Sarah Heeder-Himmelreich ist seit Mitte 2007 Gesch?ftsf?hrerin des Landesinnungsverbandes Friseurhandwerk Hessen (LIV) mit insgesamt 25 Innungen, als auch Gesch?ftsf?hrerin der Friseur-Innung Hanau mit ca. 100 Mitgliedern. Von der Ausbildung her ist sie Dipl.-Wirtschaftsjuristin und hat in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt Arbeits- und Tarifrecht in der Beratung der Mitglieder angewendet sowie stetig neue Projekte mit dem Verband umgesetzt. Wir sprachen mit ihr ?ber den Ausbildungsberuf des Friseurs.

 

Wie ist es um den Ausbildungsberuf des Friseurs bestellt?

Reines Zahlenmaterial seitens der Statistiken ist aktuell aus dem Jahr 2015 lieferbar. Trotz fallender Zahl geh?rt der Friseurberuf zu den zehn am st?rksten besetzten Handwerksberufen und befindet sich ? was den Gesamtbestand betrifft ? an vierter Stelle mit 1.815 Auszubildenden in Hessen. Bundesweit gibt es ca. 23.500 Auszubildende im Friseurhandwerk.

Auf der Beliebtheitsskala, bzw. wenn man auf die Neueinstellungen schaut, steht der Beruf Friseur in Hessen sogar an dritter Stelle.

Der Anteil der m?nnlichen Auszubildenden ist steigend, 2005 betrug der Anteil der weiblichen Auszubildenden 88,6 Prozent, im Jahr 2014 82,9 Prozent.

Die Abschl?sse der Friseurauszubildenden haben sich in den letzten Jahren auch nicht signifikant ver?ndert, die meisten Auszubildenden besitzen weiterhin zu 2/3 einen qualifizierten Hauptschulabschluss, bei 26,6 Prozent immerhin liegt der Anteil der Realschulabschl?sse und bei  FOS/Abitur stieg die Quote von (2005) 3,1 Prozent auf (2015) 5,8 Prozent an. Auch der geringe Teil von jungen Auszubildenden ohne Abschluss  ist nur leicht schwankend unver?ndert.

Bundesweit wurde 2008 eine neue Ausbildungsordnung mit einer gestreckten Gesellenpr?fung eingef?hrt. In Hessen existiert seit ?ber 25 Jahren, und damit als einer der ersten Verb?nde, eine landeseinheitliche, theoretische Gesellenpr?fung, deren Qualit?t und Inhalt j?hrlich durch Gremien ?berarbeitet und ?berwacht wird. Dar?ber hinaus existiert hier beim Verband ein aktiver Berufsbildungsausschuss, der die in Hessen 25 aktiven Gesellenpr?fungsaussch?sse f?r eine einheitliche Pr?fweise in den Innungen schult. Auch hier finden Treffen und Erfahrungsaustausche sowie Schulungen f?r neue Pr?fer statt. Hessen hat auch ein eigenes lizenzfreies Pr?fprogramm f?r die Innungen erstellt. Auch hierbei ist Hessen wieder Vorreiter, was fr?hzeitige und fl?chendeckende Schulungen der Pr?fer als auch ein eigenes Pr?fprogramm betreffen.

Aktuell stehen die Berufsschulstandorte in Hessen nicht zur Diskussion, und Betriebe haben somit einen Anreiz f?r eine wohnortnahe Ausbildung.

Der Fachkr?ftemangel im Friseurhandwerk war wesentlich sp?ter als in anderen Berufssparten wirksam, ist jedoch auch mittlerweile seit vier, f?nf Jahren deutlich sp?rbar. Grund hierf?r ist der starke Geburtenr?ckgang.

Zudem k?mpfen auf dem Ausbildungsmarkt mittlerweile viele Unternehmenssparten um Auszubildende, auch um jene mit niedrigen Bildungsabschl?ssen, die zuvor im Handwerk ihre Karriere erfolgreich starteten, so dass auch hier ein neuer Wettbewerb um Auszubildende stattfindet.

