Sie kennen das. Im Dezember wird man von Jahresr?ckblicken nur so bombardiert. ?berall wird man daran erinnert, wie gro?artig/schrecklich, erfolgreich/-los, gl?cklich/traurig doch das vergangene Jahr war. Wir vom INQA-Check-Projekt haben uns gedacht, wir machen?s dieses Jahr mal anders. Wir warten mit dem Blick zur?ck bis ins neue Jahr und begn?gen uns auch nicht mit 2017, sondern fangen ganz vorne an. F?r uns hei?t das September 2016. Warum? Damit Sie einen Einblick bekommen, welche inhaltliche Entwicklung das Projekt genommen hat und wissen, was Sie im Fr?hjahr 2018 im neuen INQA-Check ?Vielfaltsbewusster Betrieb? (Arbeitstitel) erwartet.

Vielfalt im Betrieb

Der Zeitpunkt bietet sich an. Es ist n?mlich Halbzeit im Projekt. Vor fast eineinhalb Jahren haben sich die Projektpartner zum ersten Mal getroffen, um das in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) h?ufig nicht so wirklich pr?sente Thema ?Diversity? in ein niederschwelliges Praxisinstrument sowie vertiefende Materialien zu ?bersetzen. Keine ganz kleine Herausforderung, das war und ist bis heute allen Beteiligten bewusst.

Von Anfang an war es uns wichtig, einheitliche und intuitive Begrifflichkeiten zu verwenden. Die Fokussierung auf die Zielgruppe KMU veranlasste uns, weniger mit dem englischen Begriff ?Diversity? zu hantieren, sondern ganz einfach von ?Vielfalt? zu sprechen. Auch das Wort ?Management? sollte m?glichst selten fallen, da das m?glicherweise gleich mit hohem Ressourcen- und Zeitaufwand assoziiert w?rde ? beides in der Regel ein knappes Gut. Zahlreiche Unternehmen begr??ten das in der sp?teren Praxisphase:

Diversity Management klingt so nach Gro?konzern

Das wichtigste in der fr?hen Projektphase war aber die inhaltliche Ausrichtung des Themas. Uns war es wichtig, nicht zu starr auf einzelne sogenannte Diversity-Kerndimensionen (Alter, Geschlecht, Religion, Behinderung, Ethnische Herkunft und sexuelle Orientierung/Identit?t) zu blicken. Schlie?lich spielen diese Merkmale nicht unbedingt ?berall die gleiche Rolle (Stichwort: ?Betrifft mich nicht, interessiert mich nicht?). Au?erdem sollte aufgezeigt werden, dass zum Beispiel die gleichen ?berlegungen, welche in Bezug auf die Integration von ausl?ndischen Besch?ftigten angestellt werden, auch anderen Mitarbeitern helfen k?nnen. Schlie?lich hat man als ?der/die Neue? in einem sozialen Gef?ge immer erstmal das Bed?rfnis dazugeh?ren zu wollen.

Ziel war und ist es, zu zeigen, welche Perspektive bzw. Einstellung hinter dem Diversity-Gedanken steckt. Gleichzeitig sollte Vielfalt nicht als normativer Selbstzweck dargestellt und mit moralischem Zeigefinger argumentiert werden ? nach dem Motto: ?Ihr m?sst jetzt mal alle vielf?ltig werden, dann seid ihr auch erfolgreich!? Das w?rde niemandem etwas bringen. Stattdessen formulierten wir als Ziel, einen Ansatz zu entwickeln, welcher Betrieben unterschiedlichster Coleur Handlungsfelder aufzeigt. Es sollte zu allererst einmal beantwortet werden, wo im Unternehmen der Vielfalts-Gedanke ?berhaupt eine Rolle spielen kann.

