Der Innovationsprozess in der Gr?ndungsausbildung ? Schl?sselbereiche f?r Lernmaterialien

Innovatives Entrepreneurship

In der schulischen Entrepreneurship Education enthalten die bestehenden Lehr- und Lernkonzepte regelm??ig ?bungen zur Entwicklung innovativer Gesch?ftsideen. Mittelst?dt und Wiepcke definieren ?konomische Kreativit?t als einen von f?nf Kompetenzbereichen der schulischen Gr?ndungsdidaktik. Das Lernziel umfasst ?die F?higkeit, innovative und gleichzeitig ?konomisch Erfolg versprechende Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Dabei ist die Bef?higung zum kreativen Denken zu f?rdern.? (Mittelst?dt/ Wiepcke in K?nig et al. 2013: 17). Auch bei prim?r praxisorientierten Entrepreneurship-Education-Lernans?tzen wie Wirtschaftswettbewerben oder Planspielen kommt dem Thema Innovation meist eine wichtige Bedeutung zu ? dies best?tigt beispielsweise ein Blick auf die Programme des BMWi-Initiativkreises ?Unternehmergeist in die Schulen? (Unternehmergeist in die Schulen 2018). Viele der Angebote umfassen die Entwicklung einer neuartigen Gesch?ftsidee. Innovationen sind grundlegend als Neuerungen zu verstehen, welche mit einem technischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandel einhergehen (M?hrle/ Specht 2018).

Da das Thema Innovation in der Gr?ndungsausbildung eine wichtige Rolle spielt, m?chten wir in diesem Artikel den Innovationsprozess anhand eines von uns erstellten auf den Arbeiten von Dueck (Dueck 2013; Dueck 2018) beruhenden exemplarischen Modells aus der Wirtschaftspraxis vorstellen (siehe Abbildung 1) ? und daraus Schl?sselbereiche f?r Lernmaterialien aufgreifen. Pers?nlichkeitskompetenzen bilden ein weiteres wichtiges Lernfeld in der Gr?ndungserziehung (vgl. Mittelst?dt/Wiepcke in K?nig et al. 2013: 17), aus diesem Grund sind zu den einzelnen Prozessstufen die daf?r notwendigen F?higkeiten in der Darstellung ausgewiesen. Als Grundlage f?r die nachfolgenden Ausf?hrungen m?chten wir die Arbeitsdefinition f?r ?Innovatives Entrepreneurship? von Ripsas einf?hren: ?Innovatives Entrepreneurship/Unternehmertum bedeutet, den Markt genau zu beobachten, querzudenken, Bestehendes zu hinterfragen und neue Produkte zur Befriedigung von Kundenbed?rfnissen zu entwickeln und dadurch neue Werte zu schaffen? (Ripsas 1997: 71).

Quellen f?r Innovationen

Zu Beginn des Innovationsprozesses muss zun?chst ein Grundansatz gefunden werden. Nach Ripsas k?nnen als Quellen f?r neue Produkte und Dienstleistungen beispielsweise Anregungen von Kunden, Fachzeitschriften, Messebesuche, Fachkongresse oder Konkurrenzunternehmen dienen (Ripsas 1997: 90). Gleichzeitig sind auch neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft oder Forschung, Gesetzes?nderungen (Dueck 2013: A) ? wie beispielsweise die Anforderung eine neue Abgasrichtlinie erf?llen zu m?ssen ? oder Erkenntnisse aus der Marktforschung m?gliche Ausgangspunkte.

Im Innovationsprozess l?sst sich zwischen zwei Rollen differenzieren, dem Erfinder und dem Innovator (Dueck 2013: B):

  • Erfinder haben die Idee urspr?nglich,
  • Innovatoren sind diejenigen, welche die Idee sowohl durch- als auch umsetzen.

Die Funktion des Innovators ist es, vielversprechende Ans?tze ? etwa aus der Forschung ? zu identifizieren, diese aufzugreifen und daraus ein am Markt tragf?higes Produkt oder eine nachgefragte Dienstleistung zu entwickeln. Daf?r ben?tigt er im ersten Schritt analytische Kompetenz. Ein Innovator kann selbstverst?ndlich auch ? bei entsprechendem Erfindergeist ? selbst als Erfinder fungieren. Diese Doppelrolle ist jedoch in der Praxis eher selten (Dueck 2013: B).