Leider sind auf dem Ausbildungsmarkt vermehrt Auszubildende anzutreffen, welche bereits in jungen Jahren m?de, unkonzentriert und nicht wirklich anwesend erscheinen. Die virtuelle, parallele Welt, in welcher sich Jugendliche zunehmend bewegen, wirft gro?e Probleme w?hrend der beruflichen Ausbildung auf.

Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe ist im Friseurhandwerk weiterhin ungebremst vorhanden und h?ngt auch damit zusammen, dass dem Friseurhandwerk der Meisterbrief erhalten blieb. Es handelt sich um ein gefahrgeneigtes Handwerk, welches in der Anlage A der Handwerksordnung eingetragen ist und f?r das bei einer Selbstst?ndigkeit der sog. gro?e Bef?higungsnachweis notwendig ist.  

Ausbilder bilden somit neue Mitarbeiter, Salonleiter und oft auch Nachfolger f?r den eigenen Betrieb aus. Eine ?berausbildung ohne anschlie?ende Berufsm?glichkeit hat sich in den letzten vier bis f?nf Jahren gewandelt, so dass einem Absolventen zum Friseur in der Regel die ?bernahme und/oder ein sehr guter Arbeitsplatz in einem sehr guten Salon in Aussicht stehen. Damit korrelieren selbstverst?ndlich auch entsprechende Abschl?sse eines Absolventen. Aber auch hier sehen wir, dass Betriebe f?r junge Gesellinnen und Gesellen noch weitere Ausbildungen und Nachschulungen anbieten, um ihre Fachkr?fte f?r besondere Techniken ihres Unternehmens fit zu machen.

In Bezug auf das Gehalt besteht immer wieder Diskussionsbedarf. Vielleicht ist es ein Henne-Ei-Problem; inwiefern der Verbraucher bereit ist, einen h?heren Preis f?r h?here L?hne zu zahlen, und inwieweit Konkurrenz und Schwarzarbeit den ordentlich arbeitenden Betrieben Konkurrenz machen und damit auch das Lohngef?ge beeinflussen.

 

Was k?nnen und sollen Friseure tun, um junge Menschen f?r ihre Ausbildung zu interessieren und zu gewinnen?

Friseurbetriebe haben in den vergangenen Jahren in aller Regel fortw?hrend an ihrer Au?endarstellung gearbeitet. Nat?rlich gibt es den ?Kleinbetrieb?, der nur einen Telefonanschluss besitzt, aber diese eingetragenen Betriebe in der Definition von Betrieb nach W?he, die ausbilden, werden weniger.

Zunehmend betreiben Betriebe Websites, einen Facebook-Auftritt, welchen wir Betreibern als Verband auch empfehlen. Die Au?endarstellung, die Ansprache von Kunden in den Unternehmen sind geeignetes Mittel, das Interesse f?r potentielle Bewerber zu wecken.

Betriebe werben ?ber Facebook-Anzeigen, Facebook-Gruppen, Twitter sowie weiterhin ?ber die ?blichen Printmedien, um Auszubildende der Agentur f?r Arbeit und Bildungsberater. Innungen veranstalten mit Bildungstr?gern oder der Agentur f?r Arbeit Treffen f?r Kontaktm?glichkeiten zwischen Innungsbetrieben und potentiellen Interessenten.

Weiterhin pflegen Betriebe und Innungen Kontakt zu Schulen und teilweise setzen sich Betriebe direkt mit Schulen in Verbindung. Viele Betriebe bieten sich als Praktikumsbetrieb an, um damit einen zuk?nftigen Auszubildenden zu erreichen. In Ausbildung Stehende geben Erfahrungsberichte ab, die ? medial genutzt ? wieder neue Bewerber anlocken.

Einige Betriebe haben bereits YouTube-Filme gedreht, veranstalten Castings f?r Auszubildende, bieten Trainings vor der Ausbildung an und propagieren einen Ausbildungsplatz, indem sie besondere zus?tzliche Fortbildungsm?glichkeit in Form von Seminaren oder Pr?mien f?r gute Schulnoten oder Gesundheitsverhalten anbieten.

