Das engagierte Team vom Sportzentrum des TSV Korbach e.V. durften wir schon in unserem Zukunftslabor "Digitale Gesch?ftsideen entwickeln" kennen lernen. Als gewinnorientiert ausgerichtete Einrichtung eines gemeinn?tzigen Vereins ist die strategische Position herausfordernd, aber sie bietet auch besondere Chancen. Und gerade jetzt in der Krisensituation fiel uns auf, dass die Kolleginnen und Kollegen einige neue digitale Wege beschreiten. Sp?testens das hat uns neugierig gemacht. Wir sprachen also mit Mark K?nig-Philipp, dem Leiter des Sportzentrums, ?ber die aktuelle gesch?ftliche Situation, wie sein Team damit umgeht und welche Perspektiven sich bei allen Schwierigkeiten gerade abzeichnen.

RKW: Lieber Herr K?nig-Philipp, als Sportzentrum sind Sie unmittelbar von der Krise und "Physical Distancing" betroffen. Wie haben Sie bisher darauf reagiert und was steht gerade auf Ihrer Agenda?

Mark K?nig-Philipp: Uns geht es gl?cklicherweise gesundheitlich gut. Wir haben trotz nicht ganz gekl?rter Rechtslage relativ zeitnah unsere Kurse und Angebote eingeschr?nkt, gestrichen und schlie?lich das Sportzentrum ganz geschlossen, um unsere Mitglieder und uns zu sch?tzen. Da war dann die gro?e Frage: Was machen wir jetzt? Uns war schnell klar, dass es jetzt vor allem darum geht, unsere Mitglieder in dieser schwierigen Zeit m?glichst gut zu betreuen und damit zu binden. Sie sollen sich wohl und aufgehoben bei uns f?hlen. Uns gefiel dazu eine Perspektive, die wir auch aus dem RKW-Zukunftslabor kennen: Was von unserem Kerngesch?ft k?nnen wir digitalisieren? Und was davon l?sst sich m?glichst schnell und einfach umsetzen? Im Gespr?ch mit unseren Mitgliedern stellte sich raus: viele sind gar nicht so technikaffin, wie vielerorts in der Fitnessbranche behauptet wird. Apps sind bei ihnen beispielsweise gar nicht verbreitet und unsere jungen Mitglieder werden lieber per Mail, Newsletter und Website informiert, als unserem Facebook-Kanal zu folgen. Daraufhin haben wir m?glichst schnell unterschiedliche, eher einfache Kan?le und Angebote entwickelt.

Welche Bereiche Ihres Gesch?fts konnten Sie schnell digitalisieren oder aus Distanz anbieten?

Das hat sich organisch entwickelt. Angefangen haben wir damit, einfache Trainingsprogramme f?r zu Hause als PDF-Dateien auf unserer Website hochzuladen. Dann kamen relativ viele Anfragen zu fachlichen Themen f?r deren ausf?hrliche Beantwortung wir nicht genug Kapazit?t hatten. Daraus entstand die Idee, einen Podcast zu ausgew?hlten, aktuellen Fachthemen, wie Laufschule oder Entspannung, anzubieten ? alles Dinge, die man auch zu Hause oder zumindest auf Distanz machen kann. Daf?r mussten wir aus technischen Gr?nden einen YouTube-Kanal einrichten und kamen darauf, mit unseren Trainerinnen und Trainern kurze Trainingsvideos zu produzieren. So zeigt beispielsweise unsere Trainerin f?r Kinderyoga regelm??ig, wie auch die Kleinen zu Hause in Bewegung und ins Gleichgewicht kommen k?nnen ? gern auch mit den Gro?en zusammen.

Wir haben auch ?berlegt, wie wir auf Distanz auch physisch an den Leuten dranbleiben k?nnen und entwickelten gemeinsam mit einer Krankenkasse unsere "HomeGym-Packs": individuell zusammengestellte Trainingsbeutel mit Trainingspl?nen, Terrab?ndern und weiterem Fitness-Equipment, die entweder von uns geliefert oder hier in unserem Windfang kontaktlos abgeholt werden k?nnen. Der Erfolg hat uns ?berrascht: Wir waren davon ausgegangen, dass das Angebot vielleicht 10 Prozent der Mitglieder interessiert, aber wir sind mittlerweile bei fast 80 und packen jeden Tag zahlreiche Trainingsbeutel. Wir ?berlegen auch, f?r besondere Bedarfe ein pers?nliches Online-Coaching anzubieten.

