Ein Bericht zum Nachdenken

Neulich berichtete mir der Gesch?ftsf?hrer eines Unternehmens mit 120 Besch?ftigten, dass er ? wenn im Herbst diesen Jahres das Kurzarbeitergeld ausl?uft ?aktuell nicht wei?, wie es mit dem Unternehmen weitergehen soll, und das, obwohl sie in ihrem Segment zu den Qualit?ts- und Innovationsf?hrern geh?ren. Nat?rlich reichen innovative Produkte in Spitzenqualit?t nicht aus. Es stellt sich auch die Frage nach den M?rkten ? also, ist jemand bereit f?r diese Innovationen und Qualit?t zu bezahlen? Im Fall des Unternehmens, sind in den letzten Jahren zentrale Gro?kunden verloren gegangen, was zu einer Schieflage f?hrte, die jedoch noch mit entschlossenen Managementma?nahmen aufzufangen war. Dann kam noch die Coronakrise hinzu: Kunden aus Automotive und Luftfahrt stornierten daraufhin ebenfalls s?mtliche Auftr?ge. Die Realit?t ist heute: Nur noch 50% des Umsatzes von vor f?nf Jahren ? daher auch der besorgte Blick auf den Herbst.

Einen Moment mal: Man m?sste doch als gute F?hrungskraft Kosten reduzieren, die Zahl der Mitarbeitenden anpassen, neue Zielgruppen erschlie?en, die Abh?ngigkeit von einzelnen Gro?kunden reduzieren, das Marktvolumen ebenso wie die Konkurrenz analysieren, um daraus strategische Optionen zu entwickeln, diese zu bewerten und die besten im Anschluss umzusetzen. Ja, all dies geschah auch, mit hoher Managementkompetenz. Hinzu kamen viele Extrastunden Arbeit, viele Sorgen und der Dauerstress. Der Blick auf die Zahlen macht jedoch schmerzhaft deutlich: ?Wir tun alles Erdenkliche und am Ende reicht es nicht!?. 

Dieses Gespr?ch hat mich zum Nachdenken gebracht: Was ist zu tun, wenn die betriebswirtschaftlichen und strategischen Hausaufgaben gemacht wurden und es trotzdem nicht reicht? Kann es sein, dass sich heute immer mehr Unternehmen in einer vergleichbaren Situation befinden? Also in einer Situation, wo das klassische (Krisen)Instrumentarium nicht mehr allein ausreicht, um ein Unternehmen in die Zukunft zu f?hren?

Neue Wege gehen!?

Vor kurzem f?hrte ich ein Interview mit der New Work Beraterin Anke Heines. Sie berichtete, dass sie Unternehmen dabei begleitet, sich ?neu zu erfinden?. Sie arbeitet daf?r mit ihren Kunden an der Frage: ?Was wollen wir ? in der sich ver?ndernden Welt ? morgen (gutes) in die Welt bringen??. Wie sie betont, reicht es ihr nicht, sich auf Ziele wie ?Wir wollen 10% mehr Umsatz? festzulegen. Sie schaut vielmehr auch auf die k?nftige Identit?t des Unternehmens. Auch hier l?sst sie beispielsweise ein ?Wir stellen Schrauben und Befestigungen her? nicht durchgehen. Wenn ein Unternehmen sich neu erfindet, muss dies einen Bezug zur neuen Welt haben. Vor ein paar Jahren hat sie einen schw?bischen Hersteller f?r Bands?gen ? der keine Chance gegen die Niedrigpreisproduzenten aus Fernost hatte ? dabei begleitet, jetzt Spezialmaschinen f?r umweltfreundliche Leichtwerkstoffe herzustellen. Mit diesen Maschinen lassen sich beispielsweise Rohrisolierungen aus Altplastik produzieren. Der Schwenk von der klassischen Bands?ge zu diesem Spezialprodukt mit Bezug zum Megatrend ?kologie hat das Unternehmen gerettet und f?r die Zukunft gewappnet.

?Alte? Unternehmen in einer ?neuen? Welt?!

Kann es sein, dass das Unternehmen aus dem Eingangsbeispiel, sich ?hnlich wie der Bands?genhersteller neu erfinden muss, also, grundlegende Fragen der unternehmerischen Identit?t und des Gesch?ftsmodells bearbeiten muss? Wenn Gerald H?thers Zitat:

Wir befinden uns aktuell im gr??ten Transformationsprozess seit der Sesshaftwerdung der Menschen

nur im Ansatz zutreffen sollte, dann m?sste die Antwort ja hei?en! 

