Wie ein Kosmetikhersteller und ein Technik-Startup zusammenfanden
Frau Bellenberg, Herr Robertz, wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Johanna Bellenberg: 2013 hatten wir eine sehr intensive Entwick?lungszeit und waren auf der Suche nach einem Partner, der uns dabei unterst?tzen kann. Wir wollten unser Produkt erst auf den Markt geben, wenn es vorher ausreichend getestet wurde.
Horst Robertz: Ich habe Herrn Franke, Gesch?ftsf?hrer von Picavi, vor circa sechs Jahren zuf?llig im Rahmen einer IHK-Veranstaltung kennen-gelernt. Den Gedanken, mit Daten?brillen zu kommissionieren, was es bis dahin so noch nicht gab, fand ich sehr spannend. Da haben wir uns l?nger in die Augen geschaut und uns gesagt, das k?nnte eine gute Zusammenarbeit werden.
Und warum sind Sie die Partner?schaft eingegangen, obwohl Sie so unterschiedliche Produkte haben, Herr Robertz?
Horst Robertz: Wir sind ein kom?plett produzierendes Unterneh?men, d.h. wir haben die gesamte Supply Chain hier bei uns im Haus und stehen, auch was die Logistik betrifft, unter entsprechendem Kostendruck. Die Zusammenar?beit mit Picavi war f?r uns nur von Vorteil: Wir hatten wenig bis kein Risiko, denn ich hatte bereits ein funktionierendes Kommissio?nierungssystem f?r unser Lager. Das Schlimmste, das h?tte passie?ren k?nnen, w?ren ein paar Monate Arbeit umsonst und die R?ckkehr zum alten System gewesen.
Welche konkreten Vorteile brachte die Entwicklungspartnerschaft mit sich?
Johanna Bellenberg: Picavi startete mit drei Personen, jetzt sind wir 30 und wachsen stark. Das hat auch mit der Entwicklungspartnerschaft zu tun. Babor wurde sehr oft als Re?ferenzkunde genannt und nat?rlich wollen sich andere das System erst?mal anschauen, ob es wirklich l?uft. Mit so einem starken Partner war das wirklich ein super Start f?r uns.
Horst Robertz: Ein Produkt in den Markt reinbringen und als Erster von der Technologie zu profitieren, da hatten wir gl?cklicherweise das richtige Gesp?r. Wir konnten eine Zeitersparnis von ?ber 18 Prozent im Vergleich zum konventionellen System messen. Das ist enorm.
Was k?nnen Sie uns ?ber die Zusammenarbeit von Mittelstand und Startup verraten? Welche Unterschiede gibt es hier?
Johanna Bellenberg: Von unserer Seite war es eine Chance, das Pro?dukt am Markt zu testen, alle m?glichen Dinge auszuprobieren und Input zu bekommen. Viele haben diesen Luxus nicht, das Pro?dukt live am Kunden zu testen. Man ist sehr dankbar f?r einen Partner, mit dem man offen sprechen kann und der Geduld mitbringt.
Am Ende sind es die Partnerschaft und das beiderseitige Vertrauen, welche zum Erfolg beitragen. Na?t?rlich hat man als kleines Unter?nehmen erstmal Angst, gekauft zu werden oder die Idee geklaut zu bekommen. Gerade wenn man ganz am Anfang steht. Ohne ein entsprechendes Miteinander schei?tern viele, deshalb sch?tzen wir diese Zusammenarbeit sehr.
Horst Robertz: Ganz generell ist es immer etwas risikoreicher, mit einem Startup zusammenarbeiten als mit einem etablierten Unter?nehmen. R?ckblickend hatte die Zusammenarbeit drei wesentliche Vorteile:
Die Schnelligkeit von Startups: Das war bei unserer Zusammen?arbeit ein ganz wichtiger Faktor. Picavi war eine kleine Firma mit sehr kurzen Dienstwegen. Das ist das, was wir als Mittelst?ndler wirklich brauchen. Somit konnten wir das Projekt in einer sehr kurzen Zeitspanne durchbringen. Mit einem gro?en und etablierten Soft?wareanbieter h?tten wir bei einem konventionellen Projekt mindestens die dreifache Zeit ben?tigt.
Dann das Mindset von Startups: Wenn man in kleinen motivierten Teams arbeitet, f?hlt sich jeder uni?versell verantwortlich. Es wird weni?ger in Abteilungen und Zust?ndig?keiten gedacht, sondern einfach mitangepackt. Diese ??rmel hoch-krempeln?-Mentalit?t, gepaart mit Pragmatismus gef?llt mir sehr gut. Au?erdem sind Startups viel offener, ?Thinking out of the box? ist hier das Stichwort. Es wird ?ber M?glichkeiten nachgedacht, die etablierte Unternehmen gar nicht erst in Erw?gung ziehen w?rden.
