Phase 2: ?Sortieren & Verdichten?

Um Wissen produktiv zu machen, m?ssen wir lernen, sowohl den Wald als auch den einzelnen Baum zu sehen. Wir m?ssen lernen, Zusammenh?nge herzustellen.

Peter Drucker

Bevor ?ber L?sungen gesprochen werden kann, besteht der erste Schritt in der Auseinandersetzung mit der heutigen Situation und den Herausforderungen, welche die Zukunft mit sich bringen kann. Erfahrungsgem?? ist ein allzu schneller Eintritt in die Diskussion ?ber Zukunftsentw?rfe riskant: Auf diese Weise k?nnen ?unrealistische? Optionen hervorgehen, die den Bezug zu bestehenden Problemen und M?glichkeiten verlieren. Neben diesem erh?hten ?Luftschlossrisiko? kann in der Organisation schlicht ein ung?nstiger Umgang mit der Frage entstehen, was beibehalten und was erneuert werden soll: Je lauter die Vertreter der einen Seite werden, umso lauter werden auch die anderen, Schl?sselpersonen ziehen nicht mit, man tritt auf der Stelle und die Pl?ne bleiben Pl?ne. Der Weg an den Problemen vorbei in Richtung L?sung wird nur selten belohnt. H?ufiger als erwartet ist am Ende dieser Phase nicht nur klar, was entschieden werden muss ? mitunter liegen auch die Entscheidungsalternativen bereits offen zutage.

Diese Phase dient als Rahmen, wie diese Bestandsaufnahme gelingen kann. Dabei geht es um das Zusammentragen und Sortieren: Was geh?rt zusammen und was nicht? Was spricht f?r eine Erneuerung und was dagegen? Dieser Prozessschritt verl?uft h?ufig nicht als ein linearer ?Rechenweg?, sondern gleicht meist eher einem Einkreisen. Informationen ?ber das Unternehmen und seine Umwelt werden so kombiniert, dass Schritt f?r Schritt f?r alle Beteiligten klarer und nachvollziehbarer wird, worauf reagiert werden soll oder muss (strategische Herausforderungen). M?gliche Handlungsalternativen werden w?hrenddessen bereits aufgenommen (Optionen). Je mehr (relevante) Informationen (sinnvoll) kombiniert werden, desto mehr Klarheit entsteht dabei auch f?r den Schwerpunkt und Zuschnitt des gesamten Prozesses (Fokus). Im Verlauf entwickeln sich in aller Regel Fragen, die nicht unmittelbar beantwortet werden k?nnen und zu einer Rechercheunterbrechung einladen. Auf diese Weise bleibt gew?hrleistet, dass nicht zeitaufwendig am Fokus vorbeirecherchiert wird. Sie sehen: eine anspruchsvolle Angelegenheit.

Handlungsleitend f?r diese Phase ist die Frage: Wodurch wird das eingangs formulierte Problem zum Problem? Welchen Sinn hat das, was als problematisch empfunden wird, f?r die Organisation (gehabt)? Ma?geblich ist, wie gut die am Prozess Beteiligten diese Dynamik verstehen. Diese Phase wird beendet, wenn hinreichend plausibel ist,

  • warum eine L?cke zwischen Anspruch und Wirklichkeit entstanden ist und
  • was ver?ndert beziehungsweise entschieden werden muss, damit das Unternehmen zukunftsf?hig bleibt oder wird.

Das Leitinstrument dieser Phase ist die strategische Ausgangslage. Es ist so angelegt, dass ausgehend von den Gesch?ftsfeldern des Unternehmens relevante Umweltinformationen, offene Fragen und m?gliche Widerst?nde thematisiert werden, bis hinreichend klar ist, welche strategischen Herausforderungen ins Haus stehen ? auf welche dr?ngenden Fragen es also Antworten zu finden gilt und was ignoriert werden soll, um auch in Zukunft wettbewerbsf?hig zu bleiben.

