F?hrung ist in der Krise und das gleich dreifach, so die Hypothese im Editorial des RKW-Managementbriefs 1/2019. Das klingt zun?chst einmal bedrohlich. Tats?chlich ist das Wort Krise deutlich negativ besetzt. Doch Krisen ? und dies ist entscheidend ? setzen auch Energien frei, die produktiv genutzt werden k?nnen. So etwa zur Selbsterneuerung: Denn eine Krise macht bekannterma?en offensichtlich, dass es so wie bisher nicht gut weitergehen kann. Daf?r braucht es keine tiefe Analyse.

Voraussetzung f?r eine Selbsterneuerung von F?hrung ist, dass man sich ?ber die aktuelle spezifische F?hrungsherausforderung im Klaren ist. Was wir Ihnen anbieten m?chten, ist unsere Perspektive auf die Ausgangssituation, welche Kompetenzen f?r F?hrungskr?fte als Antwort darauf dienlich sein k?nnen sowie einige ganz praktische n?chste Schritte.

Ausgangssituation

Viele F?hrungsinitiativen (getrieben durch Managementmoden ? und trotz der Tatsache, dass agile Methoden in aller Munde sind) antworten auf Komplexit?t weiterhin mit noch mehr Komplexit?t und erweisen damit der eigenen Organisation einen B?rendienst. F?hrungskr?fte sehen sich dadurch ihrer Wirksamkeit beraubt. Sie m?ssen mit hohem operativen Druck umgehen und fokussieren dadurch h?ufig auf das Kerngesch?ft. F?r Exploration (March 1991) und den Blick ?ber den Tellerrand bleibt in der Regel wenig Zeit. Zu ambitioniert sind die Ziele, zu m?hsam das Erreichen der KPIs, zu fordernd die vielen parallelen Projekte. Da hilft nur ?wirklich ranklotzen?, vom selben immer mehr und mehr machen, damit man alles schaffen kann. Strukturelle Ersch?pfung ist der Preis daf?r, verbunden mit einem deutlichen (nicht zuletzt gesundheitlichen) Selbstgef?hrdungspotenzial der F?hrung (Wimmer 1995, S. 92).

Doch damit nicht genug, denn irgendwo hinten links lauert noch die Gefahr der Disruption des Heimatmarktes und des eigenen Gesch?ftsmodells. Da schleicht sich der Gedanke ein, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, wenn man das Gleiche einfach immer etwas besser macht (March 1991). Man hat es ja gesehen, in anderen Branchen. Von heute auf morgen kam jemand, der hat es ganz anderes gemacht als die tradierten Unternehmen und doch die gleichen Bed?rfnisse der Kunden schneller, besser und billiger getroffen - siehe die vielzitierten Beispiele von UBER, Airbnb oder auf der Negativseite Kodak und viele weitere. H?ufig hat das mit der Digitalisierung zu tun, die derzeit ?berall mitschwingt und zus?tzlich verunsichert. Nat?rlich freut man sich ?ber all die kleinen digitalen Erleichterungen im Alltag. Aber einmal wirklich ausf?hrlich dar?ber nachzudenken, was das mit dem eigenen Business zu tun hat und wom?glich kreative Ideen zu geb?ren, dazu fehlt die Zeit, man muss ja Ziele erreichen. Au?erdem w?rde eine Besch?ftigung mit den digitalen Trends bedeuten, dass man ganz neu denken m?sste. Womit man sich auskennt, ist die Businessplanung, j?hrlich, wie man sie schon immer gemacht hat. Bl?derweise merkt man mehr und mehr, dass die Parameter nicht mehr passen  oder als stabil angenommen werden k?nnen. Die alten Landkarten haben scheinbar die Grenzen ihrer Wirksamkeit erreicht. Sie ?berholen sich so schnell, dass sich der Planungsaufwand nicht mehr lohnt. Aber woran soll man sich dann halten? Woran orientieren und was den Mitarbeitenden sagen, die genau das fordern: Orientierung und einen Sinn hinter dem Ganzen? All das ist mehr als nur Business, das geht tiefer, bewegt. Wenn Gef?hle im Spiel sind, wird es gef?hrlich, weil analytische Mechanismen nicht mehr greifen. Was also tun?

