Stand der Digitalisieung des kleinen Bauunternehmens
Vor l?ngerer Zeit ? etwa vor acht bis neun Jahren ? wurde bei der August Hespenheide GmbH ein Daten?bertragungssystem f?r die Zeiterfassung installiert. Es dient der Erfassung von geleisteten Stunden projektbezogener Baustellen, schlie?t aber T?tigkeitserfassungen und Leistungsbemessungen sowie Verhaltenskontrollen ausdr?cklich aus.
F?r die Arbeiten im B?ro wurde die EDV gem?? den gesetzlichen Vorgaben entsprechend angepasst. Entstanden ist ein papierloses B?rosystem, das durch die Nutzung von Tablets erg?nzt und insbesondere in den Bereichen der Buchhaltung und des Aufma?es genutzt wird.
Vorgehen bei der Einf?hrung des digitalen Zeiterfassungssystems
Strategischer Treiber zur Einf?hrung der digitalen Daten?bertragung war die Gesch?ftsleitung. Anlass f?r diese Initiative waren die bis dahin zu zeitintensiven analogen Verwaltungst?tigkeiten im B?ro, wie auch im Aufma?-Bereich. Vor allem sollten Wochenberichte f?r Kolleginnen und Kollegen vereinfacht werden, die bis dahin nur selten rechtzeitig eingingen.
Die Kommunikation gegen?ber dem Betriebsrat war anf?nglich eher ??berrumpelnd?. Ihm wurde von Seiten des System-Anbieters eine Betriebsvereinbarung (BV) zur Einf?hrung und zum Arbeiten mit dem neuen Zeiterfassungs-System vorgelegt, die im Auftrag der Gesch?ftsleitung erstellt worden war. Diesen Vorschlag lehnte der Betriebsrat ab und formulierte einen eigenen Entwurf f?r eine neue BV, die an den konkreten Bedarfen eines Maler-Gewerks ansetzt. Diesen BV-Entwurf hat der Betriebsrat intensiv mit Vertretern der Arbeitnehmerkammer Bremen wie auch mit Gewerkschaftsvertretern beraten und abgestimmt.
Auswirkungen auf die Organisation des Unternehmens und auf die Besch?ftigten
Mit der Einf?hrung gingen keine direkten Auswirkungen auf die bisherige Organisationsstruktur des Unternehmens einher. Allerdings hat sich die Zusammenarbeit zwischen operativem (B?ro) und strategischem Gesch?ft (Gesch?ftsleitung) verbessert, da die Kalkulation ?ber das digitale Daten?bertragungssystem erleichtert, verbessert und auch beschleunigt wurde.
Ver?nderungen in der Arbeitsorganisation und -gestaltung gab es nicht. Die T?tigkeiten, Arbeitsabl?ufe und Aufgaben wurden schlie?lich nicht neu strukturiert. Deshalb gab es auch keine Ver?nderung oder Neuausrichtung der Arbeitsrollen und schon gar keine neuen Berufsbilder. Dies w?re erst dann der Fall, wenn im operativen Gesch?ft mit 3D-Modellen gearbeitet w?rde, zum Beispiel zur Veranschaulichung einzelner Wohnr?ume.
F?r die Mitarbeitenden gab es also keine wesentlichen Umstellungen. Die Neuerung bezog sich im Wesentlichen auf das Einloggen und die Einweisung in das digitale Daten?bertragungssystem. Bei der Einweisung unterst?tzen der Betriebsrat die Besch?ftigten. Zum einen gab es eine Betriebsversammlung aller Mitarbeitenden und zum anderen drei Teilversammlungen, die in Form von Baustellenbegehungen stattfanden und auf denen der Betriebsrat die Einweisung beratend unterst?tzte.
Relativ zeitnah zeigten sich die positiven Auswirkungen, zum Beispiel bei Langzeitentsendungen und bei der Vergabe von Baustellenzulagen. Gerade letztere wurden transparenter, denn sie k?nnen jetzt nicht mehr willk?rlich gestrichen werden. Das war ein sehr starkes Argument f?r die Mitarbeiterakzeptanz. Ein besonderer Vorteil f?r die Gesch?ftsf?hrung besteht insbesondere darin, dass die Baustellen nun besser nachzukalkulieren sind.
?ngste und Hemmnisse der Belegschaft und Ma?nahmen zu deren Abbau
Eine zentrale Aufgabe f?r den Betriebsrats bestand tats?chlich darin, die anf?nglichen Hemmnisse und ?ngste der Mitarbeitenden abzubauen. Die Hemmschwellen existierten quer durch alle Alters- und Besch?ftigtengruppen, waren aber zu Beginn am st?rksten bei den ?lteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgepr?gt. Die gr??te Sorge von vielen war die GPS-?berwachung. Dies konnte der Betriebsrat aber durch die bereits erw?hnte Betriebsvereinbarung abschw?chen. Darin wurde verankert, dass die Zweckbestimmung keinesfalls der Leistungs- und Verhaltenskontrolle gelten d?rfe.
W?hrend der Einf?hrungsphase gab es im Betriebsratsgremium immer wieder Anl?sse dar?ber zu diskutieren, wie diese ?ngste und Hemmnisse in der Belegschaft peu ? peu abgebaut werden k?nnten. ?ngste um die Aufgabengebiete von Mitarbeitenden gab es nicht.
