Nutzenbeitr?ge und -wirkungen in einem Arbeitssystem

Der Nutzen einer Weiterbildung kann nun ? zun?chst ganz allgemein ? bestimmt werden als Beitrag zur Beseitigung einer Abweichung zwischen soll und ist in einem Arbeitssystem durch eine Anpassung der menschlichen F?higkeiten. In einem Unternehmen unterliegt eine solche Anpassungsleistung immer dem Wirtschaftlichkeitsprinzip. Weiterbildung setzt also immer an den Ressourcen eines Arbeitssystems an und ist damit per se produktivit?tsorientiert.

Dieser Nutzenbeitrag28 einer Weiterbildung kann verschiedene Formen annehmen. Welche, h?ngt vom Produktivit?tszustand (Leistungsniveau) ab, den das Management auf Grund der Abweichungsanalyse mit Hilfe der Weiterbildung erreichen will. Prinzipiell sind vier Formen denkbar:

28 Wir sprechen auch deshalb vom Nutzenbeitrag einer Weiterbildung, weil es sich immer nur um einen Beitrag handeln kann, den genau als solchen zu messen und festzustellen in der Praxis v?llig unn?tig ist ? abgesehen davon, das es auch methodisch unm?glich ist.

Mehr als diese vier Nutzenbeitr?ge von Weiterbildung gibt es nicht

  • Ein Nutzenbeitrag, um eine bereits bestehende Unterschreitung des Plan-Solls (Leistungsdefizit) zu beseitigen. Das Ziel ist in diesem Fall die Erreichung der Soll-Produktivit?t. Beispiel: Mitarbeiter in der Montage haben Schwierigkeiten, Teilezeichnungen aus der Konstruktion zu lesen. In der Folge kommt es immer wieder zu Verz?gerungen bei Auftragsdurchl?ufen. Von einer Schulung ?ber das richtige Lesen normgerechter Konstruktionszeichnungen verspricht sich der Meister Abhilfe.
  • Ein Nutzenbeitrag, um die im Plan-Soll liegende Leistung zu stabilisieren. Das Ziel ist in diesem Fall Vorbeugung. Beispiel: Im Einkauf scheidet absehbar eine Schl?sselkraft aus. Von einem Workshop, der den ?brigen Eink?ufern systematisch dessen spezifisches Erfahrungswissen vermitteln soll, verspricht sich der Einkaufsleiter die Vermeidung eines drohenden Leistungsabfalls.
  • Ein Nutzenbeitrag, um die im Plan-Soll liegende Leistung zu erh?hen. das Ziel ist dann Produktivit?tssteigerung. Beispiel: Um einen Gro?auftrag zu bekommen und dann auch bew?ltigen zu k?nnen, muss eine Montagegruppe ihr bisheriges Leistungsniveau um ca. 20 Prozent steigern. Neben einer Durchleuchtung der bestehenden Abl?ufe soll eine Schulung der Monteure durchgef?hrt werden. Von beiden Ma?nahmen erwartet der technische Leiter, dass das erh?hte Plan-Soll erf?llbar wird.
  • Ein Nutzenbeitrag, um die Leistung f?r eine geplante beziehungsweise zu erwartende Herausforderung zu erm?glichen. In diesem Fall ist das Ziel, die Zukunftsf?higkeit des Arbeitssystems zu gew?hrleisten. Beispiel: Die Gesch?ftsleitung beabsichtigt, in einem halben Jahr ein neues Produkt in China auf den Markt zu bringen. Eine fachliche Weiterbildung soll den Entwicklern ein f?r diese Neuentwicklung fehlendes Methodenwissen vermitteln.

Bildungscontrolling grenzt so den Zweck einer jeweiligen Weiterbildung ein: Ein Leistungsniveau in einem Arbeitssystem ist

  • (wieder) zu erreichen,
  • zu erhalten/zu stabilisieren,
  • zu erh?hen oder 
  • zu erm?glichen.

Diese Bestimmung des Nutzenbeitrages ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung f?r Bildungscontrolling. Ein weiteres ist erforderlich, und zwar die Bestimmung und Erfassung der beabsichtigten Wirkung des Nutzenbeitrags.

Wirkung hei?t in diesem Zusammenhang, die F?higkeiten der Menschen im Hinblick auf einen Produktivit?tszustand zu verbessern. Diese Wirkung kann als Delta zwischen dem Ist und dem Soll des zu benennenden Produktivit?tszustandes geplant, das hei?t ?gemessen?, bewertet, gesch?tzt, vermutet, beobachtet und sp?ter im Vergleich mit diesen planwerten ?gepr?ft? werden. die In- und Outputgr??en im Arbeitssystem liefern die Anhaltspunkte f?r die verifizierbaren Planwerte. Stellt sich die beabsichtigte und geplante Wirkung ein, war die Weiterbildung ein Erfolg.

