Selbstwirksamkeit als Eckpfeiler der Entrepreneurship Education

Selbstwirksamkeit ? was ist das?

F?r Erfolge oder auch Misserfolge in allen Lebensbereichen spielen, neben anderen Faktoren wie z. B. Wissen oder Talent (Pajares 2002), die Grundannahmen und Vorstellungen ?ber die eigene Selbstwirksamkeit eine entscheidende Rolle. Diese steuern, erm?glichen oder verhindern als unterbewusstes Set an Regeln alle Handlungen und Aktivit?ten (Pajares 2000). Menschen visualisieren und durchdenken die Ergebnisse m?glicher Handlungen im Voraus. Die Erwartungen an sich selbst werden dabei haupts?chlich nicht durch die tats?chlichen St?rken und F?higkeiten bestimmt, sondern durch die eigenen Vorstellungen davon. Aufgrund dieser Tatsache k?nnen Menschen mit ?hnlichen Grundanlagen qualitativ sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen (Pajares 2002). ?Man kann viel, wenn man sich nur recht viel zutraut.? (Freiherr von Humboldt 1847: 266) formulierte es der Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt (vgl. Schmitz-Scholemann 2017). Gemeint ist damit keine egoistisch-?berh?hte Einstellung, sondern ein gesundes Selbstbild und Verh?ltnis zu den eigenen F?higkeiten und St?rken.

Die Selbstwirksamkeit kann dabei vom Selbstbewusstsein unterschieden werden. W?hrend das Selbstbewusstsein einer Person vom generellen Selbstwertgef?hl bedingt ist, liegt bei dem Konzept der Selbstwirksamkeit der Fokus im Vertrauen auf die eigenen F?higkeiten. Diese bedingen, ob sich ein Individuum einer Aufgabe oder Herausforderung stellt und aktiv handelt, oder es nicht t?tig wird. Das Konzept basiert auf der Forschungsarbeit des Psychologie-Professors der Stanford University Albert Bandura. Demnach sind Individuen nicht ausschlie?lich aufgrund ?u?erer Einfl?sse oder innerer Reize handelnde reaktive Organismen, sondern k?nnen sich in einem gewissen Ma?e selbst steuern und regulieren ? und somit proaktiv Eigeninitiative ergreifen (Pajares 2000).

Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit basiert auf der eigenen Selbsteinsch?tzung, inwiefern sich ein Individuum in der Lage sieht, die notwendige Leistung erbringen zu k?nnen, um selbst ein angestrebtes positives Ergebnis oder eine gewinnbringende Ver?nderung herbeif?hren zu k?nnen (Bandura 1994). Da diese Einsch?tzungen sich durch zahlreiche Erfahrungen unterlegt ?ber lange Zeitabschnitte hinweg herausbilden, erweisen sie sich als wenig ver?nderbar und stabil (Pajares 2002). Menschen, die ihre Selbstwirksamkeit als gering einsch?tzen und an ihren F?higkeiten zweifeln, sehen Herausforderungen und schwierige Aufgaben als Bedrohung an und meiden diese. Menschen, die ihre Selbstwirksamkeit als hoch einsch?tzen, suchen Herausforderungen, setzen sich hohe Ziele, entwickeln eine hohe intrinsische Motivation und lassen sich auch von R?ckschl?gen bez?glich der Zielerreichung nicht entmutigen (Bandura 1994). Ein starker Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit steigert insbesondere die Leistungsf?higkeit, Ausdauer und Beharrlichkeit (Pajares 2000).

Selbstwirksamkeit ? gesellschaftliche und wirtschaftliche Schl?sselkompetenz

Die Vermittlung kognitiver F?higkeiten ist insbesondere Aufgabe der Schulen (Bandura 1994). Das Zutrauen, dass das eigene aktive Handeln positive Ver?nderungen hervorrufen kann, ist somit ein wichtiger Baustein der Gr?ndungsdidaktik an Schulen und Hochschulen. Denn sowohl in gesellschaftlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist es wichtig, dass junge Menschen in der Lage sind, als ?Gestalter" zu agieren. Insbesondere hinsichtlich der Chancen der Digitalisierung, des sozialen Wandels, der Energiewende und der Schonung von Ressourcen und Umwelt braucht es heute und zuk?nftig Entrepreneure oder Intrapreneure, die ihre F?higkeiten einbringen, Verantwortung ?bernehmen und durch Handlungen aktiv und mutig Chancen nutzen und Probleme f?r sich und andere l?sen.