F?hrungskr?fte m?ssen aus dem Hamsterrad heraus. Sie m?ssen verstehen, dass die Krisen von fr?her einem Gef?hl der Dauerkrise auf niedrigerem Level gewichen sind. Sie sind es, die die Weitsicht haben und einsehen m?ssen, dass weitermachen wie bisher nirgendwo hinf?hrt ?  zumindest nicht in eine erstrebenswerte Zukunft. Auf gewohnte Dinge verzichten, daf?r Neues ausprobieren, experimentieren, das eigene Gesch?ft und die Sache der F?hrung neu denken. Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die F?hrungsaufgabe Nummer eins dieser Tage. Was bleibt, ist die Vorbildrolle der F?hrung. Vorbild allerdings nicht im Sinne des klassischen Role-Models, vielmehr im Sinne von Vorreiter und Gestalter. Damit allein w?re schon genug zu tun, aber da sind ja noch die Mitarbeitenden, die sich nach Sicherheit sehnen. Die gilt es mitzunehmen auf die Reise. Da richtig und falsch nicht mehr eindeutig zu unterscheiden sind, m?ssen Mitarbeitende erm?chtigt werden, selbst zu definieren, was im Moment ein guter n?chster Schritt ist. Das geht nicht ohne Einbu?en an tradierter Macht. Also weniger m?chtig sein, weniger wissen, was richtig und falsch ist, und doch die ?berall gegenw?rtige Verunsicherung inhaltlich, sozial und emotional abpuffern.

Notwendige Kompetenzen, um auf die Ausgangssituation zu antworten

F?hrung ben?tigt ein Gleichgewicht zwischen Explore und Exploit (zu deutsch etwa erkunden und verwerten): ?Maintaining an appropriate balance between exploration and exploitation is a primary factor in system survival and prosperity? (March 1991, S. 71). Damit diese Balance wirksam etabliert werden kann, muss sich F?hrung in einem dreifachen Sinn selbst erneuern: auf der Ebene der Selbstentwicklung, der F?hrungsmannschaft als Team und der F?hrung als organisationale Leistung. Letztere muss sich anders pr?sentieren als in den ?berholten Formen der hierarchischen Kaskadenkommunikation oder rein monet?r gesteuerten Ziel-, Bonifikations- und Karrierelogiken (Heitger & Schubert 2013).

Diese neue Zeit bedeutet auch, dass man sich selbst hinterfragen muss, auch wenn dieser Gedanke unbequem ist und deshalb ungern gedacht wird, denn man wird etwas finden, dass es zu ver?ndern gilt, um Schritt zu halten ? und das ist bekanntlich mit einigen M?hen verbunden. Doch in vielen Branchen hei?t es gerade jetzt, grundlegend neu zu lernen, um erfolgreich zu bleiben. Betrachten wir F?hrung zun?chst als individuelle Leistung, geht es um drei Schwerpunkte: Qualifikation, Engagement aufbauen und das eigene Selbstverst?ndnis als F?hrungskraft ?berdenken.

Zu 1: Qualifikation hei?t hier nicht nur neue Expertise aufzubauen, sondern beinhaltet auch den ?halbwegs angstfreien Umgang mit Nichtwissen? (Wimmer 2009, S. 26). Dabei ?ber den Tellerrand schauen, Neues wagen, nicht wissen, was dabei rauskommt und trotzdem aktiv bleiben, mit Prototypen arbeiten und so lange probieren, bis es gut ist. Das ist der Spagat, der zu leisten ist. F?hrung hat dabei die Aufgabe, f?r R?ume mit psychologischer Sicherheit zu sorgen, in denen Ausprobieren und Imperfektion nicht sanktioniert, sondern belohnt werden und dies immer im Rahmen einer kraftvollen Vision, die tr?gt: ?The future will reward clarity ? but punish certainty? (Johansen 2017, S. viii).

Zu 2: Commitment war gestern ? der psychologisch-materielle Kontrakt zwischen Mitarbeitenden und F?hrungskr?ften ist derzeit sensibler und auch instabiler denn je. Nicht nur in Bezug auf Kunden braucht es Fokussierung, es geht auch um eine neue Art von Mitarbeiter-Centricity: ?Catering to the changing expectations and demands of today?s and tomorrow?s skilled employees is not dramatically different from what organizations everywhere are already doing today to meet the expectations and demands of their customers.? (KPMG 2018). Die Workforce von morgen ? und damit sind nicht nur junge Mitarbeiter gemeint ? stellt Sinn- und Wertefragen konsequenter in den Mittelpunkt eigener Entscheidungen. Hier gilt es, glaubw?rdige Antworten zu liefern, die zur eigenen Identit?t als F?hrungskraft und zur Geschichte des Unternehmens passen. Die Organisation von morgen wird noch radikaler als heute den ?ganzen Menschen? integrieren ? Stichwort: ?bring the whole person to work? ? und muss daher auch Antworten und Angebote f?r den ?ganzen Menschen? transportieren. Dass insbesondere die F?hrungskr?fte hier gefragt sind, liegt auf der Hand.

