Ich teile die Ausf?hrungen zur ?dreifachen? F?hrungskrise ("Die dreifache F?hrungskrise", ein Fachartikel von Patrick Gro?heim und Sascha Hertling erschienen im Managementbrief 1/2019).

Ein Aspekt scheint mir dabei noch wert, beleuchtet zu werden: F?hrung wird nicht unbedingt durch F?hrungspersonen realisiert. M?glicherweise besteht hier f?r F?hrung die gr??te Herausforderung: Zu identifizieren, wie die F?hrungsfunktion in einer digitalen Welt durch gute Systeme und Regelwerke abgedeckt werden kann ? und wozu genau es dann ?F?hrungskr?fte? oder ?Leadership? braucht. Dabei ist die F?hrungskrise, die durch die aktuellen Umw?lzungen in der Arbeitswelt entsteht, einerseits neu, andererseits stellen sich alte Themen nur in versch?rfter Form.

F?hrung ist eine Funktion im System

Menschen m?ssen besetzen, was durch Aufgaben und Strukturen nicht geleistet werden kann. Wir werden ununterbrochen auch durch Leitplanken, Regeln, Strukturen gef?hrt, ohne dass eine ?F?hrungskraft? die Hand im Spiel h?tte. Allerdings werden diese Leitplanken und Regeln, die uns f?hren, von Menschen erschaffen. Damit steigt die Verantwortung f?r alle Regelwerke und (Kommunikations-)Systeme. Die Kernfunktion von F?hrung besteht darin, zur ?berlebenssicherung des ?gef?hrten? Systems beizutragen.

Dies geschieht in komplexen Systemen durch einen grundlegenden Richtungs-Kompass und Leitplanken, die f?r die ?berlebenssicherung nicht ?berschritten werden d?rfen. Die ?bergeordnete Systemebene muss Information einsteuern, die der Perspektive der ?Gef?hrten? entgeht. Sie muss daf?r sorgen, dass die Einzelnen in die Gemeinschaftskasse einzahlen, denn das tun sie nicht von selbst. Die Resilienz einer Gemeinschaft ist nicht identisch mit der Resilienz der Systemmitglieder.

Was darf nicht passieren, statt was soll geschehen

Planungskrisen bedeuten, dass Schl?sselkriterien f?r langfristiges ?berleben Vorrang gegen?ber jedweder kurzfristigen Maximierungsstrategie gewinnen. Wer ?auf Sicht? fahren muss, muss sich mit Hilfe eines Kompasses f?r die Grundrichtung an dem orientieren, was unterwegs NICHT passieren darf. Grenzen werden wichtiger als operative Sollvorschriften ? das ist f?r F?hrungskr?fte ungewohnt. Darauf zu vertrauen und zu erm?glichen, dass sich Menschen selbstregulativ in einem Raum bewegen, in dem die Grundrichtung und die Grenzen klar sind ? und daf?r Ressourcen bereitzustellen, erfordert einen anderen Umgang miteinander. In einem solchen ?g?rtnerischen? F?hrungsverst?ndnis verbietet sich jegliche Infantilisierung der Mitarbeiter, wie sie sich in Mitarbeiterbeurteilungen, der Nichtkommunikation von Entscheidungen und anderen hierarchischen Kommunikationsformaten ausdr?ckt. Gleichzeitig bedarf es klarer Konsequenzen, wenn elementare Regeln zur Sicherung der Gemeinschaft nicht eingehalten werden. Die Ressourcenfrage l?sst sich dabei nur im Sinne einer Bedarfskl?rung kl?ren: Was wird von wem gebraucht, um zu?? Wenn Betriebe weiterhin ihre Energie in Personenevaluierung, Mitarbeiterbeurteilung und Heimlichtuerei auf h?heren Systemebenen verlieren, wird dieses Spiel nicht zu gewinnen sein. Der Wettlauf zwischen systembedingten profitorientierten Egoismen von ?Subsystemen? und der ?kologischen Sicherung von Gemeinschaft auf allen Ebenen wird ?ber kurz oder lang jeden treffen.

F?hrung als Gemeinschaftsaufgabe

Darauf zu vertrauen und zu erm?glichen, dass sich Menschen selbstregulativ in einem Raum bewegen, in dem die Grundrichtung und die Grenzen klar sind ? und daf?r Ressourcen bereitzustellen, erfordert einen anderen Umgang miteinander

 

Es ist an der Zeit, substantiell anzuerkennen, dass F?hrungserfolg sich bei den Gef?hrten entscheidet. Die Frage nach ihrem tats?chlichen Bedarf ist ernst zu nehmen, statt sich in ?F?hrungsstilfragen? zu ergehen. Denn Resonanz f?r Zielstellungen, die selbstregulativ verfolgt werden, ist ohne Identifikation nicht denkbar. Die Augenh?he und die Mobilisierung von Verantwortung, die damit verbunden sein muss, kann nicht durch betuliche Betreuungsformate erreicht werden - ?Caring? wird zur Gemeinschaftsverantwortung, der ethische Anspruch steigt. So lange F?hrung als ?Karriere? gedacht wird, hat der individuelle Aufstieg von Personen Vorrang vor deren Verantwortung f?r die Gemeinschaft. Die damit verbundene Verf?hrung zum Griff in die Kasse ist nachweislich nicht zu untersch?tzen. Die digitale Welt braucht neue Formate und neue Systeme, um verantwortliches Handeln des Einzelnen in guten Gemeinschaften zu sichern ? auf allen Ebenen, auch der F?hrung.

Die Autorin:

Dr. Martina Rummel ist Spezialistin f?r Leadership, Change Management, Gesundes F?hren /Resilienz, Coaching, Trainings und Beratung und seit etwa 30 Jahren in der F?hrungskr?fteentwicklung t?tig.