Die Idee

Ist ein Ansatz f?r eine innovative Neuerung gefunden, gilt es nun, die Gesch?ftsidee herauszuarbeiten und schl?ssig zu formulieren. Diese unterteilt sich in die ?Kernidee? (z. B. die Entwicklung eines Autos mit Gleichoder Wechselstrommotor und einer Batterie als Energiespeicher) sowie die f?r die Idee notwendigen Umfeldbedingungen. Hierzu z?hlen insbesondere die soziale Akzeptanz f?r die Neuerung (Werden E-Autos von der Bev?lkerung angenommen?) sowie wichtige Grundvoraussetzungen (ein fl?chendeckendes Netz an Schnelllades?ulen), ohne die eine Idee nicht funktioniert (Dueck 2013: C).

Die Innovation kann scheitern, wenn Wettbewerber sich in dem Feld schon einen uneinholbaren Vorsprung verschafft haben. Weitaus h?ufiger misslingen Innovationen jedoch wegen einer Untersch?tzung der Umfeldbedingungen. Lassen sich diese nicht herstellen ? oder dauert dies zu lange ?, bleibt die innovative Idee ohne wirtschaftliche Relevanz (Dueck 2013: C). Es empfiehlt sich also, bei Sch?lern f?r diese Herausforderung das Gesp?r zu sch?rfen. Die Praktikabilit?t stellt auch im Rahmen von Wirtschaftswettbewerben h?ufig ein Bewertungskriterium dar.

Ideen entstehen dabei besonders gut in interdisziplin?rer Teamarbeit. Somit ist Teamf?higkeit hierf?r eine wichtige Voraussetzung. Gleichzeitig bedarf es Kreativit?t und Experimentierfreude, um aus den Ans?tzen eine konkrete Idee zu formen. Daf?r ist auch der Glaube an und das Wissen um die eigenen St?rken wichtig ? ein gut ausgepr?gtes Selbstvertrauen.

Im n?chsten Schritt gilt es ? in der Realit?t oder bei Planspielen ? Mitstreiter f?r die Idee/das Gesch?ftsmodell zu gewinnen. Ein Gr?nder muss wichtige Investoren ?berzeugen und ?ber die Presse f?r Aufmerksamkeit sorgen. Ein Innovator im Unternehmen muss auch seine Vorgesetzten sowie die Kollegen gewinnen (Dueck 2013: B). Sch?ler stellen sich der Bewertung durch Juroren oder Experten, die es zu begeistern gilt.

Ist die Idee bei diesen ?Stakeholdern? nicht anschlussf?hig, scheitert die Innovation. Hierbei ist es insbesondere wichtig, die oft komplexen Ideen durch Vorstellungsbilder und Beispiele f?r jedermann unmittelbar eing?ngig darzustellen, ohne das Niveau zu reduzieren oder zu trivialisieren. Dabei ist es zielf?hrend, auf den Erfahrungshorizont der jeweiligen Zuh?rer einzugehen. Es gilt, das Wesentliche inspirierend auf den Punkt zu bringen und die Adressaten zur  Anschlusshandlung ? Bewilligung der Gelder, Genehmigung des Vorhabens, oder Vergabe der Maximalpunktzahl ? zu motivieren (Dueck 2018). Hierzu sind Pr?sentations- und Kommunikationsf?higkeiten notwendig.

Das Produkt

Hat die Idee Unterst?tzer gefunden, gilt es nun, diese umzusetzen und in einem Produkt oder Dienstleistung zu konkretisieren. Dazu wird zun?chst eine umfassende Kenntnis der bestehenden L?sungen ben?tigt, um einen echten Vorteil leisten zu k?nnen und z. B. sch?ner, leichter zu bedienen, n?tzlicher oder billiger zu sein. Nur wenn sie im direkten Vergleich einen echten Mehrwert bietet, hat die Innovation die Chance sich durchzusetzen (Dueck 2013: D).