Besonders wichtig ist auch, bereits im Salon zu ver?ffentlichen, dass ein Auszubildender gesucht wird, die Mund-zu-Mund-Propaganda ist immer noch sehr wirkungsvoll in Bezug auf Neukunden, neue Mitarbeiter als auch im Besonderen f?r neue Auszubildende.

Ein Betrieb ist heute also sehr gefordert, sich im bestm?glichen Licht zu pr?sentieren, um Mitarbeiter und Auszubildende zu gewinnen, und muss dies auch stetig medial kundtun. Allerdings ist damit auch einhergehend, dass ein Betrieb, der einen solchen Aufwand betreibt und sich die M?he macht, auch einen Auszubildenden erwarten sollte, der den Anforderungen zumindest deutlich gen?gt und die M?he auch wertzusch?tzen wei?.

Zu einer Ausbildungsst?tte geh?rt ferner, dass die besondere Leistungen, die sie anbietet, auch f?r einen zuk?nftigen Ausbildungsbewerber deutlich herausgestellt werden, wie beispielsweise Haarersatz, besondere Produkte, besondere Dienstleistungen z. B. Brautfrisuren.

Dazu geh?rt auch, dass ein Ausbilder den Beruf selbst liebt, dies immer wieder vorlebt und zeigt, dass der Friseurberuf sehr geeignet ist, eine kreative Arbeit am und mit Menschen darstellt und damit sogar zu den Berufen z?hlt, die gl?cklich machen.

 

Wie kann der LIV unterst?tzen?

Zum Teil sind schon Antworten in den anderen Fragen eingeflossen. Strikte Trennung ist fast nicht m?glich. Der LIV unterst?tzt auf unterschiedliche Art und Weise die Betriebe. Hier ist eher ein 360?-Blick angesagt, denn als hessischer Dachverband organisiert der LIV das Pr?fungswesen einheitlich. Auch die Bereitstellung einer einheitlichen Pr?fung garantiert Qualit?t f?r die Ausbildungsbetriebe. Die Ausbildung zum Friseur im dualen System beinhaltet viele Elemente, ?ber die sich die Geister zuweilen scheiden. Die einen halten einige Elemente f?r veraltet; tats?chlich tritt der Verband f?r eine gr??ere Bandbreite an Friseurtechniken ein, und in privaten Systemen wird meist auf ein bestimmtes leider oft vereinfachtes System hin ausgebildet. Oft wird auch auf eine spezielle Produktgruppe hin geschult. Nicht selten steht hinter einem privaten Ausbildungssystem eine bestimmte haarkosmetische Industrie.

Der hessische Dachverband hat auch den Tarifvertrag f?r Auszubildende und Arbeitnehmer geschlossen, im Jahre 2013 auch neu verhandelt, wieder mit einer Allgemeinverbindlichkeit versehen. So wird hier auch ein h?herer Anreiz f?r Bewerber geboten. Der Ausbildungsverg?tung ist auch f?r das Jahr 2016 erneut gestiegen.  

Der LIV setzt sich f?r den Erhalt der 28 Berufsschulstandorte ein, da dies eine stetige Ausbildungsleistung garantiert. In Regionen, in welchen die Berufsschulen geschlossen wurden, findet in den jeweiligen Berufszweigen auch so gut wie keine Ausbildung mehr statt.

Der LIV setzt sich auch gegen?ber der Agentur f?r Arbeit daf?r ein, dass Berufsberater nicht mehr vom Berufsbild weg beraten, da sie es pers?nlich als nicht zielf?hrend ansehen. Auch hier hat sich in den letzten Jahren der Kontakt auf Landesebene mit der Agentur in Bezug auf das Image bew?hrt.

Um auch als Verband Modernit?t zu leben, hat er sich ein modernes Outfit durch ein neues Logo  gegeben und unterst?tzt die Innungen bei dessen ?bernahme. Verband und Innungen pr?sentieren sich als Dienstleister der Betriebe auch zunehmend in verschiedenen sozialen Medien und fordern die Betriebe auf, diesem Beispiel zu folgen. Auch hier wird ein neues Bild des Friseurhandwerks gepr?gt, das mit dem nostalgischen Tante-Emma-Salon nichts mehr gemein hat.