Vielfaltsbewusster Betrieb

Heraus kam die Idee des ?vielfaltsbewussten Betriebs?. Dieser intuitive Neologismus beschreibt letztendlich all das, was wir mit dem INQA-Check vermitteln wollen: Die individuellen Chancen und Herausforderungen in Bezug auf die Unterschiedlichkeit von Besch?ftigten, Kunden oder Bewerbern (er)kennen und sich bewusst damit auseinandersetzen. Dieser Gedanke soll eben kein extra Management-Konzept on-top sein, sondern einfach entlang der gesamten Wertsch?pfungskette mitgedacht werden.

Unserem Ansatz liegt ein Verst?ndnis zu Grunde, wonach jeder Mensch eine Kombination aus verschiedenen sichtbaren und unsichtbaren Merkmalen und Dimensionen ist. Jeder Besch?ftigte, Kunde oder Bewerber hat demnach im Laufe seines Lebens individuelle Blickwinkel und F?higkeiten (auch eine Formulierung auf die wir uns geeinigt haben) ausgebildet. Diese bestimmen letztlich, wer wir sind ? und was wir leisten k?nnen.

Klassischerweise fallen einem in diesem Zusammenhang dann die eingangs erw?hnten Kerndimensionen ein, also die Fragen wie alt jemand ist, wie er hei?t, wie gut er sich bewegen kann, woran er glaubt, wen er liebt, oder ob er eine sie ist oder vielleicht mal war. Gerade im Arbeitskontext k?nnen aber auch andere Dimensionen unsere Pers?nlichkeit eine Rolle spielen: zum Beispiel famili?re Verpflichtungen, Gewerkschaftszugeh?rigkeit, Berufserfahrung, Ausbildungsabschluss, Wohnort, Gewohnheiten oder der au?erbetriebliche Erwerb von Erfahrungen und Kompetenzen. Letztendlich unterscheiden wir uns alle irgendwie voneinander. Die einen eben mehr, die anderen weniger. Im betrieblichen Kontext ist es daher letztlich entscheidend, die Zusammenarbeit unterschiedlichster Menschen zu organisieren und zu optimieren. Das ist eigentlich das, was Diversity f?r uns bedeutet. Nicht mehr und nicht weniger.

Was bedeutet dieses Menschenbild nun aber im betrieblichen Kontext?

Wir weisen immer wieder darauf hin, dass es wichtig ist, nicht nur auf m?gliche Defizite zu schauen. Das bringt einen nicht weiter, sondern wirkt hemmend. Das hei?t, dass Anderssein (was auch immer das dann bedeutet) nicht automatisch die Frage aufwerfen sollte, was kann jemand deshalb nicht? Sondern Vielfalt im Betrieb kann ganz n?chtern als Zusammenkommen vielf?ltiger Blickwinkel und F?higkeiten am Arbeitsplatz verstanden werden. Vielfalt ist im Betrieb immer da ? sie ist sozusagen eine Rahmenbedingung unseres wirtschaftlichen (und gesellschaftlichen) Handelns und sie sieht in jedem Betrieb anders aus ? manchmal offensichtlich, manchmal versteckt. Deshalb lohnt es sich auch f?r jeden Betrieb, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Je nach Situation nat?rlich mit verschiedenen Schwerpunkten: W?hrend sich ein Betrieb aus Mangel an Bewerbern f?r internationale Rekrutierung interessiert und Tipps f?r die Kommunikation am Arbeitsplatz braucht, m?chte ein anderer mehr Frauen in F?hrungspositionen. Ein dritter ?berlegt, wie er die individuellen F?higkeiten seiner Mitarbeiter besser erkennen und f?rdern kann und ein vierter bemerkt versteckte Diskriminierung in seiner Belegschaft und wei? nicht, wie er sich dieser entgegenstellen kann.

Alle diese Fragen gr?nden sich letztendlich in folgendem Grundgedanken:

Was kann jemand wo und wie einbringen?

