Als das RKW vor 100 Jahren gegr?ndet wurde, spielte das Thema ?Entrepreneurship Education? ? also das Erlernen der F?higkeit, Innovation und ?konomische Kreativit?t durch unternehmerisches Denken und Handeln hervorzubringen ? noch keine Rolle und beschr?nkte sich auf wenige Fachschulen, die junge Menschen explizit zum Unternehmer ausbildeten. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stellte sich vor dem Hintergrund der Entwicklung der gro?en Kapitalgesellschaften die Frage nach der Notwendigkeit der Vermittlung unternehmerischer F?higkeiten schlicht nicht ? damals galt alle Aufmerksamkeit der branchen- oder technologiebezogenen Fachkompetenz sowie einer allgemeinen kaufm?nnischen Kompetenz. Erst ab den 1980er Jahren erfuhr die Besch?ftigung mit dem Thema ?Entrepreneurship? eine Renaissance. Der erste Schritt f?r die Gr?ndung neuer Unternehmen war mit diesem Wandel gesetzt.

Die Europ?ische Kommission sieht Unternehmertum seit Ende der 1990er Jahre als einen der Schl?sselfaktoren f?r die Wettbewerbsf?higkeit Europas und betont seitdem, wie wichtig die Entwicklung einer europ?ischen unternehmerischen Kultur durch die F?rderung einer entsprechenden Denkweise sowie durch Ausbildung unternehmensrelevanter F?higkeiten ist. Die Daten des Global Entrepreneurship Monitor (GEM) zeigen, dass im internationalen Vergleich insbesondere bei Schulen in Deutschland noch viel Chancenpotenzial bei der Entrepreneurship Education besteht. Denn Entrepreneurship ist nach wie vor ein Ph?nomen, dem sich keiner entziehen kann und auch in Zukunft wird es ein vieldiskutiertes und spannendes Thema bleiben. Welche Kompetenzen und vor allem ?berfachlichen F?higkeiten m?ssen an den Schulen zuk?nftig (verst?rkt) vermittelt werden? Ist dazu ein Zusammendenken unternehmerischer und digitaler Kompetenzen n?tig? Zu diesen Fragen und ?ber den aktuellen Stand der Entrepreneurship Education in Deutschland sprachen wir mit Prof. Dr. Barbara Burkhardt-Reich. Sie ist Gesch?ftsf?hrerin der Steinbeis-Zentren Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim und Gr?ndungsmitglied des Initiativkreises ?Unternehmergeist macht Schule?.

Frau Prof. Burkhardt-Reich, die Digitalisierung oder die ?Wirtschaft 4.0? mit ihren Auswirkungen auf Beruf und Arbeit (?Arbeit 4.0?) nehmen heutzutage einen sehr hohen Stellenwert ein. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist der zunehmende Einsatz von k?nstlicher Intelligenz (KI). Sind Ihrer Meinung nach die Schulen auf diese ? aktuell schon geschehenden und zuk?nftigen ? Ver?nderungen in der Arbeitswelt vorbereitet? Welche Rolle spielt hierbei Entrepreneurship Education?