Anders als in der Beschreibung der ersten Phase m?chten wir Ihnen einen ?Beipackzettel? dazulegen:

  • Der Abschnitt ?Die Gesch?fte im Zusammenspiel? legt eine gewisse Ordnung f?r den gesamten inhaltlichen Prozess zugrunde. Dabei wird zun?chst die bestehende Sortierung der Gesch?ftsfelder aufgenommen und mit Basisdaten gest?tzt. Haben Sie Anlass f?r die Annahme, dass die Segmentierung unsauber oder generell verbesserungsw?rdig ist, kann eine ?berarbeitung an dieser Stelle hilfreich sein (vgl. S. 78).
  • Im zweiten Abschnitt ?Positionierung und Perspektiven? geht es zun?chst darum, dass Sie aus gehend vom Kunden eine grundlegende Marktpositionierung erarbeiten, die durch eine Betrachtung der Kernkompetenzen sowie der St?rken, Schw?chen, Chancen und Risiken erg?nzt werden kann. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen interner und externer Sicht: Beides kann interessante Potenziale offenlegen.
  • Auch f?r den ersten Blick in die Zukunft passt die Unterscheidung zwischen externen Trends und Entwicklungen auf der einen und quasi internen Treibern ? insbesondere in Form der Interessen und Motive der Entscheider ? auf der anderen Seite.
  • Unter der ?berschrift ?Offenes und Widerst?nde? verbergen sich zwei Punkte, die inhaltlich nicht viel miteinander zu tun haben, sich aber in einer Hinsicht ?hneln: Sie k?nnen den weiteren Prozess beeintr?chtigen oder blockieren. Dabei geht es erstens um Fragen, die inhaltlich nicht (unmittelbar vor Ort) gekl?rt werden k?nnen. Erfahrungsgem?? ist eine Unterbrechung mitsamt der Verabredung, wer sich bis wann um das Einholen fehlender Informationen k?mmert, sinnvoll. Der zweite Aspekt tr?gt die ?berschrift ?Widerst?nde?. Hier k?nnen Sie m?gliche H?rden f?r den weiteren Prozess benennen und nachhalten. So unscheinbar dieser Aspekt daherkommt, so wichtig ist er ? schlie?lich gibt es immer Gr?nde, warum die Entwicklung eines Unternehmens nicht im Sinne des Entscheiderkreises verl?uft und ohne deren Bearbeitung Ideen nur schwer oder gar nicht den Weg in die Umsetzung finden.
  • Last but not least k?nnen Sie unter dem Punkt ?Leitplanken f?r die Zukunft? inhaltliche Rahmenbedingungen auf unterschiedlichen Ebenen festhalten. Dies betrifft zum einen den unternehmenspolitischen Rahmen im Sinne von Grundsatzentscheidungen, die nicht angetastet werden sollen. So kann sich der Kreis etwa darauf verst?ndigen, dass infolge des Prozesses niemand gek?ndigt wird (auch wenn dies wom?glich im Sinne der Unternehmensentwicklung w?re). Oder Sie verst?ndigen sich darauf, dass nur L?sungen angestrebt werden, die mit ?Bordmitteln? zu schultern sind. Daneben werden bereits bestehende Optionen f?r die Weiterentwicklung der Gesch?fte festgehalten, damit sie im weiteren Prozess nahtlos aufgegriffen werden k?nnen. Als Ergebnis und Ausgangspunkt f?r die n?chsten Schritte k?nnen Sie Ihre strategischen Herausforderungen benennen, auf die Sie sich geeinigt haben. Eine Priorisierung hilft bei der zuk?nftigen Ausgestaltung des Prozesses.

Leitinstrument "Strategische Ausgangslage"

Eine m?gliche Anwendung des Leitinstruments besteht darin, dass Sie es im F?hrungskreis Schritt f?r Schritt durchgehen und ausf?llen. ?bereinstimmungen k?nnen Sie festhalten oder hinterfragen. Wesentlicher ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Aspekten, die unterschiedlich beschrieben, erkl?rt oder bewertet werden. Dabei gibt es keine Pflicht zum Konsens, aber es empfiehlt sich eine Kl?rung, soweit m?glich. Unterschiede k?nnen Sie (beispielsweise andersfarbig) hervorheben. Nach einer Gesamtschau stellen sich die ent?scheidenden Fragen, ob ein gemeinsames und tragf?higes Bild ?ber die Ausrichtung des Prozesses entstanden ist und ob der Fokus inklusive der angedachten Arbeitsweise dazu geeignet ist, ein reelles Problem sinnvoll zu bearbeiten.