  • Was? Welche Erfahrungen, Kenntnisse, Ideen, Fertigkeiten etc. kurzum welche vielf?ltigen Blickwinkel und F?higkeiten bringt jemand mit?
  • Wo? In welcher Position/Rolle kommen diese Blickwinkel und F?higkeiten am besten zur Geltung? Wo helfen sie dem Betrieb, die Unternehmensziele zu erreichen?
  • Wie? Wie muss die Arbeit/der Betrieb organisiert sein oder werden, damit ein f?r alle Beteiligten optimales Arbeitsverh?ltnis gew?hrleistet ist?

In diesem Wie? geht es demnach um die Rahmenbedingungen, die m?glicherweise auch erst geschaffen werden m?ssen. Hier steckt alles drin vom Thema Arbeitsorganisation (Barrierefreiheit), Kommunikation (Sprache) oder Unternehmenskultur bis hin zu strategischen ?berlegungen, wie der langfristigen Implementierung eines vielfaltsbewussten Handelns in die Strategie nach innen und au?en.

Diese drei W?s beschreiben eine Perspektive ? eine Vielfaltsbrille ? welche das Thema f?r jeden Betrieb relevant macht.

Nachdem wir uns im Projektverbund auf diese Grundgedanken geeinigten hatten, formulierten wir die einzelnen Checkpunkte Strategie, F?hrung, Personalarbeit, Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur. Diese sollten den Bearbeitern veranschaulichen, dass sich ein vielfaltsbewusster Betrieb in allen Bereichen des strategischen, operativen und normativen Handelns dahingehend hinterfragt.

Mit diesem Ansatz versuchen wir m?glichst allen Ankn?pfungspunkte liefern ? gar keine so leichte Aufgabe bedenkt man die verschiedensten ?Ecken?, aus denen man zum Thema Vielfalt/Diversity kommen kann: Antidiskriminierung bzw. Chancengleichheit, Fachkr?ftemangel, Demografischer Wandel, Globalisierung, Migration, Inklusion, Kreativit?t- und Innovationssteigerung, Digitalisierung, Employer Branding, Gesundheit oder b?rgerschaftliches Engagement, um nur die h?ufigsten zu nennen.

Erfolgreiche Testphase und Verabschiedung auf dem Plenum der Offensive Mittelstand

Nach der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts fand in den letzten Monaten ein gro? angelegter Abstimmungsprozess statt. Die Instrumentenfamilie der Offensive Mittelstand im Rahmen von INQA zeichnet schlie?lich aus, dass sie sozialpartnerschaftlich erarbeitet und von allen wirtschaftspolitischen Akteuren in Deutschland als Praxisstandard akzeptiert ist. An der Entwicklung des Checks waren alle Partner der Offensive Mittelstand (unter anderem Bund und L?nder, Unternehmerverb?nde, Fachverb?nde, Handwerkskammern, Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Forschungsinstitute und Dienstleister) in irgendeiner Art und Weise beteiligt (19 Einzelgespr?che und 19 Workshops). Au?erdem wurde das Instrument in 16 Pilotunternehmen ausgiebig getestet. In dieser Phase wurde der Check dann sukzessive ?berarbeitet, bis Mitte November dann die letzte Version (0.9.2) vom Plenum der Offensive Mittelstand erfolgreich verabschiedet wurde.

Nicht ?Winter is Coming?, sondern "Der neue INQA-Check kommt!"

Wir - und Sie hoffentlich auch - k?nnen es nun kaum erwarten, bis der neue INQA-Check im ersten Halbjahr 2018 dann auch offiziell ver?ffentlicht wird. Bis es soweit ist, k?nnen Sie sich ja schon mal mit unseren Materialien zum Thema Leistungsf?higkeit und Vorurteile, Fachkr?fte finden & binden, Vorurteile im Betrieb oder dem Praxisbeispiel "Ein Vielfaltsbewusster Great Place to Work" einstimmen.

Dieses Jahr hei?t es also nicht wie in einer bekannten US-Serie ?Winter is coming?, sondern vielmehr ?The INQA-Check is coming?.