Von ?den Schulen? zu sprechen, ist immer schwierig. Wir haben ? auch aufgrund des f?derativen Systems ? eine gro?e Vielfalt an Bildungssystemen und Bildungspl?nen; auch die Aus- und Fortbildung f?r Lehrkr?fte ist unterschiedlich geregelt. Aus meiner Sicht gibt es aber bereits einige Schritte an den Schulen, die einen guten Beitrag zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt 4.0 leisten. Ein wichtiger Schritt ist die Kompetenzorientierung, die sich mittlerweile in den Bildungspl?nen niederschl?gt und an vielen Schulen gut umgesetzt wird. Auch in der zuk?nftigen Arbeitswelt sind die fachlichen Grundlagen wichtig, aber sie allein reichen nicht mehr aus. Wir m?ssen die Kompetenzen vermitteln, die es unseren Jugendlichen erm?glichen, sich immer wieder neu auf die sich schnell ?ndernden Herausforderungen einzustellen. Die Corona-Pandemie zeigt gleichsam wie ein Brennglas auf, wie es um die Ver?nderungsbereitschaft an unseren Schulen aussieht, bei aller Kritik ? vieles ist ja auch gelungen. Dazu haben ganz besonders die Sch?lerinnen und Sch?ler ihren Beitrag geleistet und das wird in der ?ffentlichen Debatte stark vernachl?ssigt. Viele Jugendliche bewegen sich mittlerweile selbstverst?ndlich in der digitalen Welt. Sie sind damit aufgewachsen und bringen schon ganz andere F?higkeiten und Kompetenzen mit. Wir konnten h?ufig beobachten, wie sie sich proaktiv den Herausforderungen gestellt und ihren Beitrag zur Probleml?sung geleistet haben. Eine Reihe von ?berfachlichen F?higkeiten, die in der Entrepreneurship Education eine gro?e Rolle spielen, wurden im Homeschooling und Onlineunterricht praktiziert: Selbst?ndigkeit, Organisationsf?higkeit, Durchhalteverm?gen, Selbstwirksamkeits?berzeugung, Probleml?sef?higkeit. Daran m?ssen wir jetzt ankn?pfen. Es ist deutlich geworden, wie wichtig diese F?higkeiten sind, um Schule unter den ver?nderten Rahmenbedingungen neu zu gestalten. Das gilt es nun mitzunehmen. Deutlich zu machen, dass Entrepreneurship Education nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Vorbereitung auf die Arbeitswelt 4.0 leistet, sondern grundlegend die Ver?nderungsbereitschaft st?rkt. Da bringen die Jugendlichen schon einiges mit und wir sollten mehr Vertrauen in deren Probleml?sungsf?higkeit und Innovationskraft entwickeln.

Wo sehen Sie den gr??ten Unterst?tzungsbedarf, damit mehr junge Menschen zuk?nftig den Schritt in die Selbst?ndigkeit wagen oder in Unternehmen des deutschen Mittelstands innovative Ideen und Erfindungen vorantreiben? Woran mangelt es den Jugendlichen aktuell? An Mut?

Bevor wir ?ber Unterst?tzungsbedarf sprechen, sollten wir dar?ber nachdenken, wie wir junge Menschen bereits fr?h f?r die unternehmerische Selbst?ndigkeit begeistern. Wir sollten noch mehr als dies bereits geschieht Sch?lerinnen und Sch?lern ein ?Spielfeld? er?ffnen, in dem sie ausprobieren k?nnen, was es bedeutet, kreative Ideen zu entwickeln, sowie diese in Probleml?sungen und Gesch?ftsmodelle umzusetzen. Dazu gibt es bereits eine Vielzahl an Projekten und Wettbewerben, die sich im Initiativkreis ?Unternehmergeist macht Schule? zusammengeschlossen haben. Diese Projekte sollten noch viel mehr an Schulen eingesetzt werden. M?glichst alle Sch?lerinnen und Sch?ler sollten die Chance bekommen, mindestens einmal in einem solchen Projekt mitzuarbeiten. H?ufig entdecken die Jugendlichen in solchen Projekten Kompetenzen, die sie in den klassischen Schulf?chern nicht bemerkt haben ? daran kann dann f?r eine berufliche Orientierung in Richtung Selbst?ndigkeit angekn?pft werden. Ich glaube nicht, dass es den Jugendlichen an Mut fehlt ? aber es fehlt an M?glichkeiten, f?r sich selbst zu entdecken, was unternehmerisches Handeln beinhaltet und inwieweit es zur eigenen Pers?nlichkeit passt.

Welche Lernans?tze an Schulen k?nnen Entrepreneurship Education in Deutschland steigern? Wenn Sie beispielsweise 50 Jahre in die Zukunft blicken, wie wird dann Entrepreneurship Education an Schulen unterrichtet werden?

