Abgrenzung des Karrierebegriffs

Eine differenzierte Betrachtung des Karrierebegriffs ist n?tig, da die Konnotation des deutschen Wortes ?Karriere? stark von der des englischen Wortes ?career? abweicht, beide W?rter aber oftmals synonym verwendet werden. Im englischen Sprachgebrauch bezeichnet career schlichtweg die berufliche Entwicklung einer Person im Laufe der Erwerbst?tigkeit, ohne sich dabei notwendigerweise auf hierarchische Ebenen oder Verantwortungs?bernahme zu beziehen (Bohnic, 2008; Abele, 1994). Diesem Verst?ndnis liegt der lateinische Begriff ?carraria? zugrunde, der ?bersetzt so viel wie ?Stra?e? oder ?Weg? bedeutet (Wachter, 1999 nach Litz, 2012). Im deutschen Sprachgebrauch hingegen klingt bei dem Begriff der Karriere traditionell der erfolgreiche Aufstieg in der Hierarchie eines Unternehmens mit (Hertig, 2008). Hier wird die altgriechische Bedeutung zur etymologischen Begriffsbestimmung herangezogen, wo der Begriff eine Art von Wettlauf bezeichnet (El-Sawad, 2005). Auf die Karriere einer Person ?bertragen, impliziert dies ein m?glichst schnelles Durchlaufen von Positionen (Friedli, 2002). Aufgrund der unterschiedlichen Begriffsbestimmungen ist der englische Begriff career in bestimmten Zusammenh?ngen besser durch Laufbahn oder Berufsentwicklung zu ?bersetzen als mit dem deutschen Wort Karriere (Williams, 1995). An dieser Stelle geht es prim?r darum, eine Definition festzulegen, die das hier verwendete Verst?ndnis des Karrierebegriffs markiert.

Arthur et al. (1989) legen eine allgemeine Definition f?r Karriere vor: ?[A] career is the evolving sequence of a person?s work experience over time? (Arthur, Hall & Lawrence, 1989, S. 8). Dieser Definition schlie?en die Autoren einige Erkl?rungen an. Zum einen weisen sie darauf hin, dass berufliche Erfahrungen f?r jede Person etwas anderes bedeuten und dass diese Erfahrungen jeweils aus Sicht der Person, der Organisation als auch der Gesellschaft unterschiedlich interpretiert werden k?nnen. Zum anderen heben die Autoren die zeitliche Dimension dieser Definition hervor und erkl?ren, dass sich das Verst?ndnis von der eigenen Karriere im Zeitverlauf ver?ndern kann. Die Autoren unterstreichen des Weiteren das Zusammenspiel von Einfl?ssen, die im Individuum selbst liegen und solchen, die extern bestimmt werden (siehe 1.4 Karrieremanagement). Der Einfluss, den Organisationen und Institutionen auf die Karriere einer Person haben, wird beispielsweise an der Verf?gbarkeit von Stellen, den Positionstiteln und der Bedeutung von Hierarchiestufen deutlich, die das Voranschreiten einer Karriere belegen (Sullivan, 1999; Arthur et al., 1989; Baruch, 2006). Auf diese objektiven Marker von Karrieren wird im Abschnitt 3.3 Wahrnehmung der Karriere n?her eingegangen.

