Mandy: Wie kam es zu dem Entschluss, Euren Job aufzugeben?

Martin: Der Entschluss kam nicht von heute auf morgen. Nach dem Studium haben wir beide in der gleichen Firma gearbeitet und ?fter ?ber Ideen und Projekte gesprochen, mit denen wir die Welt begl?cken k?nnen. (lacht) Aber neben einem Vollzeitjob und der sonstigen Lebensgestaltung blieb einfach nicht genug Zeit, um diese Projekte richtig voranzutreiben. Das hat uns irgendwann so genervt, dass wir dar?ber geredet haben, was w?re denn, wenn? Nach einiger Zahlenschubserei haben wir gedacht, ja, das k?nnte was werden. Gesagt, getan! Und nun gibt es atroo.

Robert: Ich hatte obendrein das Gef?hl, nach f?nf Jahren Festanstellung auf der Stelle zu treten. Die Weiterentwicklung kam mir zu kurz, beruflich wie auch ? ja, das klingt kitschig ? menschlich.

Mandy: Ihr reist durch die Welt, seid quasi st?ndig in einer anderen Stadt. Mal Barcelona, mal Rom, mal Lissabon. Wie l?sst sich diese Mobilit?t mit dem Job vereinbaren?

Robert: Eigentlich gab es schon in unserem letzten Job keinen Grund, t?glich an demselben Ort zu sein und ins B?ro zu gehen. Die meiste Kommunikation lief ?ber Skype, Telefon oder Mail. Die Ortsunabh?ngigkeit ist bei unserem Beruf ja quasi ?Build-In?. (lacht) Wir entwickeln Software. Daf?r braucht man nichts Station?res. Wir nehmen Rechner, Kreativit?t und den Spa? an der Arbeit einfach ?berall mit hin. Das ist eigentlich auch schon das Basiskonzept. In der IT-Branche ist das sicher auch einfacher als in anderen Branchen.

Martin: Wir ben?tigen  nur Strom und Internet. Das ist der gro?e Vorteil der neuen digitalen Welt. Wir entwickeln moderne Apps und Oberfl?chen f?r jeden Bedarf und k?nnen diese von ?berall auf der Welt bei Kunden einspielen, warten und Support leisten.

Mandy: Wie findet Ihr Kunden, wenn Ihr st?ndig woanders seid?

Robert: Ziemlich gew?hnlich: so, wie man auch Kunden findet, wenn man ein Unternehmen in einer beliebigen deutschen Kleinstadt hat und deutschlandweit agiert. Wir nutzen Kontakte, Ausschreibungen, Empfehlungen, Networking-Veranstaltungen und nat?rlich das Internet.

Mandy: Und was sagen Eure Kunden dazu, dass Ihr gar nicht in Deutschland und st?ndig woanders seid?

Robert: Bei manchen Ausschreibungen ist leider Schluss, wenn wir sagen, dass wir gern ortsunabh?ngig arbeiten w?rden. Spannenderweise trifft aber auch immer ?fter das Gegenteil zu. In der IT-Landschaft werden intensiv Fachkr?fte gesucht, und ich habe den Eindruck, dass sich deswegen auch unsere potentiellen Kunden alternativen Arbeitsformen gegen?ber zunehmend offen zeigen. Ich glaube, dass Transparenz wichtig ist, wenn man entfernt arbeitet, ebenso wie Ehrlichkeit und Authentizit?t, die Vertrauen schaffen.

Martin: International agierende Unternehmen haben seit jeher das Problem, dass sie nicht vor Ort beim Kunden sind. Aufgrund der Zeitverschiebung ist dort flexibles Arbeiten ?blich. Das kommt langsam auch im lokal agierenden Mittelstand an.

Robert: Wir haben Mitarbeiter von mittelst?ndischen deutschen Firmen kennengelernt, bei denen ein halbes Jahr Remote-Arbeit in Spanien kein Problem ist. Da wird dann sogar ein Co-Working Space f?r den Mitarbeiter sowie die Flugtickets bezahlt. Hier bewegt sich definitiv etwas und wir wollen Teil davon sein ? Arbeitgeber 2.0, wenn man so will. (lacht)

Mandy: Ihr wolltet mehr Flexibilit?t und Freiheit in der Gestaltung Eurer Arbeits- bzw. Lebenszeit. Wie genau schaut denn heute ein Arbeitstag bei Euch aus?

Martin: Jeder Mensch hat ja bekanntlich eine eigene biologische Uhr und nur in den wenigstens F?llen ist diese auf 9 bis 17 Uhr Arbeiten eingestellt. Wir wollen arbeiten, wenn wir uns am produktivsten f?hlen, und so ist es nicht un?blich, dass wir abends 23 Uhr einen neuen technischen Ansatz diskutieren oder zusammen eine L?sung zu einem IT-Problem finden. Wir arbeiten selten acht Stunden am St?ck. Wir legen f?r uns selber Arbeitspakete fest und verteilen diese dann ?ber den Tag. So haben wir meist bis Mittag ein mehrst?ndiges Arbeitspaket, nutzen dann die Pause, um die jeweilige Stadt zu erkunden und nehmen uns sp?ter am Nachmittag das n?chste Paket vor. In Las Palmas auf Gran Canaria konnten wir so um 14 Uhr surfen, weil dann die Wellen am besten sind.