Die Produktentwicklung erfolgt dabei in einem iterativen Prozess. Dueck differenziert dabei f?nf Stufen (Dueck 2018):

        I. Vorstufen

  1. ?Zu Simpel?: Die ersten Versuche und ?zusammengebastelte? Prototypen. Es handelt sich um eine rudiment?re Umsetzung der Idee. Die Verwendungszwecke, f?r die sich das Produkt eignet, sind noch sehr beschr?nkt. Die Funktionalit?t wird zudem durch zahlreiche Kinderkrankheiten (Fehler) eingeschr?nkt.
  2. ?Good enough?: Das Produkt ist nun brauchbar und funktional, hat jedoch noch Fehler. Es ist kompliziert in der Anwendung und hat dadurch ein hohes Frustrationspotenzial.
  3. ?Perfekt aber umst?ndlich/All-in-one-Feature-Monster?: Das Produkt ist ausgereift, hat nun aber sehr viele Verwendungszwecke (Features) und ben?tigt ?Expertenwissen?, um es bedienen oder nutzen zu k?nnen.

    II. Marktdurchdringung
  4. ?Smart?: Die Anzahl der Features ist auf die Wesentlichen reduziert. Das Produkt l?sst sich nun viel einfacher bedienen.
  5. ?Genial einfach?: Das Produkt tut, was es soll. Es l?sst sich von jedermann leicht verwenden und bereitet dabei Freude.

F?r die Produktentwicklung sind Geduld und Flei? gefragt. Der simple Prototyp muss mit viel Arbeit hin zu einem mindestens ?Smarten? Produkt entwickelt werden. Dabei sind auch R?ckschl?ge und H?rden zu meistern. Die letzte Stufe des ?Genial einfachen? Produktes erfordert daher eine ?u?erst beharrliche Grundhaltung sowie eine hohe intrinsische Motivation und Begeisterungsf?higkeit, um diesen langen Entwicklungsweg bis zum Ende gehen zu k?nnen (Dueck 2018). So stellt der Journalist und Buchautor Wolf Lotter fest: ?Innovatoren sind Unternehmer. Ihre Arbeit braucht Begeisterung, Ausdauer, N?chternheit, Know-how, Leidenschaft, Pragmatismus und von allem reichlich? (Lotter 2018).

An dieser Stelle sei angemerkt, dass sich die vorangegangene Darstellung insbesondere auf Produkte bezieht, welche sich an private Endkunden richten. So kann beispielsweise ein Softwareprodukt f?r Spezialisten auch trotz hoher FeatureDichte und wenig benutzerfreundlicher Bedienung sich als wirtschaftlich erfolgreich erweisen.

Die Kunden

Das Produkt oder die Dienstleistung muss K?ufer finden. Dabei ist nicht zu untersch?tzen, dass Innovationen zun?chst anf?nglich oft auf Vorbehalte und Ablehnung sto?en. Es gilt, nach und nach Vertrauen aufzubauen, Vorbehalte zu entkr?ften sowie Anregungen, W?nsche und ?ngste aufzunehmen und ernst zunehmen und diese bei den im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Produktentwicklungsstufen mitzuber?cksichtigen (Dueck 2013: E). 

Damit dies gelingt, m?ssen Innovatoren insbesondere gut zuh?ren k?nnen. Ob Anregungen weiterverfolgt werden, ist dabei eine bewusste unternehmerische Entscheidung. Es muss nicht allem nachgegangen werden. Jedoch m?ssen alle Einw?rfe verstanden und eingesch?tzt werden (Dueck 2013: E).

Die Kunden lassen sich nach Dueck in drei Gruppen einteilen (Dueck 2013: B):

  • ?Open Minds? sind Innovationen gegen?ber aufgeschlossen.
  • ?Closed Minds? sehen keinen Nutzen in der Innovation und wollen sich von bew?hrten L?sungen nicht trennen.
  • ?Antagonisten? bek?mpfen das Neue aktiv.

