Die Handwerkskammer Region Stuttgart hat bisher zweimal das Projekt Digiscouts? in Stuttgart  als regionaler Partner unterst?tzt. Wir haben uns mit Thomas Gebhardt, Beauftragter f?r Innovation und Technologietransfer, bei der Handwerkskammer Region Stuttgart, zu dem Thema ?Digitalisierung in Handwerksbetrieben? unterhalten.

Wie digital sind Handwerksbetriebe? Wie weit sind die Betriebe?
Thomas Gebhardt: Das ist eine gro?e Frage, da man unter dem Thema Digitalisierung viel verstehen kann. Es existieren verschiedene Umfragen und es empfiehlt sich dabei immer zu schauen, wer die Umfrage gemacht hat und mit welchem Ziel. Denn bei manchen ist es schon ausreichend, wenn die Betriebe eine Webseite haben, um digital zu sein - das ist f?r mich nicht digital.

Wichtig ist, dass wir zwischen den Betrieben unterscheiden. In und um Stuttgart gibt es ca. 30.000 verschiedenste Handwerksbetriebe mit durchschnittlich sieben Mitarbeitern: Vom gro?en Elektrobetrieb, der sehr digitalisiert ist und mit 360 Grad Kameras arbeitet, bis hin zum kleinen Kosmetikstudio, in dem die Arbeit nur am Wochenende in einem kleinen Raum verrichtet wird. Dennoch haben wir auch viele kleine gut aufgestellte Betriebe im Bereich Digitalisierung. Aus diesem Grund sollte man mit Prozentzahlen zu Handwerksbetrieben vorsichtig agieren. Der Digitalisierungsgrad insgesamt ist gering, gerade wenn wir diesen mit IHK Betrieben vergleichen, denn diese haben deutlich mehr Mitarbeitende.
Ohne auf Umfragewerte zu schauen, ist meine subjektive Wahrnehmung, dass nur zehn Prozent der Betriebe gut digital aufgestellt sind und davon wiederum nur ein Teil, die ich als wirklich innovativ einsch?tze.
Dank der Corona-Pandemie hat das Interesse und die Offenheit gegen?ber dem Thema Digitalisierung zugenommen. 

Sie haben gerade erz?hlt, dass die Betriebe w?hrend der Pandemie offener f?r das Thema Digitalisierung geworden sind. Hat die Pandemie die Digitalisierung in den Betrieben voran gebracht?
Thomas Gebhardt: Ja, auf jeden Fall. Die Bereitschaft bei den Unternehmen ist da.Das mache ich an der Nachfrage zur Digitalisierungspr?mie, einer F?rderma?nahme des Landes in Baden-W?rttemberg, fest. Da habe ich im vergangenen Jahr etwa dreifach so viele Anfragen von Betrieben erhalten, die sagten, dass sie jetzt gerne ihren Betrieb digitalisieren m?chten.
Dennoch ist der Digitalisierungsgrad in Bezug auf die Digitalisierung und vor allem Automatisierung von Prozessen noch nicht gro?. Da ist noch viel Potential da.

Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Digitalisierung f?r Handwerksbetriebe, um auch zuk?nftig wettbewerbsf?hig zu bleiben?
Thomas Gebhardt: Eminent wichtig. Betriebe, die die Digitalisierung nicht ausreichend in ihrem Unternehmen vorantreiben, m?ssen sich k?nftig hinter digitalen Betrieben anstellen. Zudem haben schon jetzt ganz viele Betriebe einen Facharbeitendenmangel. Das bedeutet, heute hilft es den Betrieben wenn sie digital werden um die gleiche Arbeit mit weniger Mitarbeitenden zu realisieren und k?nftig wird der Einsatz von k?nstlicher Intelligenz eine Rolle spielen, damit sie ihre Leistungen noch gut erbringen k?nnen. Der Trend wird dahin gehen, dass weniger qualifizierte und angelernte Mitarbeitende die qualifizierte Arbeit machen m?ssen. Daf?r ben?tigen die angelernten Mitarbeitenden die entsprechende Unterst?tzung, Anleitung sowie Hilfsmittel.
Ein aktuell typisches Beispiel aus dem technologisch anspruchsvollen Sanit?r-/Heizungs-/ Klimabereich. Die Fachkraft sitzt im B?ro und leitet die angelernten Kolleginnen und Kollegen bei der Kundschaft vor Ort mithilfe einer AR-Brille aus der Ferne an. Der Mitarbeitende vor Ort erh?lt ?ber die AR-Brille oder per Videokonferenz die Montageanleitung von der Fachkraft aus dem B?ro. Genau aus diesem Grund ist Digitalisierung so wichtig, um ?berhaupt noch gute Leistungen erbringen zu k?nnen.
Des Weiteren wird der Fachkr?ftemangel verst?rkt durch den Generationenwechsel. Viele schlie?en ihren Betrieb, da sie keine Nachfolge finden. Das ist ein anderes gro?es Thema. Die restlichen Betriebe erhalten dadurch vermehrt Auftr?ge, denn die Anzahl der Kundschaft bleibt gleich.
Auch um gesetzeskonform arbeiten zu k?nnen, m?ssen sich die Betriebe digitalisieren. Beispielsweise drucken viele immer noch Rechnungen, die sie per E-Mail erhalten haben, aus und heften diese ab. Rechtlich konform ist diese Arbeitsweise nicht,  da eine elektronische Buchf?hrung verlangt wird.
Zudem gibt es im ?ffentlichen Bereich von den Kommunen immer mehr elektronische Ausschreibungen, wenn es zum Beispiel um die Reparatur von Fenstern und B?den in Schulen geht. Wenn Betrieb keinen Zugriff darauf hat, bekommt er keine Auftr?ge mehr. Ohne digitalisieren geht es nicht mehr ? wer da nicht mit macht, der f?llt hinten runter.

K?nnte die Digitalisierung bei der Nachfolge helfen?
Thomas Gebhardt: Selbstverst?ndlich. Wenn ich als Nachfolger einen Betrieb suchen w?rde, dann suche ich mir ein Unternehmen das gut aufgestellt ist, mir meine Zukunft sichert und mir eine Basis bietet auf die ich aufbauen kann.

Wie wichtig sch?tzen Sie den digitalen Auftritt von Handwerksbetrieben ein?
Thomas Gebhardt: Viele haben eine Webseite, wovon die meisten leider nicht zeitgem?? sind. Die Kundschaft ver?ndert sich. Es sind viele junge Familien, die die Handwerksleistungen ben?tigen und daf?r im Internet, auf Social-Media und Webseiten, recherchieren. Aus diesem Grund sch?tze ich den Online-Auftritt, die Pr?sentation des Betriebs nach au?en, als sehr wichtig ein, um die Kundschaft zu erreichen die der Betrieb haben m?chte. Diese Kundschaft bringt das Geld in die Betriebe!
Nat?rlich ist der digitale Auftritt auch wichtig im Hinblick auf die Gewinnung von Nachwuchskr?ften und Mitarbeitenden. Interessierte informieren sich zu offenen Stellen ?ber die Karrierewebseite. Aus diesem Grund sollte diese immer ?bersichtlich, informativ und aktuell sein.

Wie kommt es, dass viele Betriebe den digitalen Auftritt vernachl?ssigen?
Thomas Gebhardt: Die Auftragsb?cher bei den meisten Betrieben sind voll, weshalb sie diesen nicht ben?tigen. Das machen sie erst, wenn sie Auftr?ge ben?tigen. Leider verstehen viele nicht, wie wichtig der Internetauftritt f?r ihren Betrieb jetzt schon ist, um vom Google-Algorithmus gefunden zu werden und den Betrieb im Internet ansprechend zu repr?sentieren. Die Betriebe fangen erst an, wenn es brennt und dann kann es schon zu sp?t sein.

Vielen Dank f?r das Gespr?ch. 

Im Mai 2022 starten wir in Baden-W?rttemberg erstmals mit den "Digiscouts im Handwerk" - Sie sind ein Handwerksbetrieb und haben auch Lust an dem Projekt teilzunehmen? Dann schauen Sie bei der n?chsten Informationsveranstaltung am 26. April vorbei.

Zum Projekt anmelden k?nnen Sie sich unter: https://ds2.digiscouts.de