Warum wegschauen kostet
Betriebsgeheimnis Sucht - Warum Wegschauen kostet
Der Suchtmittelkonsum stagniert in Deutschland auf einem hohen Niveau. So gibt es in vielen ? auch kleinen und mittleren ? Unternehmen Besch?ftigte, die an einer Suchterkrankung leiden oder einen riskanten Konsum pflegen. Unternehmer, F?hrungskr?fte aber auch Kolleginnen und Kollegen tragen eine betriebliche und gesellschaftliche Verantwortung: Sie sollen verhindern, dass der Betroffene sich selbst und dem Unternehmen schadet; ihn aber auch dabei unterst?tzen, sich von seiner Suchterkrankung oder Abh?ngigkeit zu befreien.
Der wichtigste Schritt im Betrieb ist daher genau hin- und nicht wegzuschauen, wenn der Mitarbeiter oder die Kollegin sich auff?llig verh?lt und sich ver?ndert. Dieses Faktenblatt richtet sich insbesondere an Verantwortliche und F?hrungskr?fte in kleinen Unternehmen.
Wirtschaftliche und soziale Bedeutung von Sucht
Seit Jahren steigt der Anteil psychischer Erkrankungen an der Gesamtheit des Arbeitsunf?higkeitsgeschehens. Suchterkrankungen, die zu den psychischen Erkrankungen z?hlen, haben dabei ein hohes Gewicht: So nehmen beispielsweise bei den M?nnern die "psychischen und Verhaltensst?rungen durch psychotrope Substanzen" den dritten Rang innerhalb dieser Erkrankungsgruppe ein.
S?chte unterscheidet man nach dem Suchtmittel: Alkohol, illegale Drogen oder Tabak geh?ren zu den stoffgebundenen, Internet-/ Spieloder Kaufsucht zu den stoffungebundenen S?chten.
Suchtprobleme verursachen immense volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Kosten: Studien gehen davon aus, dass in Deutschland die alkoholbedingten volkswirtschaftlichen Kosten 2007 bei 26,7 Mrd. Euro lagen. Auf betrieblicher Ebene fallen Besch?ftigte mit Suchtproblemen oft durch erh?hte Fehlzeiten, mangelndes berufliches Engagement oder Leistungseinbu?en auf und k?nnen zudem die Arbeitssicherheit gef?hrden. Bezogen auf den einzelnen Betrieb wird gesch?tzt, dass "jeder f?nfte bis zehnte Mitarbeiter in Unternehmen Alkohol in riskanter oder gar sch?dlicher Weise konsumiert".
Neben Alkohol- und Nikotinabh?ngigkeit stellen illegale Drogen, Medikamentenmissbrauch und Internetsucht die Unternehmen zunehmend vor Probleme. Allerdings gibt es hier starke Unterschiede zwischen den Altersgruppen: Insbesondere bei Jugendlichen und Auszubildenden gewinnen illegale Suchtmitteln wie Cannabis oder Ecstasy an Bedeutung.
Neben den direkten wirtschaftlichen Kosten d?rfen die individuellen und sozialen Auswirkungen nicht vergessen werden. Besonders stark belastet eine Sucht die famili?ren Beziehungen, enge Familienangeh?rige werden durch eine Suchterkrankung mit "eingefangen". Und nicht zu vergessen: Suchterkrankungen haben f?r den Betroffenen gravierende k?rperliche und psychische Auswirkungen; sie reduzieren die Lebenserwartung, k?nnen zum Verlust des Arbeitsplatzes f?hren und manchmal auch den sozialen Abstieg einleiten.
Ich habe einen betroffenen Mitarbeiter ? Was muss und kann ich als F?hrungskraft tun?
Auch in kleinen Unternehmen kommt es vor, dass ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin von Suchtmitteln abh?ngig ist oder riskant konsumiert. F?hrungskr?fte sind in diesem Fall stark gefordert: Sie als Vorgesetzter m?ssen zum einem daf?r sorgen, dass der Besch?ftigte die geforderten Anforderungen erf?llt und der Betrieb "rund l?uft". Zum anderen haben sie eine besondere F?rsorgepflicht gegen?ber dem Mitarbeiter. Die im Folgenden dargestellten Punkte sollen Ihnen als Wegweiser dienen, wie Sie in einem akuten Fall reagieren k?nnen.