F?r die Entwicklung hin zu einem ?Genial einfachen? Produkt sind die ?Closed Minds? und ?Antagonisten? wichtige Impulsgeber. Die ?Open Minds? k?nnen helfen, erste Ums?tze zu erzielen und die ersten Schritte zu gehen, um aus der Idee ein tragf?higes Gesch?ftskonzept zu entwickeln. Diese Personengruppe ist bereit, als ?Early Adopter? f?r ein noch nicht ganz rundes, neuartiges Angebot einen hohen Preis zu bezahlen. K?nnen die ?Open Minds? nicht zum Kauf ?berzeugt werden, scheitert das Innovationsvorhaben (Dueck 2013: B).

Durchbruch der Innovation

Der Innovationsprozess ist erfolgreich, wenn eine ausreichende Anzahl an normalen Kunden, also ehemalige ?Closed Minds? und ?Antagonisten?, f?r das innovative Produkt oder die innovative Dienstleistung gewonnen werden k?nnen und zu einem ?normalen? Preis nachfragen (Dueck 2013: G).

Schl?sselbereiche f?r den Gr?ndungsunterricht

Zusammenfassend m?chten wir aus der obigen Betrachtung des Innovationsprozesses drei Schl?sselbereiche f?r die Konzeption von Lernmaterialien herausgreifen. So erscheint es wichtig, f?r Sch?ler zu veranschaulichen, dass eine gute Kernidee alleine noch keine erfolgreiche Innovation ausl?st. Denn sowohl die soziale Akzeptanz f?r eine Neuheit als auch etwaige Umfeld- und Infrastrukturbedingungen spielen gleichfalls eine wichtige Rolle. Ans?tze aus der Markt- und Sozialforschung wie z. B. Trendscouting oder Medienanalyse k?nnen hierf?r in die Lernmaterialien ?bernommen werden.

Eine besondere Herausforderung liegt in der Praxis auch darin, eine komplexe Idee f?r Nicht-Experten ? wie Investoren, F?hrungskr?fte oder die ?ffentlichkeit ? verst?ndlich zu machen und anschlussf?hig zu pr?sentieren. Hierbei k?nnen im Unterricht beispielsweise Methoden wie Storytelling oder Rollenspiele hilfreich sein und entsprechende Elemente aus der PR- und ?ffentlichkeitsarbeit als Bereicherung f?r ?bungsmaterialien dienen.

In der Wirtschaftspraxis entstehen finanziell tragf?hige Produkte und Dienstleistungen oft durch iterative Optimierungsprozesse unter Ber?cksichtigung von Erfahrungen erster Kunden. Dies kann in ?bungsmaterialien durch Aufgabenstellungen abgebildet sein, in denen die verschiedenen Aspekte des Gesch?ftsmodells kontinuierlich ?berarbeitet und verfeinert werden, z. B. durch das regelm??ige Anwenden von erprobten Tools wie das Business Model Canvas.

Literaturverzeichnis

Dueck, Gunter (2013):
Das Neue und seine Feinde, Frankfurt/New York: Campus Verlag (E-Book).

A: Kapitel: ?ber das Neue und seine vielen Erscheinungsformen

B: Kapitel: Der Hindernislauf von der Erfindung bis zum Gesch?ft

C: Kapitel: Das Umland einer Idee genau erkunden

D: Kapitel: Die Realit?tsferne der Forscher

E: Kapitel: Das Resistenzmodell

F: Kapitel: Der Thor h?lt Rat f?r Feindschaft

G: Kapitel: Diffusion und ?The Chasm of Innovation?

Dueck, Gunter (2018):
Schwarmdumm, Kapitel: Es soll einfach sein, Frankfurt/New York: Campus Verlag (E-Book).

K?nig, Hannes; Hilbert, Bernd; Mittelst?dt, Ewald; Wiepcke, Claudia (2013):
Die Sch?lerfirma, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag.

Lotter, Wolf (2018):
Innovation: Streitschrift f?r barrierefreies Denken, Kapitel: Der Stoff, aus dem das Neue ist, Edition K?rber Stiftung (E-Book).

M?hrle, Martin; Specht, Dieter (2018):
?Innovation?, unter: www.wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/innovation-39624 (abgerufen am 31.07.2018).

Ripsas, Sven (1997):
Entrepreneurship als ?konomischer Prozess, Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Unternehmergeist in die Schulen:
?Initiativen?, unter www.tinyurl.com/yd8fy6ez (abgerufen am 31.07.2018).