Einige Innungen haben mit dem neuen Logo nachgezogen und pr?sentieren sich als Innungen neu, modern und Ver?nderungen gegen?ber aufgeschlossen. Dies f?hr bereits zu positiven Erfolgen in der Wahrnehmung des Friseurs und des Berufsbildes vor Ort. Dennoch verteidigt der LIV das duale Ausbildungssystem, welches Deutschland zu einem erfolgreichen Land mit seiner weltweit bewunderten sehr geringen Jugendarbeitslosigkeit f?hrte. Das deutsche Bildungssystem, welches in seinen Abschl?ssen wie ein Steck-Baukasten funktioniert, dient zudem weltweit als nachahmenswertes Beispiel.

Private zus?tzliche Ausbildungen, spezielle Trainings, mit Wissensvertiefungen in besonderen Bereichen sind davon ausgenommen und selbstverst?ndlich auch im Friseurhandwerk sehr zu begr??en.

Weitere Unterst?tzung erh?lt der Betrieb durch den LIV, dass sich dieser mit den Landesbeh?rden in Verbindung setzt, um auch hier Qualit?t zu vereinheitlichen, Repressalien und Vorurteile gegen?ber Kleinbetrieben abzubauen und das Image zu heben. Gespr?che mit der Berufsgenossenschaft, den Landesgewerbe?rzten, dem Kultusministerium in Bezug auf Bildung und Schulstandorte, als auch dem Wirtschaftsministerium und der Agentur f?r Arbeit, um finanzielle M?glichkeiten f?r Ma?nahmen im Friseurhandwerk auszuloten.

Abschlie?end ist zu sagen, dass es sehr schade ist, dass in der  Gesellschaft Ehrenamt und Engagement in Innungen und das Vorantreiben des gemeinschaftlichen Gedankens als veraltet angesehen wird. Vielleicht ist es ein notwendiger Weg zur absoluten Individualisierung, den Wert der Gemeinschaft zun?chst vollst?ndig in Frage zu stellen, ja fast zu zerst?ren, um ihn dann wieder sch?tzen zu lernen. Nachdem die Individualisierung dann quasi zeigt, dass der Mensch weiterhin ein soziales Wesen ist und bleibt und nach diesen Gesetzm??igkeiten seit jeher ausgerichtet ist und es bleiben wird.

Aufgrund der kleinbetrieblichen Struktur im Friseurhandwerk ist die gro?e Klammer des Verbandswesens als wichtig und zielf?hrend anzusehen. Es besteht oft ein Drahtseilakt zwischen dem konservativen Auftreten eines Verbandes f?r Kammern, Beh?rden und Politik und Modernit?t gegen?ber Mitgliedern, Arbeitnehmern, Verbrauchern und damit dann auch dem Nachwuchs und seinen Erziehungsberechtigten.

 

Vervollst?ndigen Sie bitte abschlie?end den folgenden Satz: eine gute Ausbildungsqualit?t bedeutet f?r mich ...

... einem jungen Menschen aufgeschlossen Zeit, Geduld, Know-how sowie ein solides Fundament f?r seine berufliche Zukunft in Form einer Ausbildung zu vermitteln. Ihm Wissen, Werte, Wertsch?tzung und Disziplin mit auf den Weg zu geben, unabh?ngig ob sich dieser nun im eigenen oder in einem anderen Unternehmen fortsetzt.

Ausbildungsqualit?t bedeutet aus einer anderen Warte her betrachtet auch, eine geregelte, zuverl?ssige Gr??e anzutreffen, welche f?r beide Partner gleicherma?en zutrifft. Geregelte Verh?ltnisse ?ber die Art, Dauer, Inhalt und Entlohnung, geregelt unter staatlicher Aufsicht, damit schwarze Schafe das System auch einhalten m?ssen.