Es ist kein Geheimnis, dass viele Transformationen und Herausforderungen mit umw?lzendem Charakter auf uns warten: Arbeit und Wertsch?pfung aber auch Bildung, Kultur und sogar zwischenmenschliche Bed?rfnisbefriedigung ? also ein Gro?teil unserer Lebensbereiche ? verlagern sich zunehmend in das Netz. Technische Innovationen wie KI oder Nanorobotik sowie ?konomische und weltpolitische Prozesse werden in naher Zukunft weitere gro?e Umbr?che ansto?en. Die Megakonzerne aus dem Industriezeitalter haben den Staffelstab ? oder die Krone ? bereits an die Digitalwirtschaft abgegeben und die Nationalstaaten werden hier kaum noch regulativ eingreifen k?nnen ? zudem beschleunigt die Coronakrise diese Entwicklungen rapide. Die gr?ne Wende und andere Megatrends kommen hier noch hinzu. In diesem Umfeld werden es viele Unternehmen ? mit einem ?Mehr vom Gleichen? oder der (kleinteiligen) Optimierung des bestehenden Gesch?ftsmodells ? wahrscheinlich schwer haben, ihren Platz zu halten oder einen neuen zu finden. Demnach wartet auf viele Unternehmen die Aufforderung zur Transformation, auf die sie fr?her oder sp?ter Antworten finden m?ssen.

Mit Managementtools durch die gro?e Transformation?

Inwieweit klassische Strategieentwicklungsans?tze, die Arbeit am Gesch?ftsmodell oder eine ?Neuerfindung? des Unternehmens zu solch einem Schwenk f?hren k?nnen, soll hier au?en vor gelassen werden. Zentral scheint jetzt f?r viele Betriebe zu sein, dass eher kleinteilige Optimierungen und die Anpassung bestehender Parameter allein (z.B. Cost-Cutting, Vertriebsinitiativen, Entlassungen, Prozessoptimierung, inkrementelle Produktinnovationen usw.), nicht die passenden Mittel zu sein scheinen, um betroffene Unternehmen durch die ? fr?her oder sp?ter ? anstehende Transformation zu f?hren.

Krisen fordern uns auf zu entscheiden. Und vielleicht bietet es sich daher gerade heute an, zu entscheiden, was das eigene Unternehmen in dieser Transformation k?nftig in die Welt bringen will? Also den gro?en Wurf zu wagen. Ich denke, dass das wunderbare und hilfreiche Instrumentarium des Managementhandwerks allein, daf?r nicht ausreichen kann, da es die Verantwortlichen nicht ausreichend unterst?tzt, ?Out of the way? ? also au?erhalb ihrer Alltagsrealit?t ? zu denken. Heute sollte man bei Visionen also keinesfalls zum Arzt gehen, wie Altkanzler Helmut Schmidt es einstmals sagte. Heute sollte man vielmehr konkret danach suchen, um den Transformationsprozess eine kraftspendende und orientierende Richtung geben zu k?nnen. Das soll nicht im Geringsten hei?en, dass der Blick in die betriebswirtschaftlichen und strategischen Instrumente im Unternehmenscockpit obsolet wird, nur wird dieser Blick allein ? so die These ? f?r viele Betriebe wahrscheinlich nicht reichen.

Was braucht es dann? Eine erste Antwort ?

Aber was braucht es dann? Solche Prozesse ? wie, sich ?neu zu erfinden?, die Identit?t zu ver?ndern oder die Transformation zu meistern ? sind nicht plan- und auch nicht erzwingbar. Hierf?r braucht es weniger Ratio und Methodik (und klassische Strategietools), daf?r mehr Kreativit?t, Unternehmergeist und den festen Willen, sich auf Fragen einzulassen, wie sie beispielsweise von der New Work Beraterin Anke Heines (und nat?rlich auch von vielen anderen) gestellt werden.

Hilfreich ist zudem ein Rahmen, der es erm?glicht, die relevante Unternehmensumwelt sowie die gro?en Ver?nderungen der Welt (Megatrends, Krisen, Finanzpolitik, ?) zu ber?cksichtigen ? also eine Zukunftsskizze, die sowohl die entstehenden Chancen als auch die sich abzeichnenden Risiken enth?lt. Hiermit kann der Blick in die Zukunft gewagt werden, um dann in diesem Rahmen einen Platz f?r das eigene Unternehmen zu suchen. Solch ein Rahmen ist zwar am Ende auch immer ein Blick in die Glaskugel, da die Zukunft ungewiss bleibt, jedoch wird zumindest (auch mit der Ungewissheit) deutlich, dass sich vieles ver?ndern wird.