Entrepreneurship Education kann einen ganz entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die digitale Revolution in den Schulen ankommt und umgesetzt wird. Insbesondere die ?berfachlichen F?higkeiten, die durch die Entrepreneurship Education vermittelt werden, und vor allem auch die entsprechenden Methoden. Mein Wunsch w?re, eine gute Balance zu finden zwischen den fachlichen Grundlagen und der Kompetenzorientierung, beides eingebettet in die digitale Bildung. Entscheidend ist, dass dies dann nicht nur im Bildungsplan verankert ist, sondern ?gelebt? wird ? sowohl von den Lehrkr?ften als auch ihren Sch?lerinnen und Sch?lern. Projektorientiertes, kollaboratives, f?cher?bergreifendes, selbstorganisiertes Arbeiten sollte selbstverst?ndlich und kein Gegensatz zum F?cherkanon sein. Sch?lerinnen und Sch?ler sollten so begleitet werden, dass sie ihre Lernprozesse selbst in die Hand nehmen und die digitalen M?glichkeiten sinnvoll aussch?pfen k?nnen. Kreativit?tstechniken und weitere Methoden der Entrepreneurship Education sollten genutzt und st?ndig weiterentwickelt werden. Daf?r ben?tigen wir allerdings eine Kraftanstrengung in der Lehreraus- und -fortbildung und die Einbindung der vielen kreativen Ideen, die Start-ups bereits jetzt f?r den Bildungsbereich entwickeln. Unser gemeinsames Ziel wird sein, die Qualit?t unseres Bildungssystems entscheidend und so zu st?rken, dass unsere Jugendlichen optimal auf die mit der Digitalisierung verbundenen Ver?nderungen in der Art, wie wir wirtschaften, arbeiten und leben vorbereitet sind.

Vielen Dank f?r das Gespr?ch!

 

Diesen und weitere spannende Beitr?ge finden Sie in der aktuellen Ausgabe des RKW Magazins: Auf das, was da noch kommt. 

 

Die Europ?ische Kommission definiert Entrepreneurship Education als die ?Herausbildung der allgemeinen Eigenschaften und Fertigkeiten, auf denen die unternehmerische Initiative gr?ndet? und als ?Vermittlung besonderer betriebswirtschaftlicher Kenntnisse?.

H?ufig wird Entrepreneurship Education in Zusammenhang mit der Sensibilisierung und Bef?higung zur Unternehmensgr?ndung gebracht; hierzu z?hlt auch die Vermittlung unternehmerischer Kompetenzprofile.

 

Literatur & Links: 

Global Entrepreneurship Monitor (2020? 1999): www.iwkg.uni-hannover.de/de/ forschung/forschungsprojekte/detailseite/ projects/global-entrepreneurship-monitorgem-laenderbericht-deutschland/

Initiative ?Unternehmergeist macht Schule?: www.unternehmergeist-macht-schule.de/ DE/Startseite/home_node.html (letzter Abruf: 27.03.2021)

Kommission der Europ?ischen Gemeinschaften (2006): Mitteilung der Kommission an den Rat, das europ?ische Parlament, den europ?ischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft: F?rderung des Unternehmergeistes in Unterricht und Bildung, Br?ssel.

Pittaway, L., Cope, J. (2007): Entrepreneurship Education: A Systematic Review of the Evidence. International Small Business Journal, 25(5), 479?510

Bleiben Sie auf dem Laufenden!

Mit unseren RKW Alerts bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Wir informieren Sie automatisch und kostenlos, sobald es etwas Neues zum Projekt "Global Entrepreneurship Monitor" auf unserer Website gibt. Alles, was Sie dafür brauchen, ist eine E-Mail-Adresse und 10 Sekunden Zeit.

Bitte geben Sie hier das Wort ein, das im Bild angezeigt wird. Dies dient der Reduktion von Spam.

CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz Wenn Sie das Wort nicht lesen können, bitte hier klicken.