Zu 3: Das eigene Selbstverst?ndnis als F?hrungskraft weiterzuentwickeln ist wohl die schwierigste ?bung. Geht es doch darum, der Logik, in der man als F?hrungskraft sozialisiert wurde, (zumindest teilweise) ade zu sagen. Macht, Autorit?t und F?hrung sind neu zu definieren. Macht ist ein symbolischer Raum, der durch Interaktion erm?glicht wird und daher immer auch anders inszeniert werden kann. Im Sinne einer Wieder-Erm?chtigung von F?hrung geht es darum, neue funktionale Asymmetrien zu etablieren. Das hei?t schlichtweg, neue Unterschiede einzuf?hren, die wirksam sind. Eine Ressource zum Aufbau von Macht und Autorit?t ist zum Beispiel Aufmerksamkeit, die bewusst gelenkt und gestaltet wird.  So etwa, indem Meetings ? eine oftmals als Zeitkiller erlebte Allt?glichkeit ? lebendiger an den tats?chlichen Fragen oder Bed?rfnissen der Beteiligten ausgerichtet werden. Der agile Werkzeugkoffer bietet hier eine F?lle von M?glichkeiten, von Kanban-Boards ?ber Stand-Ups und Retrospektiven bis hin zu holokratischen Organisationsformen. Eine weitere M?glichkeit besteht in der Verzeitlichung von Macht durch das Etablieren alternativer Entscheidungsprozesse. Auch hier stellen die Methoden soziokratischer Entscheidungsmodelle eine F?lle von Alternativen bereit.

Im zweiten Schritt nun F?hrung als Mannschaftsleistung zu verstehen, setzt den Fokus darauf, sich auf Peer-Ebene mit anderen F?hrungskr?ften zu verbinden. Silo war gestern! Jetzt hei?t es, auf ein gemeinsames Zukunftsbild zuzusteuern und dabei voneinander zu lernen. Daf?r ist das Investment in die F?hrungscommunity notwendig und der tiefe Glaube daran, dass man gemeinsam st?rker, kl?ger und wirksamer ist als alleine. Insbesondere dann, wenn die Krise der F?hrung eine systemische ist, scheint es ratsam, auf die Kraft eines Teams zu setzen.

Als organisationale F?higkeit schlussendlich hei?t F?hrung, Strukturen zu etablieren oder dahingehend zu ver?ndern, dass sie alternative Entscheidungsprozesse zulassen. Hier kommt man um den Mode-Begriff der Agilit?t nicht herum. Dieser soll nicht als Allheil-Mittel, sondern vielmehr als ein ver?ndertes Mindset betrachtet werden, das eine Antwort auf die sich immer schneller ver?ndernden Umwelten darstellt. Dabei wird der Schwerpunkt von Hierarchie, Kontrolle und langfristiger Planung hin zu Aufbau und Nutzung von Netzwerken (?kosystemen), kontinuierlicher Bef?higung der Mitarbeitenden und dem (Aus-) Testen kurzfristiger Zielsetzungen verschoben (Novotny, 2016). Ziel ist dabei, die Organisation flexibel und antwortf?hig zu gestalten, Innovationsf?higkeit zu etablieren und zu erhalten durch iterative, kurz-zyklische Prozesse und organisationales Lernen.

Geschwindigkeit ist tats?chlich wichtiger als Perfektion. ?Fail early to succeed sooner? (David Kelley, Stanford) ? damit tun sich vor allem klassische deutsche Mittelst?nder schwer. (Dr. Antonius Greiner)

Basierend auf den oben beschriebenen Beobachtungen sehen wir folgende pers?nliche Kompetenzen, die F?hrungskr?fte in der beschriebenen Krise in ihrer Wirksamkeit unterst?tzen k?nnen (Eberhardt & Majkovic 2015).

