F?r fast alle Besch?ftigten haben sich in den letzten Wochen die Arbeitsbedingungen komplett ver?ndert. F?r die Betriebe ist es aktuell eine sehr schwierige Zeit ? was brauchen also besonders kleine und mittelst?ndische Unternehmen, um nicht am Ende vor dem Ruin zu stehen (und die Besch?ftigten ohne Job)?

Dr. Elisa Clau?: An erster Stelle steht hier nat?rlich die finanzielle Unterst?tzung. Das umfasst unter anderem die Auszahlung von Soforthilfen, das Aussetzen von Zahlungen oder Ratenzahlungen an das Finanzamt, die Krankenkassen sowie die Berufsgenossenschaften und auch die M?glichkeit, Kredite ohne hohe Zinsbelastung aufzunehmen. Und all dies nat?rlich unb?rokratisch und m?glichst auch noch f?r die kommenden Monate ? denn in solch einer Ausnahmesituation muss man als Unternehmer schnell handeln bzw. sich auch sicher sein d?rfen, dass man den Mai und Juni auch noch ?berstehen kann. Wichtig ist nun, Betriebe z?gig wieder hochfahren, um sicherzustellen, dass Arbeitspl?tze nicht verloren gehen. Dabei ist der Infektions- und Gesundheitsschutz der Besch?ftigten nat?rlich von zentraler Bedeutung. Die Arbeitgeber sind selbstverst?ndlich bereit, die notwendigen zus?tzlichen Ma?nahmen zum bestehenden Arbeitsschutzstandard umzusetzen. Das bedeutet aber auch, dass diese Ma?nahmen verh?ltnism??ig, praktikabel und realistisch umsetzbar seien m?ssen - vor allem f?r die kleinen und mittelst?ndischen Betriebe. Nehmen wir beispielsweise die Forderung, im Betrieb ein kontaktloses Fieberthermometer vorhalten zu k?nnen, um bei Besch?ftigten Fieber zu messen und das entsprechend zu dokumentieren. Da stellt sich doch die Frage, wie das konkret umgesetzt werden soll. Gehe ich dann als Besch?ftigter zu meinem Vorgesetzten und sage ihm, dass ich glaube Fieber zu haben? Und dann werde ich quer durch den Betrieb zum Pf?rtner oder Security-Mitarbeiter geschickt, der dann bei mir Fieber misst? Klar ist doch: Wenn jemand Krankheitssymptome hat, sollte er schnellstm?glich zur ?rztlichen Abkl?rung ? und nicht erst noch im Betrieb Fieber messen lassen m?ssen.

Wie k?nnen Arbeitgeber aktuell verhindern, dass ihre Besch?ftigten einer erh?hten Gefahr von Infektionen ausgesetzt sind? Welche Ma?nahmen sollten langfristig beibehalten werden?

Besonders wichtig ist im Moment, dass Arbeitgeber und Besch?ftigte vertrauensvoll Hand-in-Hand arbeiten. Der Arbeitgeber muss im Rahmen seiner F?rsorgepflicht daf?r Sorge tragen, sinnvolle und angemessene Schutzma?nahmen zu ergreifen. Zum Beispiel sollte er seine Besch?ftigten wann immer m?glich von zuhause arbeiten lassen, klare Kommunikationsregeln aufstellen und alles daf?r tun, dass genug Abstand gegeben ist bzw. auch alles Notwendige f?r eine ausreichende Handhygiene vorhanden ist. Auf der anderen Seite sind auch die Besch?ftigten wie noch nie zuvor gefragt, gut auf sich aufzupassen, beispielsweise die Nies-und Hustetikette einzuhalten, regelm??ig H?nde zu waschen, zu l?ften und bei Fieber bzw. Atemwegserkrankungen konsequent zuhause zu bleiben. Ma?nahmen wie Abstandsregeln, Handhygiene, Nies- und Hustetikette aber auch ggf. das Tragen von Mund-Nase-Masken bei zu geringem Abstand z. B. zwischen KollegInnen oder KundInnen m?ssen wir vermutlich auch noch l?nger beibehalten.

Das Virus ist ja eine ziemlich konkrete physische Gefahr, aber wie steht es mit den psychischen Belastungen durch Angst, ?berlastung oder den Streit um die letzte Packung Klopapier?

