Einf?hrung

Entrepreneurship Education: Vermittlung von Schl?sselqualifikationen im Zeitalter der Digitalisierung

Die Wirtschaft im tief greifenden Wandel

Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich durch die Digitalisierung, insbesondere in den letzten 15 bis 20 Jahren, in einem schnellen und rasanten Entwicklungszyklus mit tief greifenden Auswirkungen. Durch das Internet und die daraus resultierende Vernetzung von Menschen und Maschinen bewegen wir uns in einem neuen Zeitalter, welches von einem besonders intensiven exponentiellen Wachstum gepr?gt wird. Diese ?vierte industrielle Revolution? wird bedingt durch die Automatisierung von Wertsch?pfungsketten, die Vernetzung von zuvor unabh?ngigen Produktions- und Dienstleistungssystemen, der Schaffung von Zug?ngen auf gro?e Datensammlungen ?ber mobile Schnittstellen sowie der Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen. Die Kommunikation und der Informationsaustausch zwischen Privatpersonen und von Unternehmen mit Privatpersonen ver?ndern sich intensiv, sp?testens seit dem Aufkommen von Social-MediaAnwendungen (Blaeser-Benfer et al. 2017: 14 ff.).

Die Digitalisierung bringt zahlreiche Chancenpotenziale f?r die deutsche Wirtschaft mit sich. Bestehende Unternehmen stehen vor der Aufgabe, sich in gewissem Ma?e neu zu erfinden. Dies betrifft sowohl kleine und mittlere Unternehmen als auch global aufgestellte Konzerne. Zudem werden der Wandel und Erneuerungsprozesse durch Startups vorangetrieben: Junge, wachstumsorientierte Unternehmen erneuern die mittelst?ndisch gepr?gte deutsche Wirtschaftsstruktur immer mehr.

Unternehmerisches Denken gewinnt an Bedeutung

Neue tragf?hige unternehmerische Ideen, Gesch?ftsmodelle und Konzepte sind f?r das ?Zeitalter der Digitalisierung? gefragt. Mitarbeitende oder Gr?nder m?ssen in der Lage sein, zukunftsf?hige Werteangebote entwickeln zu k?nnen. Hierf?r bedarf es u. a. einem ?konomischen Grundlagenverst?ndnis, Kreativit?t, Eigeninitiative, Teamf?higkeit, Mut, Durchhalteverm?gen, Selbstst?ndigkeit und der F?higkeit mit Unsicherheiten umgehen zu k?nnen ? oder anders formuliert: einer unternehmerischen Denkweise.

?Entrepreneur ist, wer auf dem Weg zu seiner Vision immer wieder ?ber sich hinausw?chst und dabei andere unterst?tzt, sodass alle gewinnen.? (Alt et al. 2015: 3), bringt es die Definition des Unternehmers und Stifters Karl Schlecht schl?ssig auf den Punkt.

Die Rolle der Entrepreneurship Education

Das daf?r notwendige Wissen und die F?higkeiten lassen sich erlernen und trainieren. Bezogen auf Schulen und Hochschulen werden solche Ans?tze unter dem Begriff ?Entrepreneurship Education? zusammengefasst.

Dazu z?hlt das mit dem Bildungsplan 2016 in Baden-W?rttemberg an allen weiterf?hrenden allgemeinbildenden Schulen neu eingef?hrte Schulfach ?Wirtschaft, Berufsund Studienorientierung?. Das Fach tr?gt dazu bei, dass Sch?ler lernen,

  • in ?konomisch gepr?gten Lebenssituationen m?ndig und gestaltend agieren zu k?nnen,
  • selbstbestimmt und selbstbewusst ihre Interessen in einer sich ver?ndernden globalisierten Welt vertreten zu k?nnen,
  • bei ?konomischem Handeln im Sinne des Gemeinwohls auch die Interessen anderer mit zu ber?cksichtigen und f?r sich und andere Verantwortung zu ?bernehmen,
  • sich mit teils konkurrierenden ?bergeordneten gesellschaftlichen Zielsetzungen wie Solidarit?t, Nachhaltigkeit, Lebensqualit?t, Wohlstand und Freiheit auseinanderzusetzen,
  • aus der Analyse und Beurteilung wirtschaftlicher Wirkungsund Funktionsweisen eigene Handlungsoptionen ableiten zu k?nnen und
  • als Basis f?r ihre berufliche Orientierung, sich ihrer Interessen, F?higkeiten und Potenziale bewusst zu werden (Bildungsplan 2016: 3).

Eine weitere M?glichkeit f?r Sch?ler unternehmerisches Handeln und Denken zu erlernen und vor allem auch praktisch auszuprobieren, bieten die Wirtschaftswettbewerbe, Planspiele und Sch?lerfirmenprojekte, die beispielsweise von der Initiative f?r Existenzgr?ndungen und Unternehmensnachfolge ? ifex ? des Ministeriums f?r Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-W?rttemberg und dem Initiativkreis ?Unternehmergeist in die Schulen? des Bundesministeriums f?r Wirtschaft und Energie (BMWi) angeboten werden.