Mandy: Man h?rt immer wieder, dass mobiles Arbeiten mit freier Zeiteinteilung zur ?berlastung f?hrt, beispielsweise weil man doch mehr arbeitet als gedacht oder weil nicht ausreichend lange Erholungspausen genommen werden. Ist das bei Euch auch so? Wie sch?tzt Ihr Euch vor Euch selbst?

Robert: Gute Frage, noch geht?s mir gut! Ich muss sagen, dass ich tats?chlich skeptisch war, ob ich mit der freien Zeiteinteilung klarkommen werde. Aber es geht deutlich besser als erwartet. Ich war immer der Typ, der gesagt hat ?Ich geh? gerne ins B?ro, da hat man ein klaren Arbeitsstart und ein klares Arbeitsende?. Das w?rde ich so heute nicht mehr unterschreiben, denn ehrlich gesagt, hab ich doch vieles mit nach Hause genommen. Und sei es nur gedanklich. Heute genie?e ich die M?glichkeit, dem Rechner jederzeit ein bis zwei Stunden den R?cken zu kehren, aber ihn auch jederzeit wieder anmachen zu k?nnen, wenn ich einen Geistesblitz habe.

Martin: Wir reisen ja zusammen. Dadurch geben wir auf uns gegenseitig Acht und k?nnen auch einige Aufgaben des jeweils anderen ?bernehmen, falls der andere mal krank ist oder einfach zu viel Arbeit auf dem Tisch hat. Daneben f?hren wir auch Buch ?ber unsere geleisteten Stunden und machen regelm??ige Reviews, um f?r uns festzustellen, wo wir stehen. Das klappt bisher ausgezeichnet und wir w?rden auch schnell erkennen, wenn es hier zu Unausgewogenheiten kommt.

Mandy: Habt Ihr denn auch genug Zeit, die St?dte, in denen Ihr Station macht, zu erkunden?  Wie lange bleibt Ihr an einem Punkt?

Martin: F?r den Anfang haben wir uns vorgenommen, alle Destinationen im Schnelldurchlauf zu erkunden, d. h., wir bleiben an jedem Ort etwa einen Monat. Es bleibt aber immer etwas Zeit, um sich die interessantesten Pl?tze und Sehensw?rdigkeiten anzuschauen. Dennoch ist ein Monat zu kurz, um wirklich in einer Stadt anzukommen. F?r sp?tere Reisen werden wir an den Orten wahrscheinlich l?nger bleiben.

Mandy: Welche Ziele sind als N?chstes geplant?

Martin: F?r dieses Jahr haben wir uns eine Route von Rom westw?rts am Mittelmeer entlang gesetzt. Dabei gab es auch einen kleinen Abstecher nach Gran Canaria. Das letzte Ziel auf dieser Tour ist Concarneau in der sch?nen Bretagne ? nicht am Mittelmeer, aber auch sehr sehenswert. Inzwischen haben wir auch einige Kontakte zu Menschen aufbauen k?nnen, die einen ?hnlichen Lebensstil verfolgen. Sie nennen sich ?Digitale Nomaden?. In Communitys und Gruppen tauschen sie Erfahrungen und Reiseziele aus. Mit unserer kleinen europ?ischen Route sind wir da vergleichsweise nur ?um die Ecke gereist?. Es gibt sogar Orte, an denen B?ros und ?bernachtungsm?glichkeiten extra f?r digitale Nomaden entstanden sind. Dort kommt man schnell mit vielen interessanten Menschen in Kontakt und unsere Liste mit Reisezielen ist mittlerweile dementsprechend lang geworden. Als n?chsten gr??eren Trip haben wir uns Asien vorgenommen, beginnend mit Vietnam.

Mandy: Mal Hand aufs Herz, bleibt es bei diesem mobilen Arbeiten oder habt Ihr doch Sehnsucht nach einer Heimat, vielleicht sogar nach Deutschland?

Robert: Eine Heimat hab ich ja! Die war aber schon immer unabh?ngig davon, wo ich wohne. Die hohe Schlagzahl der Ortswechsel, die wir aktuell vorlegen, halten wir sicher nicht aufrecht. Wir erkunden aktuell noch, was m?glich ist. Das Langzeitmodell sieht eher einen B?rostandort in Deutschland vor, und doch die Freiheit, dort hinzugehen, wo es uns gef?llt und wir gute Arbeit leisten k?nnen wenn wir darauf Lust haben. Wir werden sehen.

Mandy: Wo kann man mehr ?ber Euch erfahren oder mit Euch in Kontakt treten?

Robert: Infos zu atroo findet man auf www.atroo.de. Und wer uns Fragen stellen will, kann gern auf twitter @atroo_online anschreiben oder uns per mail erreichen info@atroo.de.