Der Spa?faktor ist der dritte und vielleicht eher weiche Faktor, den man aber nicht untersch?tzen darf. Als ich mitbekam, welche (mediale) Resonanz unser Projekt hervorgebracht hatte, war ich positiv ?berrascht. Das war auf der einen Seite sehr anstrengend, weil wir vor lauter Besuch von Fernseh?sendern und DAX Konzernen kaum zum Arbeiten kamen, aber auf der anderen Seite war es ein Riesener?folg. Ich habe mich sehr f?r Picavi gefreut und auch wir konnten da?von profitieren.
Nach Ihren Erfahrungen mit Picavi, Herr Robertz, w?rden Sie in Zu?kunft auch mit Startups aus Ihrer Branche zusammenarbeiten?
Horst Robertz: Ja, wir haben auch schon Projekte in der Vergangen?heit umgesetzt. Das finde ich sehr reizvoll.
Frau Bellenberg, nun haben Sie ja auch mit gr??eren Kunden zu tun. Wie gestaltet sich da die Zusam?menarbeit?
Johanna Bellenberg: Fr?her war unsere gr??te Angst, dass es uns in einem Jahr nicht mehr geben k?nnte. Doch wir sind stark gewach?sen und mit ?ber 50 Kunden auf einem guten Weg weiter zu wach?sen. Somit kann man uns nicht mehr so einfach Konkurrenz machen. Au??erdem haben wir die gesamte Ex?pertise im Bereich Datenbrille und Logistik im Haus und haben uns als Marktf?hrer etabliert. Das l?sst uns selbstbewusst den gro?en Konzer?nen gegen?bertreten.
Zum Abschluss: Was k?nnen Sie Mittelst?ndlern und Startups mit auf den Weg geben?
Horst Robertz: Einfach mal mit?einander reden! Wer sich in der Branche auskennt, lernt Leute ken?nen, egal ob auf einer Messe oder einem anderen Event. Sehr selten meldet sich ein Startup proaktiv bei mir. Ich w?rde mir w?nschen, dass mehr Startups den aktiven Weg zum Mittelstand suchen und umgekehrt.
Johanna Bellenberg: Startups haben oft Angst, dass ihre Idee geklaut oder das Unternehmen aufgekauft wird. Hier ist Mut zur Offenheit und Offensive auf beiden Seiten gefragt! Ich glaube, dass man Situationen schaffen kann, von denen beide Par?teien profitieren. Picavi und Babor sind ein Beispiel daf?r, dass so eine Kooperation gut gehen kann.
?ber Babor
Das Familienunternehmen wurde in den 50er Jahren durch Dr. Michael Babor gegr?ndet. Grundlage war das von ihm entwickelte und patentierte Wirkstoff HY-?L (eine Wasser-?l-Emul?sion). In den fr?hen 2000ern ?nderte Babor seinen Markenauftritt und z?hlte, neben B2B-Kunden, nun auch Endverbraucher zu seiner Zielgruppe. Aktuell wird das Unternehmen in drit?ter Generation von der Gr?nderfamilie geleitet. www.babor.com
Horst Robertz ist seit zehn Jahren Gesch?ftsf?hrer der Babor GmbH & Co. KG.
?ber Picavi
Das Startup wurde 2013 (fr?her mit dem Namen Logcom) von Dirk Franke und Prof. Dr. Alexander Vo? gegr?ndet. Bis 2015 hatte Picavi seine Datenbrille zur marktreifen L?sung entwickelt. 2016 wurde dem Startup der ?Innovationspreis IT? im Bereich ?Industrie & Logistik? verliehen. Die Pick-by-Vision-L?sung von Picavi erm?glicht die konsequente visuelle F?hrung ?ber Datenbrillen ? etwa w?hrend des gesamten Kommissionie?rungsprozesses ? und maximiert damit die Produktivit?t. Gleichzeitig haben die Lagerarbeiter beide H?nde frei f?r ihre prim?re Arbeit. Gro?e Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen setzen Picavi mittlerweile im Echtbetrieb ein. www.picavi.com
Johanna Bellenberg ist seit zwei Jahren Director Marketing and Communications bei Picavi.
Dieser Beitrag erschien im RKW Magazin 1|18. Wenn Sie das Thema interessiert hat, laden Sie sich das gesamte RKW Magazin als PDF runter.