Wie entstehen Selbstwirksamkeitseinsch?tzungen?

Die Einsch?tzung der eigenen Selbstwirksamkeit wird durch die Interpretation und Wertung von Informationen aus vier Schl?sselbereichen bestimmt (Pajares 2002):

  1. Mastery Experience ? Erlebnisse des eigenen Erfolgs:
    Die Ergebnisse vorausgegangener Handlungen sind die wichtigste Quelle f?r die Einsch?tzung der Selbstwirksamkeit. Gelingen Handlungen, steigt sie bezogen auf die daf?r ben?tigten spezifischen F?higkeiten, misslingen Aktionen, sinkt sie diesbez?glich (Pajares 2002). So k?nnen gute Schulnoten oder Klausurergebnisse die Selbstwirksamkeit st?rken und schlechte Resultate diese mindern (Pajares 2000).
  2. Vicarious Experience of observing others performing tasks ? Erfahrungen von ?Stellvertretern?:
    Diese Informationsquelle wird insbesondere dann stark verwendet, wenn Menschen auf einem Gebiet auf wenige oder keine pers?nlichen Erfahrungen zur?ckgreifen k?nnen. Es werden dann Resultate von Personen f?r die Einsch?tzung der eigenen Selbstwirksamkeit herangezogen, welche mit einem selbst hinsichtlich Faktoren wie z. B. Alter, Geschlecht und Bildungsstand gr??tm?glich ?bereinstimmen (Pajares 2002). So ist es unter Studierenden im Fernstudium beispielsweise ?blich, bei Kommilitonen nachzufragen, wie lange diese f?r eine Bearbeitung eines von ihnen bereits absolvierten Studienmoduls ben?tigt haben, und somit f?r sich R?ckschl?sse zu ziehen, ob sie den Stoff noch in der bestehenden Zeit bis zu einem der festgelegten Klausurwochenenden vorbereiten k?nnen.
  3. Social Persuations ? Ermutigung durch Dritte:
    Die Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit h?ngt auch stark davon ab, inwiefern einem Dritte positive Ergebnisse zutrauen. Wenn Freunde, Bekannte, Eltern oder Lehrkr?fte an den Erfolg eines jungen Menschen glauben, wird eine starke Selbstwirksamkeitserfahrung angelegt (Pajares 2000). Hierzu z?hlen insbesondere verbales Lob und verbale Ermutigung, eine Herausforderung meistern zu k?nnen (Pajares 2002).
  4. Emotional States (anxiety, stress, arousal and mood states) ? emotionale Konstitution:
    Hierzu z?hlen ?ngste, das Stressniveau, die emotionale Erregung sowie die Gem?tslage ? also Informationen, die der K?rper aussendet. Werden bei einer T?tigkeit viele negative Emotionen oder Sorgen ausgel?st, da das Individuum bef?rchtet, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein, verursachen diese Gef?hle Stress und senken die Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit. Dadurch tritt dann eine sich selbsterf?llende Prophezeiung ein: Durch Bef?rchtungen wird tats?chlich ein suboptimales Ergebnis erzielt, welches weit hinter dem aufgrund des vorhandenen Potenzials m?glichen Resultat liegt. Gleichzeitig sind Gef?hlszust?nde generell ma?geblich f?r die Selbstwirksamkeitseinsch?tzung ? bei schlechter Gem?tslage sinkt diese (Pajares 2002).

Wie l?sst sich Selbstwirksamkeit im Rahmen der Entrepreneurship Education vermitteln?

Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit und Handlungsmotivation lassen sich durch folgende Ma?nahmen anlegen und steigern:

  1. Anspruchsvolle Aufgabenstellungen:
    Die von den Sch?lern oder Studierenden zu l?senden Aufgaben sollten leicht ?ber ihrem Leistungsniveau liegen, damit sie als Herausforderung wahrgenommen werden, aber gleichzeitig geeignet sind, bei allen Sch?lern oder Studierenden ein positives Selbstwirksamkeitserlebnis zu schaffen (Kirk 2018). Ein zu hohes Level verursacht ?ngste und ist kontraproduktiv (Pajares 2000). Zu leichte Aufgabenstellungen k?nnten hingegen dahingehend interpretiert werden, dass das Lehrpersonal an den F?higkeiten der Sch?ler und Studierenden zweifelt ? und sollte daher ebenfalls vermieden werden (Kirk 2018).
  2. Interessen ber?cksichtigen:
    Die Aufgabenstellungen und Lerninhalte sollten sich an den Interessen der Sch?ler und Studierenden orientieren (Kirk 2018). Dies steigert die Identifikation mit den Aufgaben und das Engagement bei der Bearbeitung.
  3. Freiheit geben, eigene Entscheidungen zu treffen:
    Die Lerninhalte sollten Spielraum f?r die individuelle Ausgestaltung durch die Sch?ler und Studierenden lassen (Kirk 2018). Dadurch wird das Interesse an der zu bearbeitenden Aufgabe gesteigert.
  4. Positives Feedback geben:
    Ehrliches, positives Feedback bezogen auf einzelne Arbeitsschritte steigert die Motivation. Dabei empfiehlt es sich insbesondere Sch?ler auf eigenes Wachstum und Verbesserungen gegen- ?ber ihren eigenen Leistungen in der Vergangenheit aufmerksam zu machen ? und die Gr?nde f?r die Steigerung herauszuarbeiten (Kirk 2018). Das Feedback sollte stets an erfolgreich gemeisterte Arbeitsschritte und Zwischenergebnisse gekoppelt sein. Zudem muss es ehrlich gemeint sein, ?k?nstliche? R?ckmeldungen werden schnell durchschaut und sind kontraproduktiv (Pajares 2000).
  5. An den Erfolg der Sch?ler glauben:
    Voraussetzung f?r eine Steigerung der wahrgenommenen Selbstwirksamkeit ist, dass Sch?ler und Studierende wahrnehmen, dass ihnen das Lehrpersonal eine erfolgreiche Bearbeitung zutraut ? sofern sie bereit sind, die notwendige M?he aufzubringen (Kirk 2018).

Neben diesen Ma?nahmen steigern insbesondere Erfolgserlebnisse das Selbstwirksamkeitsgef?hl (Pajares 2000). Es empfiehlt sich deswegen, Entrepreneurship-Education-Lerneinheiten so zu gestalten, dass diese sich im Herausforderungsniveau stufenweise steigern. Auf diese Weise kann bei Sch?lern und Studierenden eine hohe Grundmotivation geschaffen werden. Ebenfalls ist es zielf?hrend, wenn die Formate bei Sch?lern oder Studierenden die Kreativit?t anregen. Auch die kooperative Zusammenarbeit in Gruppen, wobei die Sch?ler sich gegenseitig bei der Aufgabenbearbeitung helfen, kann das Selbstwirksamkeitsgef?hl positiv beeinflussen.

Literaturverzeichnis

Bandura, Albert (1994):
Self-efficacy, unter:www.uky.edu/~eushe2/Bandura/BanEncy.html (abgerufen am 31.07.2018).

Freiherr von Humboldt, Wilhelm:
Briefe von Wilhelm von Humboldt an eine Freundin, B?nde 1?2: Seite 266, 1847, unter: www.tinyurl.com/y9tltwut (abgerufen am 31.07.2018).

Kirk, Karin (2018):
Self-efficacy: Helping Students Believe in Themselves, 2018/6

Pajares, Frank (2000):
Schooling in America: Myths, Mixed Messages and Good Intentions ? Lecture delivered at the Great Teachers Lecture Series, Cannon Chapel, Emory University, Atlanta. 2000/1), unter:www.uky.edu/~eushe2/Pajares/pajaresgtl.html (abgerufen am 31.07.2018).

Pajares, Frank (2002):
Overview of Social Cognitive Theory and of Self-Efficacy, unter: www.uky.edu/~eushe2/Pajares/eff.html (abgerufen am 31.07.2018).

Schmitz-Scholemann, Christoph (2017):
250. Geburtstag von Wilhelm von Humboldt ? Der Begr?nder des deutschen Liberalismus, 2017/6, unter: www.deutschlandfunk.de/250-geburtstagvon-wilhelm-von-humboldt-der-begruender-des.871.de.html?dram:article_id=389149 (abgerufen am 31.07.2018).