DAISY ? internationaler Standard f?r barrierefreie Textvermittlung

DAISY ? internationaler Standard f?r barrierefreie Textvermittlung

Heute ist DAISY in der Zusammenarbeit der mittlerweile 20 Voll- und 45 assoziierten Mitglieder aus allen Kontinenten nicht nur technisch etabliert, sondern auch beim Verbraucher angekommen.

Stockholm ? Mai 1996. Die schwedische Blindenbibliothek Talboks- och Punktskriftsbiblioteket (TPB) l?dt Kollegen aus vier anderen europ?ischen L?ndern und Japan zu einem Treffen in Stockholm ein, das historische Weichen stellt. Acht Jahre lang hatten Techniker, Bibliothekare und Benutzer der TPB bereits an einer Technik get?ftelt, die das H?rbuch ebenso vielf?ltig und leicht nutzbar machen sollte wie ein gedrucktes Buch. Sie waren sich sicher: Mit digitaler Technik muss das m?glich sein. Die schwedische Regierung hatte ein Projekt gef?rdert, industrielle Sachkunde war eingeflossen. Nun war es an der Zeit, die Entwicklung weltweit koordiniert voranzubringen.

Man vereinbarte, die bereits vorhandenen Standards gemeinsam zu entwickeln und weltweit zu koordinieren, und gr?ndete dazu das DAISY-Konsortium. DAISY stand anfangs f?r Digital Audio-based Information System, weil das Audiobuch damals allein im Fokus der Betrachtung stand. Mittlerweile aber steht das ?A? in DAISY ganz allgemein f?r ?Access?, den Zugriff auf Informationen aller Art, f?r einen multimedialen Standard, den auch der ?Branchenf?hrer? Microsoft mittlerweile unterst?tzt.Ausgangspunkt aller ?berlegungen war, den Nutzen eines gedruckten Buches f?r Leserinnen und Leser m?glichst weitgehend auch den H?rern der neuen digitalen H?rb?cher zu erschlie?en, etwa:

  • Bl?ttern hin und her zu beliebigen Stellen, wiederholtes Lesen einzelner Abschnitte;
  • Orientierung in (hierarchisch gegliederten) Inhaltsverzeichnissen;
  • Verwendung von Seitenzahlen;
  • Setzen eigener Lesezeichen.

Zugleich versprach die digitale Zukunft zus?tzliche Vorteile.?Auf einen einzelnen Datentr?ger konnten viele Stunden Tonaufnahme gepackt werden, was dem Nutzer wie dem Versender Vorteile brachte. Es sollte eine Volltextsuche m?glich sein, wenn es gel?nge, ?berschriften oder gar den ganzen Buchtext als Datei mit der Tonaufsprache zu synchronisieren.

Vieles davon ist erreicht. Die Funktionsweise ist nicht einmal schwer zu verstehen: Ein DAISY-Buch enth?lt zun?chst die Tonaufnahme des Druckwerks, und zwar im weitverbreiteten MP3-Format. Damit passen auch dicke B?cher auf eine CD und der Ton l?sst sich auf vielen Standardger?ten h?ren ? f?r eine Romanlesung oder eine Informationsbrosch?re durchaus geeignet.

In einem zus?tzlichen Satz von Strukturdateien finden sich dann die weiteren Merkmale des DAISY-Buches, die mit (freier) Software oder speziellen DAISY-Wiedergabeger?ten genutzt werden k?nnen: die Gliederung des Textes auf verschiedenen Ebenen, ?berschriftentexte, Seitenzahlen. Sie erm?glichen das gezielte ?Bl?ttern? im H?rbuch, auch ?Navigation? genannt.

Heute ist DAISY in der Zusammenarbeit der mittlerweile 20 Voll- und 45 assoziierten Mitglieder aus allen Kontinenten nicht nur technisch etabliert, sondern auch beim Verbraucher angekommen. Das war gerade in L?ndern, in denen es bereits vorher eine brauchbare Medienversorgung f?r blinde Menschen gab, keine Selbstverst?ndlichkeit, wie das Beispiel Deutschland zeigt.

Hier hatten die Herausgeber von H?rmedien, vor allem die gro?en Blindenb?chereien, zwar das Potenzial der neuen Technik fr?h erkannt (und es durch aktive Mitarbeit im DAISY-Konsortium gef?rdert). Aber die Benutzer hatten sich sehr an die Kassettentechnik gew?hnt, die mit preiswerten Ger?ten aus dem ?rtlichen Fachhandel funktionierte. Manche taten sich schwer, teure DAISY-Wiedergabeger?te zu kaufen (die die Krankenversicherungen lange nicht als Hilfsmittel anerkennen wollten), weil ihr alter Audio-CD-Spieler die Wiedergabe der neuen MP3-CDs verweigerte.

Eine ?konzertierte Aktion? der H?rbuchanbieter mit den Interessenvertretungen der blinden und sehbehinderten Menschen sollte helfen. W?hrend der Deutsche Blinden-und Sehbehindertenverband beschloss, das DAISY-System als zentrale Informationsplattform f?r sich und seine Landesverb?nde zu benutzen und damit die Mitgliederinformation revolutionierte, legten die H?rb?chereien sich auf den Ausstieg aus der Kassettentechnik fest. Seit dem Jahr 2010 leihen sie nur noch DAISY-H?rb?cher aus.

Die meisten Anbieter von Zeitungen und anderen Inhalten als H?rmedium folgten diesem Beschluss. Doch kleinere regionale Selbsthilfevereine hatten es nicht leicht, die technischen und organisatorischen H?rden zu ?berwinden. Schlie?lich mussten sie nicht nur Vervielf?ltigung und Versand von Datentr?gern neu organisieren ? auch der Umgang mit digitaler Tonaufzeichnung und der Software zur Herstellung der DAISY-Struktur musste vermittelt werden. Barrierefreiheit muss hier auch f?r die Gestalter gelten, denn viele blinde Menschen arbeiten in den Redaktionsgruppen verantwortlich mit.