Leider mussten wir auch unseren gro?en, gemeinsamen Osterlauf absagen, haben aber auch hier einen digitalen Kniff gefunden: Wir machen daraus einen "Virtual Run", das hei?t die Leute melden sich bei uns an, machen ihren ganz pers?nlichen Osterlauf zu einer Zeit und an einem Ort ihrer Wahl, melden uns ihre Zeit und erleben sich trotzdem ?ber einen gemeinsamen Social Media-Hashtag, unsere Rangliste und eine entsprechende Urkunde verbunden ? sie haben ein gemeinsames Sporterlebnis auch in diesen Zeiten.


K?nnen Sie jetzt bereits Effekte Ihrer Strategie feststellen?

Ja, das k?nnen wir. Wir haben deutlich mehr und vor allem positive R?ckmeldungen unserer Mitglieder als jemals zuvor und auch dar?ber hinaus sehen wir deutliche Imageeffekte. So sprechen uns beispielsweise auch Menschen an, die eigentlich in einem klassischen Fitnessstudio angemeldet sind und deren Mitgliedschaft gerade ruht. Auch unsere Social Media-Kan?le verzeichnen deutlich mehr Abonnements. So sind wir guter Dinge, dass wir uns gerade m?glichst gut aufstellen f?r die Zeit nach der akuten Krise und "Physical Distancing". Ich glaube, mehr k?nnen wir gerade nicht machen und weiter schauen wir dann, wenn es soweit ist. F?r die Branche ist nat?rlich mit grundlegenden Effekten zu rechnen, zumal die finanziellen Mittel bei den potenziellen und bestehenden Mitgliedern tendenziell weniger werden.

K?nnen Sie sich vorstellen, Ihre digitalen Angebote zu verstetigen ? auch ?ber die Phase des "Physical Distancing" hinaus?

Ja, auf jeden Fall. Jetzt haben wir die Zeit, unterschiedliche Kan?le und Angebote auszuprobieren und dann sehen wir, was sich etabliert. Mit so einem "Virtual Run" treffen wir vielleicht genau den Nerv und k?nnen auch noch von Kapazit?tseffekten profitieren. Oder was ist mit Online-Kursen f?r Mitglieder, die gerade im Urlaub sind? Wir sehen da wirklich viele Chancen.

Gibt es etwas Grunds?tzliches, das Sie anderen Unternehmen noch auf den Weg geben k?nnen?

Also wir haben ja jetzt den Schritt gemacht und ?berlegen: Was ist unsere Kernleistung eigentlich genau und wie k?nnen wir sie komplett neu und digital denken und abbilden? Bei einem Produkt wie Sport scheint das erstmal sehr schwierig zu sein, aber unsere Erfahrung ist: Wenn man sich da erstmal reindenkt und sieht, was es f?r technische M?glichkeiten gibt, dann f?llt einem schon was ein. Ich finde vor allem die Kombination aus digitalen Angeboten mit der individuellen und pers?nlichen Betreuung vor Ort interessant. Hier kann man das Beste aus beiden Welten verbinden und ich glaube, dass das auch eine spannende Perspektive f?r andere Unternehmen ist ? und eine passende Zeit, sich daf?r aufzustellen.

Lieber Herr K?nig-Philipp, vielen Dank f?r das Gespr?ch. Wir w?nschen Ihnen weiterhin Gesundheit und viel Erfolg auf Ihrem Kurs!

Mark K?nig-Philipp leitet das Herbert-Kuhaupt-Sportzentrum des TSV Korbach e.V. Er ist Physiotherapeut, Osteopath D.O. und betreut seit ?ber 20 Jahren Leistungssportlerinnen und -sportler. Dar?ber hinaus arbeitete er als Sportmanager in deutschen Profi-Ligen.