Beachten Sie ihre Pflichten und Aufgaben: Hinschauen ? nicht wegsehen
Zu den Grundpflichten des Arbeitgebers bzw. der F?hrungskraft geh?rt es nach ? 3 Arbeitsschutzgesetz, ?die erforderlichen Ma?nahmen des Arbeitsschutzes unter Ber?cksichtigungder Umst?nde zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit derBesch?ftigten bei der Arbeit beeinflussen.? Dazu geh?rt auch,dass Unternehmerinnen und Unternehmer ?Versicherte, dieerkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr f?rsich oder andere auszuf?hren, mit dieser Arbeit nicht besch?ftigen? (? 7 Unfallverh?tungsvorschrift BGV A1). Dies bedeutet:Sollte ein Mitarbeiter durch Alkoholoder Drogenmissbrauchauffallen, m?ssen Sie als Vorgesetzter t?tig werden!
Zudem haben Sie daf?r zu sorgen, die Arbeit ?am Laufen zuhalten? und die unternehmerischen Ziele zu erreichen. Dabeispielt die F?hrung der Mitarbeiter eine wesentliche Rolle. DieF?hrungskr?fte m?ssen die Mitarbeiter an ihre vertraglichenVerpflichtungen erinnern. Zu diesen geh?rt es auch, sich ?durchden Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschendenMitteln nicht in einen Zustand zu versetzen, durch den sie sichselbst oder andere gef?hrden k?nnen?.
Seien Sie aufmerksam, erkennen Sie Probleme ? aber stellen Sie keine Diagnose!
Sie als F?hrungskraft stehen in regelm??igem Kontakt mitihrem Mitarbeiter. Seien Sie achtsam f?r langfristige Ver?nderungen im Verhalten, Aussehen und allgemeinem Auftreten.Anzeichen f?r suchtbedingte Probleme k?nnten sein:
- eingeschr?nktes Selbstvertrauen
- hohe Fehlerquoten
- auff?llige Leistungseinbu?en
- Stimmungsschwankungen
- extrem verlangsamtes Arbeiten
- sozialer R?ckzug
- Selbstgespr?che, Zw?nge
- hohe Ausfallzeiten
- verminderte Kritikf?higkeit
- starke Gereiztheit
- Nachlassen der Konzentration und Merkf?higkeit
- Ver?nderungen im Erscheinen (ungepflegt,Gewicht, Alkoholgeruch)
Sie haben eine Ver?nderung wahrgenommen? Seien Sie weiterhin aufmerksam, aber stellen Sie keine Diagnose! Eine Einordnung der Situation kann nur ein Arzt vornehmen, m?glicherweise verbergen sich auch ganz andere Gr?nde ? zumBeispiel in der famili?ren Situation ? dahinter.
Suchen Sie sich Informationen, Beratung und Unterst?tzung,falls Sie ?ber das geeignete Vorgehen unsicher sind!
Gerade bei Suchterkrankungen ben?tigen F?hrungskr?fte oftUnterst?tzung. Folgende Ansprechpartner k?nnen helfen:
- Berufsgenossenschaft (?ber www.dguv.de)
- Haus-/Fach?rzte, Betriebsarzt
- Integrationsamt (?ber www.integrationsaemter.de)
- Kammern und Verb?nde
- Krankenkasse
- regionale Suchtberatungsstellen (?ber www.dhs.de)
F?hren Sie ein Gespr?ch mit dem Betroffenen
Kl?ren Sie zun?chst Ihre eigene Rolle, die Sie gegen?ber demBetroffenen aus?ben wollen. Im Unterschied zu gr??eren Unternehmen kann eine F?hrungskraft in kleinen Unternehmenkritische Personalgespr?che nicht an die Personalabteilungoder einen besonders geschulten Personalverantwortlichenweitergeben. In der Regel muss sie Kl?rungs- und Konfliktgespr?che selbst planen und durchf?hren ? eine Aufgabe, dieheikel und schwierig sein kann. Denn insbesondere in kleinenUnternehmen ist die Beziehung zwischen F?hrungskraft undMitarbeiter oft sehr eng: Der Inhaber ist manchmal gleichzeitig F?hrungskraft, Fachkollege oder sogar Freund. Es ist deshalb notwendig, dass Sie Ihr Verh?ltnis zu dem Mitarbeitereinsch?tzen und f?r sich die ?Rolle? definieren, mit der Sie demMitarbeiter gegen?berstehen wollen: M?chten Sie das Gespr?ch mit ihm oder ihr auf einer beruflich-fachlichen Ebenef?hren, wollen Sie evtl. sogar ?ber negative Konsequenzen desFehlverhaltens sprechen oder m?chten Sie Ihre freundschaftliche Besorgnis ausdr?cken?
Sie sollten dieses Gespr?ch gut planen und strukturieren.
