Mandy: Seit unserem letzten Gespr?ch ist einige Zeit vergangen. Damals hattet Ihr gerade Euren Vollzeit-Job im IT-Bereich gek?ndigt, um mit einer eigenen Firma durch die Welt zu ziehen und ortsunabh?ngig zu arbeiten. In welchen L?ndern und St?dten hattet Ihr als Digitale Nomaden zwischenzeitlich Euer Lager aufgeschlagen?
Robert: Das Jahr 2016 begann erstmal in Deutschland. Wir waren in einem Schloss bei Magdeburg - Schloss Heinrichshorst. Ein junges belgisches Paar vermietet hier Wohneinheiten. Das war sehr spannend, weil die beiden in der Kunst und auch im IT-Bereich arbeiten und somit interessante Projektvisionen zustande kamen.
Im Fr?hjahr waren wir auf der CeBIT in Hannover ? ein spannender Termin f?r jeden, der technologiebegeistert ist.
Dann waren wir f?r ein paar Wochen im Spreewald. Die Ruhe dort ist perfekt zur Fokussierung.
Im Mai waren wir mit Freunden auf Sardinien, um schon mal ein paar Sonnenstrahlen zu haschen, bevor es dann von Juni bis August in die USA ging. Hier haben wir in New York, Washington, Florida, Long Beach bei Los Angeles und in Bloomington gewohnt.
Im Oktober haben wir schlie?lich nochmal unsere Freunde in der Bretagne besucht.

Martin: Im November waren wir erneut in Lissabon, und zwar auf der Websummit 2016, eine riesige Messe zum Thema "Europe?s Largest Technology Marketplace". Anschlie?end hatten wir f?r eine gute Woche ein Strandhaus am Fonte del Telha zusammen mit weiteren Freelancern gemietet, um gemeinsam zu arbeiten und in den Pausen zu surfen. Unsere Reisen kann man auch auf unserer Homepage oder bei Facebook verfolgen.

Mandy: Und wie lief es im Job? Hattet Ihr gen?gend Auftr?ge?
Robert und Martin: Wir haben das Gl?ck, auch 2017 f?r einen gro?en Kunden arbeiten k?nnen. Nat?rlich gab und gibt es dazu noch weitere Auftr?ge von anderen Kunden. Zudem konnten wir eigene Projektideen umsetzen, deren Release f?r Anfang 2017 geplant ist. Es mangelt also nicht an Arbeit :)
Mandy: Was waren Eure Highlights? Und was die gr??ten Herausforderungen und Hindernisse?
Robert: Es ist sch?n zu sehen, wie das berufliche Netzwerk w?chst. In den Projekten, in denen wir bereits involviert sind, nehmen wir eine immer verantwortungsvollere Position ein ? auch das l?sst vermuten, dass die Kunden zufrieden sind und sich unsere Arbeit qualitativ weiterentwickelt.
Es ist auch immer noch toll, durch das ortsunabh?ngige Arbeiten verschiedene St?dte besuchen zu k?nnen. Gerade die USA sind eine Reise wert, auch wenn es durch die Zeitverschiebung und die Telefonkonferenzen mit deutschen Kunden n?tig war, regelm??ig um 1 bis 4 Uhr nachts zu telefonieren. Das bedeutete auf der anderen Seite, dass wir mittags mit dem Gro?teil der Arbeit durch waren und die St?dte erkunden konnten.
Au?erdem wissen wir nun klar, dass sich unsere Lebens- und Arbeitsweise auch finanziell rechnet, was beruhigend ist.

Martin: Herausforderungen gibt es auf unterschiedlichen Ebenen ? meist aber in den Unterk?nften. In Lissabon zum Beispiel hatten wir erst keinen Strom, dann kein warmes Wasser, was sich auch bis zum Ende des Aufenthalts nicht ?nderte, und schlie?lich ausstr?mendes Gas. Die Kommunikation mit einem ausschlie?lich portugiesisch und ukrainisch sprechenden Hausmeister k?nnen wir ebenfalls als anspruchsvoll bezeichnen. Daf?r gab es jeden Morgen frische Orangen vom eigenen Orangenbaum.
Eine andere H?rde, die direkt mit unseren Reisen zusammenhing, war die Zusammenarbeit mit unserem ersten Steuerberater. Im Laufe des letzten Jahres mussten wir uns einen neuen suchen, der diese Form des Arbeitens besser in die vom Finanzamt zur Verf?gung stehenden Formulare "?bersetzen" kann.
Mandy: Hat sich was an Eurer Arbeit ge?ndert?
Robert: An unserer Arbeitsform hat sich nicht viel ver?ndert. Im Rahmen der neuen, flexibleren Arbeitsmodelle haben sich ?ber die letzten Jahre Begrifflichkeiten wie "Workation" oder "Code-Retreat" etabliert. Wir versuchen uns mal an einer Erkl?rung: Workation ist eine Wortkreation aus Arbeiten ? engl. work ? und Urlaub ? engl. vacation ? und meint, dass man sich interessante Orte sucht, an denen das Arbeiten mit Urlaubserlebnissen verkn?pft wird. Letztendlich ist es eigentlich genau die Form der Lebensgestaltung, die wir seit Beginn von atroo im Jahr 2015 durchf?hren.

Martin: Im November 2016 haben wir das erste Mal mit einer gr??eren Gruppe an engagierten Selbstst?ndigen in Lissabon gearbeitet. Wir haben unterschiedliche Alltagssituationen zusammen erlebt, Projektideen durchgespielt, waren kreativ und konnten unser berufliches Netzwerk weiter ausbauen.
Eine Steigerung ist dann das "Code-Retreat". Es beinhaltet einen deutlich st?rkeren Arbeitsfokus, wie auch das englische Wort f?r Klausurtage ? retreat ? ahnen l?sst. Hier ist das "Drumherum" (z. B. eine tolle Stadt) des Treffens einer Gruppe nicht von so gro?er Bedeutung, denn sie wird ohnehin kein Tageslicht sehen :) Vielmehr haben sich die Teilnehmer auf ein Projektziel geeinigt und wollen dies in kurzer Zeit bearbeiten und erreichen. Wir haben selbst noch kein Code-Retreat durchgef?hrt, sind aber sehr interessiert daran, was in einem solchen Setting wirklich erreicht werden kann.
Mandy: Und wie geht es nun weiter? Zieht Ihr weiter durch die Welt oder werdet Ihr tats?chlich noch sesshaft?
Martin: Wir glauben, dass es zwischen sesshaft werden und durch die Welt ziehen viel Gestaltungsraum gibt. Es ist ein sch?nes Gef?hl von Freiheit, sich auch spontan f?r einen anderen Ort entscheiden zu k?nnen. Diese Unabh?ngigkeit nutzen wir jetzt auch im Fr?hjahr wieder, um unser erstes Code-Retreat irgendwo in S?deuropa zu organisieren. Innerhalb Deutschlands hat es mich ansonsten nach Frankfurt am Main verschlagen.
Robert: Ich schaue mich eher in der Gegend um Berlin und Dresden um. Auch das bringt ortsunabh?ngiges Arbeiten mit sich: N?mlich, dass sogar bei kleinen Unternehmen nicht alle Leute an einem Ort sitzen m?ssen. Damit sich zwischen uns keine virtuelle Mauer bildet, probieren wir einiges aus. So haben wir f?r uns eine digitale Kantine eingerichtet. Das ist ein Video-Chat-Raum, in dem wir uns w?hrend des Mittags hin verbinden und dann auch mal flapsige Gespr?che f?hren ? wie in einer Kantine eben.