Digitalkompetenz

Nie zuvor gab es so viele Informationen wie aktuell, die ausgewertet, verarbeitet und mit einem 360-Grad-Blick versehen werden wollen. Ihnen soll ? statt nach dem bekanntem Rezept langer Analyse und langfristiger Planung ? mit viel Kreativit?t, Geschwindigkeit und klarem Fokus auf digitale M?glichkeiten begegnet werden. F?hrungskr?fte m?ssen ihre Aufmerksamkeit als bewusste Ressource wahrnehmen und viel gezielter einsetzen. Wie k?nnen Probleme digital bearbeitet, Prozesse digitalisiert und Bed?rfnisse mit Hilfe von digitalen Prozessen befriedigt werden? Diese Frage l?sst sich nur im R?ckgriff auf die F?hrung selbst beantworten: Sind wir als F?hrungsmannschaft ?berhaupt antwortf?hig? Sind wir vom Top-Management bis zur ersten F?hrungsebene ?berhaupt mit dem aktuellen Know-how zu den Implikationen der Digitalisierung ausgestattet? Diese Fragen m?gen schon antiquiert anmuten, denn nat?rlich sind alle noch am Probieren und keiner hat wirkliche Gewissheit. Aber wie viel von dem, was wir wissen k?nnten, wissen wir tats?chlich? Das beginnt mit der Digitalisierungskompetenz ganz oben (Achtung: neue Asymmetrie!), geht ?ber die Frage der strategischen Nutzung eigener und fremder Daten bis hin zu den innovativen Potenzialen des eigenen Gesch?fts und der Weiterentwicklung des eigenen Marktes.

Die Verarbeitung von Information zu Produkten und Services muss iterativ erfolgen, unter Einbeziehung multidisziplin?rer Teams und in kurzen, schnellen Zyklen. Lernen und Gelerntes gleich wieder verproben und die eigene ?experience curve? rasch nach oben entwickeln. Geschwindigkeit ist tats?chlich wichtiger als Perfektion. ?Fail early to succeed sooner? (David Kelley, Stanford) ? damit tun sich vor allem klassische deutsche Mittelst?nder schwer.

Zukunftskompetenz

Allem voran braucht es ein attraktives Zukunftsbild, das motiviert, orientiert und die eigene Identit?t stimmig fortschreibt. Die klassische Vision hat ausgedient. Attraktive Entw?rfe der eigenen Zukunft brauchen mehr Bodenhaftung, Menschenn?he und tats?chlich gelebte Werte, um ihre Funktion zu erf?llen. Sie m?ssen auch offen bleiben, um Glaubw?rdigkeit, Partizipation und Lust auf diese gemeinsame Geschichte zu machen. Nur so sind sie f?r die junge Workforce (und auch f?r die alte!) attraktiv. F?hrungskr?fte m?ssen das Zukunftsbild verk?rpern ? und zwar im Alltag, nicht in Brosch?ren oder Bekenntnissen. Zukunftsbilder  bleiben fest und dienen als Entscheidungshilfe, wenn trotz gro?er Datenmenge keine faktenbasierte Entscheidung m?glich ist. Und weiterhin bleiben Intuition und Erfahrung der F?hrungskr?fte gefragt.

Ambiguit?tstoleranz

Es braucht eine gewisse Demut vor dem, was m?glich ist. Es ist zu akzeptieren, dass man nicht alles wissen, nicht alle Fakten kennen kann, um sicher zu entscheiden. Daf?r gibt es die Intelligenz von vielen und die oben erw?hnte Intuition. Dieser zu folgen, ben?tigt das Vertrauen und die Einsicht, dass es keine Schw?che ist, sich aufgrund neuer Erkenntnisse anders zu entscheiden, sondern dass Flexibilit?t und Responsivit?t auch den entscheidenden Vorsprung verschaffen k?nnen.

Kommunikations- und Kontext-Gestaltungs-Kompetenz

F?hrung muss sich selbst neu bem?chtigen, indem sie tut, was nur F?hrung tun kann und das ist die kluge Vorgabe von Kommunikationswegen. Es geht also um Kontextgestaltung innerhalb und au?erhalb der Organisation. Das hei?t aber auch, die bestehenden Asymmetrien (Wissensverteilung, Zust?ndigkeiten, Netzwerke) neu zuzuschneiden und neue Rollen zu etablieren. Hier bestehen vor allem f?r traditionelle, gut strukturierte Unternehmen vielf?ltige M?glichkeiten. Anders als zum Beispiel Startups, die sich aufgrund zu vieler enger Bindungen und Freundschaften h?ufig in Beziehungsdilemmata verstricken (Wassermann 2012), k?nnen etablierte Unternehmen auf distanziertere Beziehungsstrukturen zur?ckgreifen, die potenziell eine flexiblere Kommunikationsgestaltung erm?glichen.