In einer Sensibilisierungs- und Gew?hnungsphase unterst?tzte der Betriebsrat durch regelm??ige Mitarbeiterinformationen. Die Akzeptanz der Besch?ftigten konnte er vor allem dadurch gewinnen, indem die Vorz?ge und die Arbeitserleichterungen den Mitarbeitenden verdeutlicht wurden, die mit einer digitalen, papierlosen Daten?bertragung einhergehen.
Schulungsbedarf war lediglich bei der Buchhaltung im operativen Gesch?ft erforderlich. Allerdings erhielten diejenigen nochmals eine betriebsinterne Einweisung, denen der Einstieg in das neue System schwer fiel. Dies ?bernahmen dann Kollegen und Kolleginnen aus der Buchhaltung oder Mitglieder des Betriebsrats.
Einbindung der Mitarbeitenden und des Betriebsrats in den Ver?nderungsprozess
Sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch der Betriebsrat wurden erst einmal vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Anbieter des digitalen Daten?bertragungssystems zur Zeiterfassung hat dem Betriebsrat eine BV vorgelegt, die er so nicht akzeptiert hat. In der von der Interessenvertretung entgegengesetzten BV wurden Rahmenbedingungen zur Umsetzung eines digitalen Daten?bertragungssystems zur Arbeitszeiterfassung festgelegt und folgende Leitblanken hinterlegt:
- das Ausschlie?en von Leistungs- und Verhaltenskontrollen
- die Festlegung von Arbeitsbeginn und -ende (nummerisch)
- das Zugriffsrecht des Betriebsrats und des/ der betroffenen Mitarbeiters/-in auf die Daten,
- die Einweisung in das neue Daten?bertragungssystem bei zus?tzlichem Qualifizierungsbedarf
- die Verankerung einer Fehlerkultur, das hei?t: es erfolgt keinerlei Sanktionierung bei anf?nglichen Eingabefehlern
- die Vorbereitung auf den Umgang mit dem digitalen Daten?bertragungssystem durch den Betriebsrat
Die daraufhin folgenden Verhandlungen zwischen Gesch?ftsf?hrung und Betriebsrat waren anfangs konfliktreich aber im Verlauf der Zeit eher konstruktiv und kompromissbildend. Die Einigung erfolgte dann innerhalb von zwei Wochen. Letztendlich gab es eine einvernehmliche Regelung auf betrieblicher Ebene. Wichtig hierf?r war der Abschluss der Betriebsvereinbarung.
Formen der Mitarbeiterpartizipation
In die vorbereitenden Schrittfolgen zur Einf?hrung des digitalen Daten?bertragungssystems zur Arbeitszeiterfassung wurde nicht die gesamte Belegschaft einbezogen, sondern nur mittelbar ?ber den Betriebsrat. Die Festlegung der Ziele f?r dessen Einf?hrung wurden ausschlie?lich zwischen Betriebsrat und Gesch?ftsleitung festgelegt. Eine Beschreibung der Anforderungen an das neue Zeiterfassungssystem wurde gemeinsam verhandelt. Der Betriebsrat pochte darauf, das Zeiterfassungssystem unter Vorbehalt einzuf?hren und die vorl?ufige BV erst einmal zu testen. Diese Phase sollte der Erprobung dienen.
Als Partizipationsform kamen sowohl das Informations- und Beratungsrecht des Betriebsrats ins Spiel als auch das Mitwirkungsrecht. Letzteres vor allem in der Einweisungsphase. Nat?rlich wurde auch vom Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht ? und zwar voll umf?nglich: Ausgew?hlte Besch?ftigte wurden partiell in Entscheidungsprozesse miteinbezogen.
Konsequenzen f?r zuk?nftige Lernprozesse in den betrieblichen Handlungsfeldern
Wichtig ist es, die Mitarbeitenden bereits im Vorfeld einzubeziehen, beispielsweise indem man vorzeitig Meinungsbilder einholt. Dies hat Betriebsrat der August Hespenheide GmbH ?ber Einzelbefragungen von Mitarbeitenden auf der Baustelle gemacht, aber auch ?ber Gruppenbefragungen, wie Altgesellen und Leistungstr?ger. Mit ihnen wurde ?ber bestimmte Themenfelder und Aspekte der Digitalisierung direkt gesprochen.
Als Konsequenz aus den Verhandlungen ?ber die BV zur digitalen Daten?bertragung hat das Betriebsratsgremium au?erdem beschlossen, ein Seminar zum Konfliktmanagement zu belegen, das von dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter besucht wurde.
Tipps f?r anderen Betriebsr?te aus kleinen und mittleren Bauunternehmen zum Thema Digitalisierung
Bei allen Ver?nderungen im Zuge der digitalen Transformation auf betrieblicher Ebene ist es wichtig, deren Auswirkungen vorab genauestens zu pr?fen ? insbesondere die Auswirkungen auf das operative Gesch?ft.
Zentral ist auch, die Interessenverb?nde und die Arbeitnehmerkammern rechtzeitig einzubeziehen und sich von ihnen intensiv beraten zu lassen und ? last but not least ? geht es f?r Betriebsr?te darum, die ?ngste, Hemmnisse und Bedenken der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst zu nehmen und ihnen in den Verhandlungen mit der Gesch?ftsleitung eine Stimme zu geben.
Die Interessenvertreter haben gelernt, dass es bei der August Hespenheide GmbH & Co. KG seit Gr?ndung des Betriebsrats immer wieder Lernprozesse gibt, in denen eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Interessenvertretung und Gesch?ftsf?hrung gelingt und erfolgreich ist.