden gef?rdert, die wesentlich f?r die berufliche Entwicklung sind und sonst selten im Schulalltag vorkommen. Das Erfahren von Erfolgserlebnissen f?hrt zu einer Steigerung der Leistungsbereitschaft und des Zugeh?rigkeitsgef?hls. Kurzum: Unternehmerische Bildung erm?glicht die individuelle F?rderung der Sch?ler durch die Lehrkraft.

Selbstst?ndig machen ? unternehmerische Selbstwirksamkeits?berzeugungen werden gut gef?rdert

Bedeutsam ist, dass die f?r den Aufbau unternehmerischer Selbstwirksamkeits?berzeugungen relevanten Lernziele in der Regel gut erreicht werden (vgl. Abbildung 3). Iteratives Experimentieren und damit den Umgang mit Ungewissheit und das ?um die Ecke denken? zu lernen, ist weniger stark in Unternehmergeist-Bildungsma?nahmen vorzufinden, als es nach dem aktuellen Stand der Entrepreneurship-Forschung w?nschenswert w?re. Hier besteht Weiterentwicklungspotenzial.

Mehr unternehmerische Bildung wagen ? und zwar systematisch

Im Gegensatz zu anderen europ?ischen L?ndern hinkt Deutschland in der unternehmerischen Bildung an Schulen weit zur?ck. Es gibt keine einheitlichen nationalen oder auch l?nderspezifischen Definitionen und die strategische Verankerung im bildungspolitischen Kontext ist unzureichend.

Es existiert eine Vielzahl an Initiativen, die jedoch h?ufig eher an gymnasialen Oberstufen zum Einsatz kommen. Die befragten Akteure sehen in G?nze deutlich positive Effekte bei der Durchf?hrung von Unternehmergeist-Bildungsma?nahmen. Wesentliche Barrieren bestehen bei der fehlenden Verankerung im Bildungsplan sowie der geringen fachlichen wie ideellen Unterst?tzung durch die Politik bzw. die (Bildungs-)Ministerien.

Es k?nnen im Wesentlichen vier Handlungsfelder bestimmt werden:

  • Verbesserung der politischen Verankerung (z. B. Durchf?hrung von Roundtables, Entwicklung einer bundesweiten Strategie, Adaption europ?ischer Ans?tze)
  • Etablierung einer zentralen Verantwortung (Dokumentation von Forschungsund Evaluationsergebnissen, Verbesserung der Transparenz, Entwicklung eines Zertifizierungssystems)
  • St?rkung der regelhaften Vernetzung (z. B. Jahreskongress unternehmerische Bildung)
  • Investitionen in der Aus- und Weiterbildung der Lehrkr?fte (z. B. Verankerung in allen Phasen der Lehrerbildung)

International ist eine Zunahme an Unternehmergeist-Projekten in den sog. MINT-F?chern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu verzeichnen. Dabei gilt es, unternehmerische Bildung als Motivationsbr?cke zu etablieren, um Jugendliche f?r Technik zu begeistern. Eine Befragung von Hightechgr?ndern in den USA (Kourilsky/Walstad 2002) zeigt, dass fast die H?lfte die Schule als mindestens wichtigen Faktor f?r die Gr?ndungsentscheidung sah.

Literaturverzeichnis

Europ?ische Kommission (2013):
Aktionsplan Unternehmertum 2020 ? den Unternehmergeist in Europa neu entfachen, Br?ssel.

Europ?ische Kommission (2016):
Entrepreneurship Education at School in Europe, Br?ssel.

Kourilsky, M. L./Walstad, W. B. (2002):
The Early Environment and Schooling Experiences of High-Technology Entrepreneurs ? Insights for Entrepreneurship Education; in: International Journal of Entrepreneurship Education, 1(1), 1?20.