Was ist also zu tun? ? Praktische n?chste Schritte

Eine kraftvolles, geteiltes Zukunftsbild etablieren und emotional verankern

Starke F?hrung muss also einen nicht-hierarchischen, aber sehr wohl unternehmerischen L?sungsprozess auf Basis eines kraftvollen Zukunftsbildes organisieren. Nat?rlich ist eine Verortung in den aktuellen Trends und erfolgreichen Grassroot-Bewegungen sinnvoll. Anstatt sich aber nur an anderen zu orientieren, ist auch die Frage sinnvoll, welchen Trend man auf Basis der in der Unternehmensgeschichte entwickelten St?rken, der Analyse der eigenen Daten und des Wissens vom Markt selbst ausl?sen k?nnte. Mit einem Middle-Top-Down- Approach kann hier viel erreicht werden.

Entscheidungsprozesse gemeinsam reflektieren und neu organisieren

Will man die eigene Organisation wirklich ver?ndern, so kommt man nicht umhin, die bisherigen Entscheidungsprozesse neu zu gestalten. Hilfreich ist zun?chst, sich auf die ?Mittelklasse?-Entscheidungen zu konzentrieren. Es geht dabei weniger um die gro?en strategischen Entscheidungen, als vielmehr um gelungene Rahmensetzung im kleineren Stil. Hier k?nnen vor allem Gruppen-, Abteilungs- und Bereichsleiter ihren Gestaltungsspielraum aussch?pfen. Dazu braucht es die oben erw?hnte Verankerung der generellen Richtung, des Zukunftsbildes in den Herzen der Mitarbeiter. Dabei ist nicht die charismatische, personifizierte F?hrung anzustreben, vielmehr m?ssen attraktive Settings f?r effektive Selbstorganisation geschaffen werden.

Sichere R?ume f?r Innovation und Exploration etablieren

F?r Innovation und Exploration muss man nicht ins Sillicon Valley oder nach Agilistan fahren. Die bessere und tiefere Erkundung des eigenen Marktes und des eigenen Business-Eco-Systems kann innovative Antworten auf die konkreten Probleme des organisationalen Umfelds bieten (Heitger & Serfass 2015). Wir haben mit mehreren Kunden die Erfahrung gemacht, dass gut vorbereitete und tief in die eigene DNA eingreifende Learning- und Innovation-Journeys zu befreundeten oder auch rivalisierenden Partnerunternehmen den vielbeschworenen Blick ?ber den Tellerrand erm?glichen. Sie k?nnen tats?chlich neue strategische Ausrichtungen oder auch nur entscheidende Akzente in der Produktentwicklung auf den Weg bringen. Innerhalb des eigenen Unternehmens ist es wichtig, die Performanz von Silos gezielt zu f?rdern und Mitarbeitenden M?glichkeiten zu geben, Erfahrungen in v?llig anderen Bereichen zu sammeln.

Die Organisation flexibel gestalten, in kurzen Zyklen arbeiten, antwortf?hig sein

Die Einf?hrung von agilen Strukturen im Alltag ? und das in einem angemessenen, zur Organisation passenden Ma?e ? ist ein wichtiger Schritt f?r die Gew?hrleistung der Beweglichkeit des Unternehmens. Dabei geht es nicht darum, dem Lehrbuch zu folgen und alles auf agil umzustellen, vielmehr k?nnen Modelle und Methoden dort angewendet werden, wo sie sinnvoll sind und zu den Mitarbeitern passen. Das richtige Ma? muss gut erforscht werden, daf?r braucht es gegebenenfalls anf?ngliche Qualifizierung und Begleitung. Der Schritt in Richtung Agilit?t ist jedoch zentral daf?r, auf den Markt reagieren zu k?nnen: Richtungen festlegen, Schritte offenhalten, reflexiv und in kurzen Iterationen arbeiten und damit flexibel auf Ver?nderungen in der Umwelt antworten k?nnen.