Zentraler Inhalt des ersten Gespr?chs ist, Probleme mit derArbeitsleistung und dem Arbeitsverhalten zu benennen oderandere Auff?lligkeiten anzusprechen. Es ist hilfreich, sich dabeian folgenden Leitfragen zu orientieren:
- Was sind meine Motive f?r dieses Gespr?ch?
- Was ist mein Gespr?chsziel (konkret, positiv formuliert)?
- Was sind meine Interessen in diesem Gespr?ch?
- Welche Motive vermute ich bei meinemGespr?chspartner?
- Welche Themen m?chte ich ansprechen?
- Welche m?glichen Konflikte sehe ich?
- Was ist mir f?r eine L?sung wesentlich?
- Welche m?glichen ?bereink?nfte sehe ich?
Sprechen Sie Probleme an, stellen Sie keine Diagnose, machenSie keine Vorw?rfe! Ein Gespr?ch k?nnte wie folgt ablaufen:
- Machen Sie zu Anfang des Gespr?chs deutlich, welchenStellenwert dieses f?r sie hat und welche KonsequenzenSie aus dem Ergebnis ziehen.
- Stellen Sie m?glichst konkret dar, welche Auff?lligkeitenoder Fehler Sie oder andere beobachtet haben.
- Vermitteln Sie aber auch, dass Sie den Mitarbeitersch?tzen und Sie Wert darauf legen, die bestehendenProbleme gemeinsam zu l?sen.
- Geben Sie dem Mitarbeiter Gelegenheit, seine eigeneSichtweise darzustellen.
- Bieten Sie ein Wiederholungsgespr?ch an, eventuell mitUnterst?tzung der oben genannten externen Fachleute,falls der Betroffene das Gespr?ch abblockt.
- Stellen Sie dar, dass die Fortf?hrung des negativenVerhaltens von Ihnen nicht geduldet werden kann undSie Ver?nderungen erwarten.
Bieten Sie aber auch Unterst?tzung und L?sungsans?tze an:
Ziel sollte es sein, f?r den Betroffenen eine gute L?sung zu finden, die auch f?r das Unternehmen tragbar ist. Das kann dieVermittlung an eine regionale Suchtberatungsstelle, aber auchdie Einleitung von organisatorischen Ma?nahmen sein, dieden Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin zu entlasten.
Beugen Sie vor ? Betriebliche Suchtpr?vention!
Nehmen Sie den aktuellen Fall zum Anlass, etwas pr?ventiv f?r die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter zu tun. Um f?r einenerneuten Fall gewappnet zu sein, bzw. einen neuen Fall garnicht erst entstehen zu lassen, sollten Sie ?ber Ma?nahmenzur betrieblichen Suchtpr?vention nachdenken. Unter Suchtpr?vention versteht man das Prinzip, ?die gesund erhaltendenRessourcen zu st?rken (Gesundheitsf?rderung) und die Risikofaktoren, die einen riskanten Substanzgebrauch beg?nstigenund die Gesundheit gef?hrden, zur?ckzudr?ngen (Pr?vention)?(Wienemann 2011). Betriebliche Suchtpr?vention ist einwichtiger Baustein eines betrieblichen Gesundheitsmanagements.?Falls Sie dieses Thema in Ihrem Unternehmen nochnicht aufgegriffen haben:
Weitere Informationen, Literaturhinweiseund Ansprechpartner finden Sie zum Beispiel
aufwww.dhs.de,
Wie k?nnen Sie Suchtpr?vention umsetzen?
- Schulen Sie Ihre F?hrungskr?fte: Sie ben?tigen inIhrer Funktion und zur Wahrnehmung ihrer Pflichtenumfangreiche Kenntnisse.
- Schaffen Sie ? beispielsweise mit einer Betriebsvereinbarung ? verl?ssliche Regeln und Verbote: Verbotvon Alkohol, Benennung von Ansprechpartnern undUnterst?tzern oder das Vorgehen in einem akuten Fall.
- Bieten Sie interessierten Besch?ftigten an, sich zumSuchtkrankenhelfer ausbilden zu lassen; diese k?nnenals erste, kollegiale Ansprechpartner dienen-
- Auch im Rahmen des betrieblichen Arbeitsschutzesgibt es Ansatzpunkte, um das Thema Suchtpr?ventionzu bearbeiten. So k?nnen Sie bspw. im Rahmen derGef?hrdungsbeurteilung Belastungen und Risikenerfassen, die zu Suchtproblemen f?hren k?nnen.
Zu allen genannten Ma?nahmen erhalten Sie auch Informationen und Unterst?tzung von der zust?ndigen Berufsgenossenschaft und den gesetzlichen Krankenkassen.