Und dann auch noch: Der Faktor Mensch

Spannend f?r solch einen Transformationsprozess ist und bleibt jedoch der Faktor Mensch. Sind die Verantwortlichen bereit und offen f?r diese Schritte und ist der genannte Zukunftsrahmen entworfen, kommt es auf die Menschen an: Wesentlich scheint hierf?r zu sein, wie gut es gelingt, aus dem Alltagsdenken aussteigen zu k?nnen ? welches gerade bei F?hrungskr?ften meist auf schnelles Denken und Umsetzen ausgerichtet ist und sich eher im bekannten Terrain wohl f?hlt. Unser (Alltags)Bewusstsein steht uns f?r tiefgreifende Probleml?sungsprozesse oft im Wege, wie Otto Scharmer mit seiner U-Theorie verdeutlicht hat. Dieses Alltagsdenken/-bewusstsein ist auf schnelle L?sungen, auf Konkurrenz und Wettbewerb sowie den Erhalt eigener Vorstellungen (unser Ego) ausgerichtet. Dies trifft auch auf das Zuh?ren und das Wahrnehmen des Gegen?bers zu. Wenn Menschen in diesem ?Modus? zusammenarbeiten sollen, entsteht weniger Neues ? vielmehr wird das Vorhandene ausgebreitet und zementiert.

Scharmer zeigt uns weiter auf, welches kreative und innovative Potenzial Menschen erschlie?en k?nnen, wenn sie sich sowohl untereinander als auch mit den gemeinsam entwickelten Fragestellungen ?verbinden?. Wir alle kennen diesen Zustand, wenn wir mit Anderen ein wirklich gutes Gespr?ch f?hren, welches uns sprichw?rtlich ber?hrt und auch zu neuen Einsichten verhilft. Dies bedeutet, dass auch im Zwischenmenschlichen ein ?mehr vom Gleichen?, f?r einen gro?en Wurf, der sich von der Optimierung des Bestehenden abhebt, nicht ausreicht. Echte Innovationen gelingen daher am besten, wenn es gelingt, aus dem Alltagstrott auszusteigen und in ein gutes Miteinander zu kommen. Bei Interesse dazu, h?ren Sie in unseren Podcast mit Gunnar Bremer ?ber die Theorie U rein.

Noch etwas: Unternehmen, die sich auf solch einen Transformationsprozess einlassen wollen oder m?ssen, schaffen es in der Regel nur, wenn die Chefin oder der Chef ebenfalls bereit sind, sich zu ver?ndern. Denn solch eine Transformation muss nicht allein von der Frage des Gesch?ftsmodells getrieben sein. Oft zeigt sich, dass hier auch die Art und Weise ? also die Kultur oder die F?hrungsqualit?t ? des Miteinanders ver?ndert und getragen werden muss, damit das Neue in dieser komplexen Welt ad?quat bearbeitet werden kann. Eine Chefin oder ein Chef, die nur das Schiff aber nicht die eigene Kommandobr?cke ver?ndern wollen, werden es dann sicherlich schwerer haben.

Zusammenfassung

Aktuell spricht vieles daf?r, dass Gerald H?thers Zitat zutrifft.

In meinem Erleben werden wir alle ? mehr oder weniger ? dazu aufgefordert, uns zu ver?ndern: Etwas hinter uns zu lassen, etwas Neues aufzunehmen, eine neue Position in der sich ver?ndernden Welt einzunehmen oder zumindest, auf Dauer nicht mehr weiterzumachen wie bisher.

Und dies trifft beinahe auf s?mtliche Institutionen, Einrichtungen, Organisationen ?ber alle Segmente (wie Bildung, Gesundheit, Wirtschaft etc.) sowie auch auf uns Menschen pers?nlich zu. Jeder Unternehmer und jede Unternehmerin m?ssen jetzt kritisch pr?fen, ob dies auf die eigene Unternehmung zutrifft. Die Offenheit gegen?ber Ver?nderungen ist hierf?r ebenso wesentlich, wie das Bewusstsein, dass eine gr??ere Transformation nicht allein mit guten Tools zu meistern ist.

In unserem aktuellen Projekt greifen wir die hier gestellten Fragen auf, um konkrete Unterst?tzungsangebote f?r Sie zu entwickeln. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projekts sind unsere Erfahrungsr?ume ? hier haben Unternehmerinnen und Unternehmer die M?glichkeit, sich durch uns und andere Unternehmerinnen und Unternehmer in ihren Ver?nderungsprozessen begleiten zu lassen. Abonnieren Sie unseren Managementletter, um ?ber unsere Ergebnisse auf dem Laufenden zu bleiben ? oder schauen Sie einfach regelm??ig auf unserer Site www.rkw.link/disrupt vorbei. Falls Sie bereits jetzt Interesse an ?ungew?hnlichen? Krisen-Tools haben, m?chte ich Ihnen unseren aktuellen Managementletter ans Herz legen.

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