Identit?t wahren, ehren was war, sich auch mal von etwas verabschieden, aber dankbar

Es geht nicht darum, Explore zu verherrlichen und Exploit zu negieren. Beide Seiten sind essenzieller Bestandteil der F?hrung, beide haben ihre Berechtigung, beides ihre Notwendigkeit ? auf die Dosis und eine gute Balance kommt es an. Es braucht Stabilit?t und Innovation, eine kraftvolle Basis und ein luftiges Ideenmanagement, klare Strukturen und Freir?ume, in denen Neues entstehen kann. Beiden Richtungen entsprechende Relevanz zu verschaffen und damit sowohl die Wurzeln als auch die Fl?gel zu st?rken ? das ist das angestrebte Ziel.

Gute Orte f?r Mitarbeitende schaffen, in denen diese ganzheitlich wahrgenommen werden und wirksam sein k?nnen

Das Thema Mitarbeiter-Zufriedenheit muss Karriere machen: es geh?rt als Top-Thema auf die Agenda der ?obersten Heeresleitung? (KPMG 2018) ? denn die Menschen und ihr Engagement sind die wichtigsten Ressourcen jeder Organisation. Dabei geht es darum, den Mitarbeitern R?ume zu schaffen, in denen sie sich sicher, erw?nscht und gebraucht f?hlen. Es gilt, das Gef?hl zu vermitteln, dass sie als ganzer Mensch erw?nscht sind, sich einbringen k?nnen und ihre Arbeit so gestalten k?nnen, dass sie produktiv und wirksam sein k?nnen. Nicht nur der rationale, funktionierende Mensch ist gefragt, auch sein Pers?nlichkeit, seine Emotionen ? je mehr davon, desto mehr Initiative und Engagement ist zu erwarten.

Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die F?hrungsaufgabe Nummer eins dieser Tage. (Daniela Sommer)

Die Autoren:

Daniela Sommer unterst?tzt Organisationen und F?hrungskr?fte wenn es um Unternehmensentwicklung geht. Ihre Schwerpunkte sind ?the human side of digital transformation? sowie Beratung f?r das richtige Ma? an Agilit?t. Sie hat mehr als 10 Jahre Managementerfahrung in gro?en Industrieunternehmen, unter anderem als ?Head of Corporate Learning? mit Fokus auf globale F?hrungskr?ftequalifizierung sowie im Bereich Strategie & Business Development.

Sich selbst in Frage stellen und neue Antworten finden. Das ist die F?hrungsaufgabe Nummer eins dieser Tage.

Literatur:

Eberhardt, Daniela & Majkovic, Anna-Lena (2015):
Die Zukunft der F?hrung: Eine explorative Studie zu den  F?hrungsherausforderungen von morgen. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Heitger, Barbara & Schubert, David (2013):
Next  Generation Leadership. In: Schumacher, T.: Professionalisierung als Passion. Aktualit?t und Zukunftsperspektiven  der systemischen Organisationberatung. Heidelberg:  Carl Auer Verlag.

Heitger, Barbara & Serfass, Annika (2015):
Unternehmensentwicklung: Wissen, Wege, Werkzeuge  f?r morgen. Stuttgart: Sch?ffer-Poeschel-Verlag.

Johansen, Bob (2017):
The New Leadership Literacies: Thriving in a Future of Extreme Disruption and Distributed Everything. Oakland: Berrett-Koehler Publishers.

KPMG (2018): The future of HR 2019: In the Know or in  the No. The gulf between action and inertia. KPMG International. Zugriff ?ber: https://home.kpmg/be/en/home/ insights/2018/11/the-future-of-human-resources.html

March, James G (1991):
Exploration and exploitation in organizational learning. In: Organizational Science, 2. Jg., 1991, Nr. 1, Special Issue: Organizational learning: Papers  in honor of (and by) James G. March (1991), S. 71-87

Novotny, Valentin (2016):
Agile Unternehmen: Nur was sich bewegt, kann sich verbessern. G?ttingen: BusinessVillage.

Wassermann, Noam (2012):
The Founder?s Dilemmas:  Anticipating and Avoiding the Pitfalls That Can Sink a  Startup. Princeton University Press.

Wimmer, Rudolf (1995):
Die Funktion des General  Managements unter stark ver?nderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. In: Heitger, Barbara (Hrsg.):  Managerie. 3. Jahrbuch f?r systemisches Denken und  Handeln im Management, S. 74 - 117, Carl Auer Verlag