Brotlose Kunst vermeiden

Bildungscontrolling konzentriert sich also prim?r auf die Wirkungen bei den Leistungsparametern und erst nachgeordnet auf die Wirkungen in Bezug auf die F?higkeiten der menschen29.
29 Wir kehren damit nicht nur die in der Bildungscontrolling-Literatur bislang ?bliche Reihenfolge der vier Evaluationsebenen um (beziehungsweise der f?nf Ebenen bei Phillips, Schirmer (2008)), die letztlich auf das Schema von Kirkpatrick zur?ckgeht (vgl. Kirkpatrick, Kirkpatrick (2006)), sondern reduzieren zudem die Anzahl der Ebenen f?r Bildungscontrolling auf nur noch eine Ebene (Nutzen im Arbeitssystem), mit dem Vorteil, dass der (methodisch sowieso unm?gliche) Nachweis von Korrelationen zwischen den Ebenen komplett entf?llt und Bildungscontrolling damit auch f?r mittelst?ndische Unternehmen praktikabel wird.

Auf deren Ver?nderung kann man auf Grund der Verbesserung des Leistungsniveaus des Arbeitssystems schlie?en. Ein genauerer Nachweis von F?higkeitsverbesserungen der Weiterbildungsteilnehmer ist f?r Bildungscontrolling nicht erforderlich.

Das hei?t nat?rlich nicht, dass Wirkungen auf die F?higkeiten der Mitarbeiter f?r ein Unternehmen nicht relevant w?ren. Sie zu beobachten und zu bewerten ist generell ?u?erst wichtig ? allerdings mit anderem Fokus als dem des Controllings einer Weiterbildungsinvestition. Daher bleibt dieser Aspekt hier au?en vor.

Das kleine Einmaleins des Produktivit?tsmanagements

Die Wirkungen des Nutzenbeitrages einer Weiterbildung auf das Arbeitssystem kann entweder den Output ? die Ausgangsleistung ? des Arbeitssystems erh?hen oder dessen Input ? den Ressourceneinsatz ? verringern. Beim Output sind Umsatz und Mengen erfassbar; beim Input Kosten f?r Ressourcen (Personal-, Material- und Energiekosten).

Neben den quantitativen Wirkungen k?nnen auch qualitative beabsichtigt werden ? zus?tzlich oder als alleiniges Ziel, zum Beispiel die Einhaltung von Qualit?tsstandards, die Erm?glichung neuer Leistungen oder die Verbesserung von sogenannten weichen Faktoren.

Welche Wirkungen (Input oder Output) mit welchen Merkmalen (quantitativ, qualitativ, vorhanden/nicht vorhanden) bei welchem Faktor (Umsatz, Menge, Zeit, Kosten, Qualit?t) erfassbar sind, h?ngt vom jeweiligen Arbeitssystem ab, von der Form des Nutzenbeitrages sowie vom Gegenstand und vom Ziel der Weiterbildung.

Immer gilt, dass nur die Wirkung einer Weiterbildung gemessen, gepr?ft, gesch?tzt, bewertet werden kann, die zuvor, im Planungsprozess, bestimmt und beschrieben wurde. Und f?r diese Beschreibung gilt der Grundsatz: so genau wie n?tig, nicht wie m?glich.

Mit der Benennung der angestrebten Nutzenwirkung(en) einer geplanten Weiterbildung ist der wichtigste und auch der schwierigere Teil30 der Bestimmung des zu ermittelnden Nutzen-Kosten-Verh?ltnisses, das den Fokus von Bildungscontrolling bildet, geleistet. es fehlen nun noch die Kosten. Dazu liegt eine f?lle sinnvoller Vorschl?ge31 vor.
30 An der genauen Bestimmung dessen, worin der ?konomische Nutzen einer Weiterbildung bestehen kann, sind bislang ? von wenigen Ausnahmen abgesehen (vgl. Sieber Bethge (2003) und Harramach (1995)) ? alle Bildungscontrolling-Ans?tze gescheitert (vgl. Fritz (2012)).
31 Vgl. z. B. Sieber Bethge (2003), Harramach (1995), die beide in diesem Zusammenhang auch auf Opportunit?tskosten und anteilige Personalkosten der Personalabteilung eingehen ? etwas schwieriger zu berechnende Kostenbestandteile, ?ber deren Sinn gestritten werden kann.

 

Erbsen z?hlen bringt nichts

Wie genau ein Unternehmen die Kosten erfasst, wird wohl in der Praxis davon beeinflusst, wer die Vorgaben daf?r macht. Ein Personalleiter hat in der Regel andere Vorstellungen als ein Controller. Dieser besteht meist auf der Erfassung der indirekten Kosten der Teilnehmer, oft auch auf der Erfassung der Opportunit?tskosten. Wichtig ist, sich auf ein einheitliches Vorgehen zu einigen. Wie schon bei der Ermittlung der Nutzenwirkung sollte der Grundsatz gelten: So genau wie n?tig, nicht wie m?glich. Die Kosten werden in Beziehung zur Nutzenwirkung gesetzt durch einen einfachen Bruch:

Nutzenwirkung : Kosten.

Das Ergebnis ist die Rentabilit?t der Weiterbildung, keineswegs aber der ROI einer Weiterbildungsinvestition ? auch dann nicht, wenn die Nutzenwirkung monetarisiert wurde.

Welches Nutzen-/Kostenverh?ltnis gilt als angemessen? Grunds?tzlich sollte der Nutzen mindestens die Kosten decken. Die (gegebenenfalls unterstellte) anhaltende Dauer der Nutzenwirkung kann in diesem Grenzfall die Wirtschaftlichkeit einer Weiterbildungsinvestition begr?nden.

Letzten Endes liegt die Entscheidung beim Manager. Er sollte wissen, welche Investitionen er in seinem Zust?ndigkeitsbereich verantworten kann.