Angst ist ein hochaktuelles Gef?hl und gilt vor allem in solchen unsicheren Zeiten als normal. Da es (auch und gerade im Management) nicht gerade beliebt ist, kommt schnell die Frage auf, wie man es wieder loswerden kann. Hier erfahren Sie das nicht ? aber etwas dar?ber, wie sie mit ?ngsten umgehen k?nnen und was es darin vielleicht noch Wertvolles zu entdecken gibt.

Der Unterschied zwischen Emotion und Gef?hl

Zun?chst gilt es, den Unterschied zwischen einer Emotion und einem Gef?hl zu verstehen. Alle S?ugetiere reagieren emotional auf die Welt: Man sieht den S?belzahntiger, h?rt den herabfallenden Ast, schmeckt die verdorbene Frucht ? und man reagiert. Die emotionale Reaktion f?hrt direkt in die Aktion. F?r Angst als Gef?hl ist weder Bedarf noch Zeit. Gef?hle sind wiederum ein Weg mit emotionaler Wahrnehmung umzugehen. Sie sind Verarbeitungsmuster, die uns helfen, die F?lle an Emotionen zu selektieren, zu ordnen und ihnen Bedeutung zu geben. Gef?hle wie Angst informieren daher nicht ?ber die ?u?ere Welt, sondern ?ber die erlernten und gespeicherten Muster, wie diese zu deuten ist.

Warum ist ein kompetenter Umgang mit Angst wichtig?

Komplexe und unsichere Umgebungen erfordern Achtsamkeit f?r schwache Signale. ?ngste sind das Ergebnis unseres Abtastens der Umwelt nach ?berraschungen, Ungewohntem und Ausnahmen. Wir achten in der  Gegenwart darauf, k?nftige Entwicklungen fr?hzeitig zu bemerken. Somit ist die F?higkeit Angst zu tolerieren und zu nutzen f?r Entscheidungs- und Verantwortungstragende eigentlich unabdingbar: Dann kann sie sich in wertvollen Kompetenzen wie Sensitivit?t, Wachheit, Sp?rsinn, Entschlossenheit, Innovationsfreude oder Vitalit?t zeigen. Werden ?ngste hingegen nicht reflektiert und bearbeitet, f?hren sie eher in die Irre und zeigen sich beispielweise durch ?bertriebene Vorsicht, unangemessenen Wagemut oder realit?tsferne Grandiosit?t. Nicht Angst ist also das Problem, sondern die mangelnde Kompetenz im Umgang mit ihr.

Angst und die eigene Vergangenheit

Jeder Mensch hat aufgrund seiner Erfahrungen eigene Muster entwickelt, wann, wie und mit welchen Folgen ?ngste wachgerufen werden. Sie informieren mich also nicht ?ber die Gefahren der Welt, sondern dar?ber, was ich gelernt habe, f?r gef?hrlich zu halten. Das ist ein gro?er Unterschied, der deutlich macht, wie gef?hrlich es ist, ungepr?ft auf meine ?ngste zu h?ren oder ? mindestens genauso gef?hrlich ? sie zu ignorieren. Anstatt angemessen und mit Bedacht auf die aktuelle Situation zu reagieren, k?nnte es n?mlich sein, dass ich vor allem meine Vergangenheit in der Gegenwart neu belebe. Das hei?t zum Beispiel:

  • Weil ich gelernt habe, dass man ?ngste nicht beruhigen kann, lasse ich mich von ?ngsten ?berschwemmen und werde panisch.
  • Weil ich gelernt habe, dass ich besch?mt werde, wenn ich Angst habe, bringe ich immer die geforderte Leistung und strenge mich bis zum Umfallen an.
  • Weil ich gelernt habe, ?ngste zu ignorieren, f?hle ich mich unverwundbar und schaue auf die ?ngstlichen Mitmenschen mitleidig herab.

