Jobeinstieg in Zeiten von Corona

Ein freundliches Willkommen am ersten Arbeitstag, ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz, eine Vorstellungsrunde durch das Haus, dazu eine informative Einf?hrung in den Arbeitsalltag, garniert mit einem ersten Kennenlernen des Teams in lockerer Runde, das sind ? Sie haben es l?ngst erkannt ? die basalen Zutaten f?r ein gutes Onboarding-Konzept. In den ersten Wochen geht es dann meist darum, die Neuen mit der Unternehmenskultur vertraut zu machen und daf?r zu sorgen, dass sie schnell ihre Kolleginnen und Kollegen kennenlernen k?nnen. F?r Neueinsteigerinnen und -einsteiger ist dieser letzte Punkt besonders wichtig, um gute Arbeitsbeziehungen aufbauen zu k?nnen. Aber kann dies auf Abstand unter den Bedingungen von Corona ?berhaupt gelingen? Und wie?

Einstieg in der Pandemie

Sp?tsommer im Jahr 1 der Pandemie: Eine Bewerberin, nennen wir sie Emily, wird zum Vorstellungsgespr?ch in das Unternehmen eingeladen. Sie wird gebeten, beim Betreten des Hauses eine Atemmaske zu tragen. Eine ebenfalls maskierte Mitarbeiterin empf?ngt sie freundlich. Womit Emily vorher nicht gerechnet hatte: das Vorstellungsgespr?ch findet in einem hybriden Format statt, also halb analog, halb virtuell ? wie in einer Talkshow. Sie ist kurz irritiert. Emily schie?t durch den Kopf: Wie wirke ich auf dem Bildschirm? Die Irritation verfl?chtigt sich schnell wieder, denn das Gespr?ch selbst verl?uft nicht anders als in vollanalogen Zeiten und fordert ihre Aufmerksamkeit. Beim Punkt Arbeitszeitregelung angekommen, erf?hrt Emily, dass es eine Betriebsvereinbarung zur Teleheimarbeit gibt und sie an einem selbstgew?hlten Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten kann. Sie ist dar?ber hocherfreut, denn f?r sie w?re dies ein Zugewinn an Arbeitszeitflexibilit?t. Zwei Tage pro Woche f?nde sie noch besser. Nicht zum Einstieg denkt sie, aber sp?ter.

Kurz vor ihrem ersten Arbeitstag erf?hrt sie, dass sich die Arbeitszeitregeln quasi umgekehrt haben. Nun gelten vier Tage Homeoffice und ein Pr?senztag pro Woche als Regel. Um f?r sich die Chance zu erh?hen, ihren neuen Kolleginnen und Kollegen mal pers?nlich zu begegnen, vereinbart Emily mit ihrer Chefin zwei Pr?senztage pro Woche. Doch die steigenden Inzidenzzahlen durchkreuzen ihren Plan. Die eint?gige Pr?senzpflicht im Unternehmen wird schlie?lich komplett ausgesetzt. Wer ins Unternehmen kommen will, muss einen triftigen Grund dazu haben. Damit sinkt f?r Emily die Chance, vor Ort immer mal Kolleginnen und Kollegen pers?nlich zu begegnen, gegen Null. Der Zugewinn an Arbeitszeitflexibilit?t hat nun eine ganz und gar unerwartete Form angenommen.

Soziale Integration bei r?umlicher Distanz

Unzweifelhaft haben sich Videokonferenzen und Chats in der Pandemie als unentbehrliche Tools erwiesen, trotz r?umlicher Distanz gut und konzentriert zusammenarbeiten zu k?nnen. Man sieht sich zwar nur ausschnitthaft, quasi als Portr?t im Kachelformat, aber immerhin. Und nat?rlich kann man sich auch mit Kolleginnen und Kollegen zu gemeinsamen virtuellen Kaffeepausen verabreden.

Ein vollwertiger Ersatz ist all das aber nicht. Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass sich l?ngst nicht alle Aspekte kollektiven Arbeitens und Kommunizierens digitalisieren lassen. Das f?ngt bei scheinbar belanglosen Aspekten wie Mimik und Gesten an, die eine Kommunikation bereichern und lebendig machen, die aber im kleinr?umigen Ausschnitt der virtuellen Konferenzr?ume nahezu vollst?ndig untergehen. Je gr??er die Anzahl der teilnehmenden Personen, desto mehr. Es ist schon sehr verbl?ffend, wenn eine Kollegin, die man als schlanke Person wahrgenommen hat, am Ende eines Arbeitstreffens verk?ndet, dass sie sich nun in den Mutterschutz verabschiedet. Die fortgeschrittene Schwangerschaft blieb im virtuellen Raum verborgen.

Der virtuelle Raum beschr?nkt unsere Sinne, die gegenseitige Wahrnehmung und demzufolge auch die soziale Interaktion erheblich. Leibhaftige Begegnungen im realen Raum ersch?pfen sich eben nicht im Sehen und H?ren. Man kann sich nur schwer ein Bild von unbekannten Menschen machen, wenn sie im Portr?tformat auf Bildschirmen angeordnet sind. Die Unterschiede werden vor allem dann deutlich, wenn man wie beim Jobeinstieg neue Menschen kennenlernen und sich mit ihnen vernetzen will. Aber auch Teams, Arbeitsgruppen und Menschen, die sich schon lange kennen, erleben den virtuellen Raum in den meisten F?llen als Einschr?nkung ihrer Kommunikation und Zusammenarbeit.

So lehrt uns die Pandemie, wie stark der Aufbau sozialer Kontakte und Arbeitsbeziehungen von der physischen Begegnung und eher zuf?lligen und ungeplanten Zusammentreffen lebt, etwa in der Teek?che oder durch spontane Gespr?che am Rande eines Arbeitstreffens. Und wir alle wissen, wie oft gerade beil?ufige Begegnungen und kurze Gespr?che den N?hrboden f?r kreative Impulse bilden.

Diese Erfahrung hat auch Emily gemacht. Sie hat daher die Initiative ergriffen und versucht, den Mangel durch Telefonate und virtuelle Verabredungen mit Kolleginnen und Kollegen, die nur dem Plaudern und Kennenlernen dienen, wenigstens etwas abzumildern. Solange die Pandemie uns zwingt, unsere Kommunikation und sozialen Kontakte auf den virtuellen Raum zu beschr?nken, sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu anlasslosen Begegnungen ermutigen.

Und nach der Pandemie?

F?r die Zeit nach der Pandemie k?nnte sich herausstellen, dass sich f?r kollektive Team- und Entwicklungsarbeiten eher das B?ro und die Tagungsr?ume im Unternehmen eignen. F?r die soziale Integration neuer Kolleginnen und Kollegen ist diese Form der kooperativen Arbeit unverzichtbar. Aber auch f?r Teams, die sich bereits gut kennen, sind Begegnungen und Arbeitstreffen in Pr?senz wichtig. Aufgaben, die man allein erarbeiten will und kann, lassen sich dagegen genauso gut, oft sogar besser im Homeoffice erledigen. Bei einem gut austarierten Mix aus Homeoffice und Pr?senzzeiten k?nnen sich dann auch die Vorz?ge des virtuellen Raums voll entfalten: Er eignet sich bestens f?r Abstimmungsgespr?che und die konzentrierte Diskussion von Arbeitsergebnissen.

Emily jedenfalls freut sich auf die Zeit nach der Pandemie und ist gespannt darauf, inwieweit ihre Kolleginnen und Kollegen dem Bild gleichen, das sie sich von ihnen gemacht hat.