Die Angebote vermitteln Sch?lern wirtschaftliches Grundlagenwissen. Aufgrund des projektartigen Ablaufs tragen die Programme auch zur Pers?nlichkeitsentwicklung der Sch?ler bei. Sie erlernen dabei folgende F?higkeiten (Alt et al. 2015: 13):

  • Kreativit?t/Ideenentwicklung: Bei den meisten Wettbewerben muss eine eigene Gesch?ftsidee entwickelt werden.
  • Teamf?higkeit: Die Aufgabenstellungen sind oft in Gruppenarbeit zu bearbeiten.
  • Talententdeckung: In den Teams entstehen verschiedene Funktionen wie F?hrung, Buchhaltung, Marketing oder Organisation. Die Sch?ler k?nnen damit experimentieren, welche Rollen ihnen gut liegen.
  • Kommunikation: Die Gesch?ftsidee muss h?ufig einer Jury in Form von Pr?sentation/ Pitch vorgestellt werden, zudem gilt es, Marketingkonzepte zu erarbeiten. Ebenfalls m?ssen ?gesch?ftliche? E-Mails verfasst und ?dienstliche? Telefonate sowie Face-to-Face-Gespr?che gef?hrt werden.
  •  Selbstst?ndigkeit: Die Sch?ler erhalten die Freiheit zur eigenverantwortlichen Bearbeitung der Aufgabenstellungen, gleichzeitig stehen ihnen die Lehrkraft und oft auch eine Person aus einem Unternehmen zur Anleitung und R?cksprache zur Verf?gung.
  • Mut und Selbstvertrauen: Durch die erfolgreiche Bearbeitung der Aufgabenstellungen und positive R?ckmeldungen von Klassenkammeraden, Lehrkr?ften, Expertenjurys und die Pr?sentationen werden die Sch?ler best?rkt.
  • Zeitmanagement: Es gilt, ?Arbeitspakete? zu fest definierten Zeitpunkten abzugeben und sich einen Projektmeilensteinplan zu erstellen.
  • Studien- und Berufsorientierung: Durch die Arbeit an der Gesch?ftsidee und den Kontakt mit dem Unternehmensbetreuer wird ein intensiver Einblick in die jeweilige Branche m?glich.
  • Stressf?higkeit: In den Wettbewerben ist h?ufig absichtlich eine ?Hochphase? eingebaut, die es zu meistern gilt.

An Universit?ten und Hochschulen l?sst sich seit Jahren eine steigende Bedeutung der Entrepreneurship Education beobachten. So hat sich in Deutschland die Anzahl der Gr?ndungs- bzw. Entrepreneurship-Lehrst?hle in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Vor 20 Jahren wurde die erste Entrepreneurship-Professur eingerichtet. Mittlerweile bestehen bundesweit insgesamt 134 Professuren, davon elf in Baden-W?rttemberg ? Stand Februar 2018. Diese gliedern sich in 77 Lehrst?hle an Universit?ten und 57 an Hochschulen (FGF e. V. 2018). Das EXIST-F?rderprogramm des BMWi tr?gt u. a. zur Schaffung einer lebendigen und nachhaltigen Gr?ndungskultur an ?ffentlichen und privaten Hochschulen bei (BMWi 2018). Die seit 2010 bestehende gleichnamige F?rderprogrammlinie EXIST-Gr?ndungskultur ?unterst?tzt Hochschulen dabei, eine ganzheitliche hochschulweite Strategie zu Gr?ndungskultur und Unternehmergeist zu formulieren und nachhaltig und sichtbar umzusetzen? (BMWi 2018).

Junge Menschen als ?Gestalter?

Entrepreneurship Education vermittelt Sch?lern und Studierenden wichtiges Grundlagenwissen sowie Pers?nlichkeitsf?higkeiten und Probleml?sungsmethoden. Die jungen Menschen erschlie?en sich das Handwerkszeug, um als selbstsichere ?Gestalter? im ?Zeitalter der Digitalisierung? zu agieren und in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht zum Wohle der (regionalen) Gemeinschaft aktiv zu werden. Anstatt nur an Teilhabe und Teilnahme zu denken, verf?gen sie ?ber die geistige Grundhaltung, ihre F?higkeiten einzubringen, Verantwortung zu ?bernehmen und durch Handlungen aktiv und mutig Chancen zu nutzen und Probleme f?r sich und andere zu l?sen. Sie sind in der Lage, f?r sich selbst und die sich in dem jeweiligen Moment darstellende gesellschaftliche Situation die richtigen Fragen zu stellen. Sie treffen dabei reflektierte Entscheidungen, bei denen ethische und gesellschaftliche Wertevorstellungen mitber?cksichtigt werden.

?ber die Publikation

Wir m?chten Sie einladen, in dieser Publikation unterschiedliche Facetten und Ans?tze der Gr?ndungsausbildung aus Wissenschaft und Praxis kennenzulernen und damit selbst mit jungen Menschen im Rahmen Ihres Unterrichts oder bei Wirtschaftswettbewerben, Planspielen und Sch?lerfirmenprojekten zu experimentieren.

Die vorliegende Publikation ist inhaltlich in vier Teile gegliedert und umfasst folgende Aspekte der Entrepreneurship Education:

  • Aus der Unterrichtspraxis
  • Ausgew?hlte Ans?tze
  • Zahlen, Daten, Fakten
  • Weiterf?hrende regionale und ?berregionale Angebote

Wir bedanken uns bei den zahlreichen Autoren aus der Hochschullandschaft und der Schulpraxis sowie den Mitgliedern des Initiativkreises ?Unternehmergeist in die Schulen? des Bundesministeriums f?r Wirtschaft und Energie, die mit ihren Aufs?tzen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Bedeutung von Entrepreneurship im Schulunterricht zu steigern. Ebenso m?chten wir unseren Dank an die Karl Schlecht Stiftung aussprechen, die diese Brosch?re durch die F?rderung von ?Unternehmergeist erleben!? erst m?glich macht.

Bitte beachten Sie, dass wir in der gesamten Publikation aufgrund verbesserter Lesbarkeit auf eine gendergerechte Schreibweise verzichten. Die Angaben beziehen sich immer auf alle Geschlechter, sofern nicht ausdr?cklich auf ein Geschlecht Bezug genommen wird.