Angst und die Illusion von Kontrolle

Eine spezielle Folge von unbearbeiteten ?ngsten ist es, dass man glaubt, mit Handlungen im Au?en Kontrolle ?ber die Gef?hle im Innen bekommen zu k?nnen. Gef?hrlich ist das deshalb, weil es vordergr?ndig zun?chst oft funktioniert: Man hat sich die H?nde gewaschen und glaubt damit sich nicht anzustecken. Oder man hat drei Schl?sser abgeschlossen und die Alarmanlage aktiviert und glaubt, sich sicher vor Einbrechern zu f?hlen. Leider tritt in den meisten F?llen ?ber kurz oder lang der gegenteilige Effekt ein: Man traut den Ma?nahmen nicht wirklich, sie nutzen sich ab. Man ?braucht? eine zus?tzliche ?berwachungskamera oder ein besseres Desinfektionsmittel. ?ngste ?ber Kontrolle zu bearbeiten, ist also meist eine besonders heimt?ckische Weise, sie dauerhaft in sich zu verankern.

Angst braucht ein ?Zuhause? im Innen

Was ist stattdessen hilfreich? F?r sich selbst ist das Wichtigste, dass man die ?ngste weder abwertet und wegmachen will, noch sich von ihnen dominieren und leiten l?sst beziehungsweise andere Menschen dauernd daf?r einspannt, sich mit diesen Gef?hlen zu besch?ftigen. Eine m?gliche Alternative zum Umgang mit aufkommenden ?ngsten:

  1. Sich von den ?ngstlichen Seiten innerlich distanzieren:
    Kann ich innerlich eine Art Beobachterposition einnehmen und betrachten, wie ich Angst habe? Diese Position erm?glicht es, zu sagen: Ah, da reagiere ich mit Angst! Worauf reagiere ich da eigentlich? Was lehrt mich das ?ber meine Geschichte? Was k?nnte diese ?ngstliche Seite mir dar?ber erz?hlen wollen?

  2. In einen inneren, zugewandten Dialog mit den ?ngstlichen Seiten kommen:
    Kann ich lernen, mich ihnen akzeptierend zuzuwenden, anstatt sie in Schach zu halten, zu verbergen oder zu ignorieren? Was brauchen sie m?glicherweise von mir?

  3. Auf der Seite der Angst diese innere Zuwendung an sich heranlassen und die Auswirkungen erforschen:
    Was passiert, wenn mir etwas entgegengebracht wird, was ich bisher nicht (ausreichend) erleben durfte?

Einen solchen Umgang mit sich zu erlernen, f?r den man kein angemessenes Vorbild hatte, ist eine echte Herausforderung. Professionelle Unterst?tzung braucht man dann, wenn mindestens einer dieser Schritte allein nicht gelingt oder schon in Ans?tzen scheitert. Besonders braucht man sie aber dann, wenn man gar keine ?ngste kennt. Dann sind sie n?mlich so gro?, dass man allein gar nicht hinschauen kann.

Und in Zeiten von Corona?

Nimmt man obige ?berlegungen ernst, dann w?re es f?r alle elementar, den eigenen Angststatus zu pr?fen. Jeder ? ob entspannt oder angespannt ? sollte sich also mit der Frage besch?ftigen: K?nnte es nicht auch ganz anders sein? Wer entspannt ist, droht vielleicht seinen erlernten Gelassenheitszwang auch dann aufrecht zu erhalten, wenn er einfach aus Furcht und Loyalit?t zu Hause bleiben sollte, statt im Park zu grillen. Wer angespannt ist, verpasst vielleicht mutig und zuversichtlich nach Wegen zu suchen, mit der Lage kreativ umzugehen.

?ber die Autoren:

Klaus Eidenschink ist Leiter des Instituts ?HEPHAISTOS Coaching-Zentrum M?nchen?, Senior Coach, Mitglied der Gesch?ftsleitung des Gestalttherapeutischen Zentrums W?rmtal, Organisationsberater sowie Betreiber des Beratungsportals metatheorie-der-veraenderung.info. Kontakt: klaus(at)hephaistos.org

Kathrin Gro?heim ist Referentin im Fachbereich ?Digitalisierung und Innovation? im RKW Kompetenzzentrum und Business Coach. Kontakt: k.grossheim(at)rkw.de

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