Genauso ist es jedoch auch m?glich, dass Sie die Fragen des Leitinstruments ?lediglich? als roten Faden im Kopf behalten und den einzelnen Themenkomplexen etwas freier nach? gehen. Die Zusammenf?hrung und Dokumentation k?nnen dann beispielsweise wieder ?ber das Leitinstrument erfolgen. Welche Rolle es im Prozess einnehmen soll, ist sowohl eine Geschmacksfrage als auch stark abh?ngig vom jeweiligen Einzelfall.

Hinweise und Erfahrungswerte

  • Die W?rdigung des IST-Zustandes kann bereits vieles ver?ndern. In manchen Prozessen war am Ende dieser Phase alles klar, was gekl?rt werden sollte. Aber auch dort, wo die Bestandsaufnahme nicht ?per Zauberhand? zu einer Unternehmensstrategie gef?hrt hat, waren ?Quick Wins? eher die Regel als die Ausnahme, beispielsweise in Form von Anpassungen des Webauftritts und der Vertriebsmaterialien.
  • Der Feind der Gr?ndlichkeit ist die Schnelligkeit und der Feind der Schnelligkeit ist die Gr?ndlichkeit. Wer sich f?r das eine entscheidet, kann sehr davon profitieren, sich die Frage nach der anderen Seite zu stellen. Als wichtigstes Instrument bietet sich deshalb in dieser Phase das Gesch?ftsmodell-Cockpit (S. 18) an. Auf dieser Grundlage k?nnen Sie pointiert diskutieren und zusammenf?hren, wie das Unternehmen heute im Kern funktioniert. Nur dort, wo es Ihnen sinnvoll und n?tig erscheint, erg?nzen Sie die Analyse durch vertiefende Tools (ab S. 66). In der Fachliteratur findet sich mitunter eine auf inhaltliche Fragestellungen reduzierte Methodik ? ausgehend von den Aufgaben der Organisation. So wichtig dies ist, kann ein Blick auf die in der Organisation wirksamen Interessen mindestens ebenso aufschluss- und folgenreich sein. Gelegentlich sind es genau die Widerspr?che zwischen diesen beiden Ebenen, die dem Stillstand zugrunde liegen. Tritt beispielsweise erst einmal offen zutage, dass der unternehmerisch sinnvolle Expansionskurs massiv mit den R?ckzugsbewegungen der Gesch?ftsf?hrung kollidiert, l?st das noch nicht das resultierende Problem, aber es entsteht Transparenz dar?ber, was letztlich nicht vereinbar ist. Mithilfe dieser Transparenz k?nnen Sie einige Optionen ein- und andere ausschlie?en ? und jeder kann das ?Warum? verstehen.
  • So gut auch die Auftragskl?rung war, so sehr bleibt die Phase ?Sortieren & Verdichten? eine Blackbox. Niemand kann sicher vorhersehen, welche Dynamiken sich entfalten, welche Konflikte entstehen und auf welchen Ebenen diese liegen. Das Problematische daran: F?r die Diagnose ist mitunter recht fundiertes Ver?nderungswissen gefragt, um beispielsweise einordnen zu k?nnen, dass in der von der Gesch?ftsf?hrerin gepr?gten Kultur des Unternehmens keine inhaltlichen Auseinandersetzungen m?glich sind. Beschleicht Sie das Gef?hl, dass Sie trotz gewissenhaften Arbeitens keine echten Fortschritte erzielen, erw?gen Sie das Hinzuziehen einer externen Begleitung.
  • Reservieren Sie am Ende jeden Workshoptages etwas Zeit, um im Teilnehmerkreis ?ber den Prozess selbst zu reflektieren: Was hat gefehlt? Wie ist die Stimmung? Wie haben sich die Teilnehmer gef?hlt? Eine gemeinsame Reflexion er?ffnet Chancen f?r ein sinnvolleres Miteinander, was mitunter mehr einbringt als manch detailverliebter Disput ?ber Alleinstellungsmerkmale oder Markttrends.