Der psychische Druck ist immens und das betrifft alle Menschen. Ich m?chte beispielsweise nicht in der Haut der Familienunternehmerin stecken, die sich gerade fragt, wie es weitergehen soll und was sie ihren 30 Besch?ftigten morgen erkl?ren darf. Die Unsicherheit und Unklarheit auf allen Ebenen, ob nun privat, beruflich oder gesamtgesellschaftlich, bringt eine Anspannung mit sich, die wir aktuell alle zu sp?ren bekommen. Sie l?st Angst und Panik aus ? nat?rlich auch gen?hrt durch eine andauernde Berichterstattung ?ber drastische Quarant?nema?nahmen und Verlust. Das Gef?hl von Angst ist dabei v?llig nat?rlich, denn es ist ein biologisch ?berlebenswichtiges Gef?hl. Durch Angst erh?hen sich Herzschlag und Atmung, die Muskulatur wird st?rker durchblutet ? wir bereiten uns also voll auf die notwendige Flucht oder den lebensrettenden Kampf vor. Unser Fokus verengt sich, wir betrachten eher das Kritische an einer Situation anstatt der Chancen. So entstehen nat?rlich auch Streit, Konflikte oder v?llig unn?tige Hamsterk?ufe. Ich denke, es ist wirklich notwendig, gut auf sich selbst, auf die eigene ?Psychohygiene? zu achten. Dazu gibt es auch klare Empfehlungen, z. B. Informationen nur dosiert und nur aus vertrauensw?rdigen Quellen (wie dem RKI) ?konsumieren?, den Alltag positiv gestalten und auch positiv denken, sich austauschen und einander helfen ? und wenn es einfach gar nicht mehr geht, sich professionelle Hilfe suchen (konkrete Tipps findet man bei der Deutschen Gesellschaft f?r Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde). Der Arbeitgeber kann hier dabei helfen, ?ngste zu reduzieren, indem er die getroffenen Ma?nahmen zum Schutz klar und verst?ndlich an alle Besch?ftigten kommuniziert, Unterst?tzung anbietet und Handlungssicherheit vermittelt. Wenn ich wei?, dass mein Betrieb gut auf meine Sicherheit achtet und ich es auch tue, dann kann mir das bereits viel Angst, Stress und Anspannung nehmen.

Ein kurzes Zwischenfazit: Was sind die Lessons learned f?r Unternehmen, Besch?ftigten und Gesellschaft?

Zum Einen zeigt gerade diese Krisenzeit, wie wichtig es ist, dass Unternehmen flexibel sein k?nnen und d?rfen. Nur diese Flexibilit?t ? in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeiten von Daheim, neue technische L?sungen oder auch in Bezug auf die schnelle Entwicklung neuer Gesch?ftsmodelle und Arbeitsbereiche - konnte Ma?nahmen wie Social Distancing und Kontaktverbot erm?glichen, ohne dass ganze Unternehmen oder gar Branchen vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen, da ihre Besch?ftigten nicht mehr arbeitsf?hig sind. Hier ist also die klare Aufforderung, diese M?glichkeiten zur Flexibilit?t weiter zu unterst?tzen und auszubauen. Zum anderen zeigt die Krise auch, dass vielleicht gerade solche Modelle wie Homeoffice gar nicht so unbedingt der Weisheit letzter Schluss sind. Denn wer hat in der letzten Zeit nicht ?fter mal sein B?ro, die dortige gute Ausstattung und den Austausch mit seinen KollegInnen vermisst? Auch gesamtgesellschaftlich zeigt sich im Moment, wie wichtig es ist, solidarisch zu sein, zusammenzuhalten und einander zu unterst?tzen. Ich denke, wenn die Krise ?berstanden ist, werden wir vielleicht das ein oder andere Thema aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ich bin gespannt, welcher das dann sein wird. Im Augenblick m?chte ich jedoch sehr gern auch einmal den Unternehmerinnen und Unternehmern meinen Dank und Respekt aussprechen ? f?r ihr Durchhalteverm?gen, die gro?e Solidarit?t gegen?ber den getroffenen Ma?nahmen, die vielen kreativen L?sungsideen in der aktuellen Krise und die vielen Ma?nahmen, die bereits ergriffen wurden, um die Gesundheit ihrer Besch?ftigten zu sch?tzen.

Liebe Frau Dr. Clau?, vielen Dank f?r das ausf?hrliche Interview.

Dr. Elisa Clau? ist Referentin f?r Arbeitswissenschaft bei der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverb?nde e. V.. Sie ist aktuell die Vorsitzende des RKW-Fachbeirats "Mensch und Arbeit".