Die Indikatoren, die eine Karriere nach au?en sichtbar machen, haben sich im Laufe der Zeit diversifiziert. Als Grund hierf?r kann r?ckblickend die Verschiebung des Verh?ltnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber angef?hrt werden, die zu einer ver?nderten Auslegung des psychologischen Vertrages f?hrte (Conway & Briner, 2005; Rousseau, 1995; Rousseau, 1989; Schein, 1990). Rousseau (1995, 1989) beschreibt einen psychologischen Vertrag als die Kombination individueller mentaler Vorstellungen und Erwartungen eines Arbeitnehmers ?ber die reziproken Austauschverh?ltnisse bez?glich Obligationen, die zwischen Individuum und Organisation bestehen. Aus unternehmerischer Sicht hat sich seit Ende des 20. Jahrhunderts dieses Austauschverh?ltnis folgenderma?en ge?ndert: Karrieren, die allen Arbeitnehmern Sicherheit bieten, stehen nicht l?nger im Fokus. Vielmehr hat sich ein bedarfsorientiertes Verst?ndnis entwickelt, bei dem nur diejenigen Arbeitnehmer Entwicklungsm?glichkeiten angeboten bekommen, die seitens der Organisation ben?tigt werden und die zum Unternehmen passen (Rousseau, 1995, 1996; Hall, 1996a; Herriot & Pemberton, 1995; Shore & Tetrick, 1994). Die ver?nderte Wahrnehmung des psychologischen Vertrages hat auch bei den Arbeitnehmern eine ver?nderte Wertehaltung angeregt. So verfolgen unterschiedliche Arbeitnehmer heute verschiedene Karriereziele (Shore & Tetrick, 1994) und haben ein unterschiedliches Verst?ndnis davon, was eine erfolgreiche Karriere ausmacht (Gunz & Heslin, 2005). Menschen suchen in der Arbeit heutzutage mehr nach Autonomie, Lifestyle Balance und Kreativit?t und nicht mehr allein nach Stabilit?t und Sicherheit, die eine Festanstellung bietet (Schein, 1990). Au?erdem spielt die Kompatibilit?t von Arbeitsund Privatleben eine zunehmend gro?e Rolle, da es z. B. mehr berufst?tige Paare (dual career couples) gibt, die neben dem Beruf eine Familie gr?nden (Lyons, Ng & Schweitzer, 2014; Mainiero & Sullivan, 2005; Rump & Eilers, 2014). Diese ver?nderte Wertehaltung seitens der Arbeitnehmer geht mit einem abnehmenden Commitment dem Arbeitgeber gegen?ber und sogleich mit einer Abnahme des Bed?rfnisses nach einem einzigen Arbeitgeber einher (Schein, 1990; Rousseau, 1995). Bereits die gesteigerte Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, f?hrt dazu, dass die Definition von Karriere, die traditionell an einen Arbeitgeber gebunden ist, ?berdacht werden sollte (Arthur & Rousseau, 1996; Baruch, 2006; Cascio, 2000; Hall, 1996b, 2002). Eine lineare Aufw?rtsentwicklung in einer Unternehmenshierarchie stellt zwar noch immer eine Form der Karriere dar, ?ber diese hinaus gibt es jedoch zahlreiche weitere Entwicklungsm?glichkeiten, die Menschen im Laufe ihres beruflichen Werdegangs einschlagen k?nnen (Rump et al., 2014; Litz, 2012; Sullivan, Carden & Martin, 1998; Schein, 1990). Das lebenslange Lernen und Sammeln von Erfahrungen steht heute st?rker im Fokus des Karriereverst?ndnisses (Rump et al., 2014; Hall, 2002).

Wie die obigen Ausf?hrungen nahelegen, ist ein alleiniges Verst?ndnis von Karriere im Sinne des vertikalen Aufstiegs in einer Unternehmenshierarchie zu eng gefasst. Aus den Ver?nderungen der Rahmenbedingungen heraus, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer heutzutage bewegen, haben sich Karrierekonzepte entwickelt, die letztendlich zu einer Bedeutungsverschiebung des Karrierebegriffs gef?hrt haben und nach einem weiter gefassten Verst?ndnis von Karriere verlangen (Dubbert & Linde, 2000; Neuh?user, Bissels & K?hler, 2004). Entsprechend wird im Rahmen dieser Arbeit folgende Auslegung des Karrierebegriffs verwendet:

Als Karriere oder beruflicher Werdegang wird die berufliche Entwicklung eines Individuums im Laufe des Lebens verstanden, die durch hierarchische Aufw?rts-, Seitw?rtsund Abw?rtsbewegungen sowie Unterbrechungen gekennzeichnet sein kann. Eine Karriere ist als Eigentum eines Individuums zu verstehen, die zumeist von institutionellen Rahmenbedingungen beeinflusst ist (z. B. Laufbahnmodelle, Gestaltung der Unternehmenshierarchie etc.), jedoch vom Individuum selbst gestaltet wird (angelehnt an die Ausf?hrungen nach Baruch, 2006; Hall, 1996b, 2002; Hitzler & Pfadenhauer, 2003; Rump et al., 2014; Sieber Bethke, 2013).